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Alenia
Das Gleichgewicht verrutschte immer mehr. Ich spürte es mit einem fahlen Geschmack im Mund und manchmal kribbelte etwas dunkles auf meiner Haut.

Ich spürte es wie einen leichten Schatten, wenn ich zum Unterricht ging. Ich spürte es beim Essen mit Kova und Lexie.
Aber besonders spürte ich es, wenn ich Magie anwandte. Also wenn ich irgendwie die Scheinende in mir anzapfte.

Für heute war der Unterricht erstmal vorbei und ich stand die Arme in die Hüfte gestemmt in der geheimen Bibliothek, die Lillith damals entdeckt hatte. Das Feuer der Fackeln tauchten den Raum in ein warmes Licht und beschien flackernd die alten Büchern in ihren Regalen. Der Duft von Pergament stieg mir in die Nase und mein Blick fiel als erstes auf das aufgeschlagene Buch in der Mitte. Es lag auf eine Art Pult aus Stein mit rechts und links jeweils einer Fackel. Ich trat näher und fuhr über die Papierreste in der Mitte, wo man die Seite mit der Prophezeiung herausgerissen hatte.
Warum auch immer.

Seufzend klappte ich das dicke Buch zu. Hier würde ich keine Antwort auf die Frage finden, was ich gegen das Gleichgewicht tun konnte. Der einzige Weg, den ich kannte war Lillith zu töten und das war eindeutig keine Option.

Traurig ging ich zu den Regalen bis ganz nach hinten zu den ältesten Büchern.
Ich vermisste Lillith. Für die Welt war sie tot und als Monster in Erinnerung geblieben. Für mich war sie eine Freundin, die ich nicht besuchen konnte. Schließlich brauchte ich einen deftigen Grund, um für vier Wochen die Schule zu verlassen. Die Reise dorthin dauerte lange, da ich mich nicht teleportieren konnte wie sie.

Ich zog das letzte Buch im Regal heraus. Es war aus altem Leder und als ich es aufschlug fielen mehrere beschriebene Seiten heraus. Seufzend setzte ich mich auf den klaren Steinboden und legte sie wieder rein. Das Buch legte ich auf meine Beine und blätterte es durch. Es war handgeschrieben und zwar mir einer so unleserlichen Handschrift, wie ich es selten gesehen hatte. Das machte es wirklich schwierig, es zu lesen.

Als Lillith und ich noch nach Hinweisen auf den Dunklen Mond gesucht hatten, hatte ich die Tagebücher durchgelesen. Es waren nur die von der Scheinenden erhalten und sie hatten immer damit geendet, dass sie den Dunklen Mond getötet hatte.
Während ich das Buch durchblätterte fragte ich mich warum es hier kein einziges Buch vom Dunklen Mond gab. Hatte er denn nie Tagebuch geführt wie die Scheinende?

Da es mir darum ging, herauszufinden was ich anderes tun konnte, als Lillith zu töten, blätterte ich immer zum letzten Eintrag.

Es ist endlich vollbracht. Der Dunkle Mond ist Geschichte. Es war ein erbitterter Kampf und auch ich habe Verletzungen davongetragen, doch letztendlich konnte ich ihn besiegen...

Ich klappte das Buch zu und griff zum nächsten.

Ich konnte ihn ausfindig machen. Es hat eine Weile gedauert, aber ich konnte ihn überraschen und ...

Das nächste.
Und das nächste.

Wütend schleuderte ich das Buch, das ich gelesen hatte, gegen das Regal. Dadurch fielen mehrere Bücher herunter und eines landete auf meinen Fuß.
Zischend zog ich den Fuß zurück und sah das Buch böse an.

Hatte es denn noch nie ein anderes Ende gegeben? Hatte ich immer den Dunklen Mond getötet? Seit Anbeginn der Zeit?

Plötzlich entstand neben mir ein Lichtblitz und ich kniff aus Reflex die Augen zusammen. Als ich sie wieder öffnete, saß die Scheinende neben mir.

Erschrocken sprang ich auf und ging ein paar Schritte zurück. Das hatte sie noch nie getan.

Fassungslos sah ich an ihr hoch und runter. Sie schien aus Licht zu bestehen, denn ihre Frauengestalt glimmte golden. Sie warf sofort ein warmes Licht durch den ganzen Raum und wohlige Wärme breitete sich in mir aus.
Ihre Haare fielen in weichen, goldenen Wellen um ihr sanftes und schönes Gesicht. Ihre ebenfalls goldenen Augen sahen mich freundlich an.

Lillith die Quelle der MagieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt