Dunkle Begierde

545 19 11
                                        

Epilog

Der rothaarige Kapitän lehnte an der Reling und führte sich in regelmäßigen Abständen die Rumflasche an die Lippen. Er zog die braune Substanz zwischen seine Zähne und versuchte jede betäubende Nuance auf seinen Schleimhäuten zu spüren. Die Flüssigkeit machte jedes Mal ein schwappendes Geräusch in der Flasche, jedes Mal wenn er sie anhob und wieder sinken ließ. Die Insel, die sie ansteuerten, war schon zu erkennen und er biss sich auf die Innenseite seiner Wange. Die Galley verlor an Fahrt und schipperte nur gemächlich auf den Hafen zu. Der Captain hörte zwar die Rufe, die sich die Männer gegenseitig an den Kopf schmetterten, ließ sich aber in seiner Ruhephase nicht stören. Allerdings hatte er die Rechnung ohne seinen Vizen gemacht. „Was macht der Arm?", fragte er unverfänglich, als hätte er sich nur die Schulter beim Training gezerrt. Kid schnaubte und sah auf die metallischen Finger, die sich in einer Welle auf und ab bewegten. Die Idee eines metallischen Ersatzes seines Arms pflanzte sich nach den qualvollen Nächten in seiner Kajüte in den Kopf. Er trainierte fast Tag und Nacht, das Ding zu kontrollieren oder es schlichtweg nur zu halten. Mittlerweile funktionierte es besser, aber er war immer noch angeschlagen. Killer vergeudete einige Liebesmüh an seinen Captain, um ihn davon zu überzeugen seine neuen Umstände zu akzeptieren und sich nicht mit stundenlangen Trainieren auf die Bretter zu schicken.
„Wie gehabt... beschissen langsam", knurrte er wütend und trank den letzten Rest aus der Flasche und ließ sie einfach achtlos ins Wasser fallen. Sein Vize machte sich Sorgen, denn so lange er Kid auch schon kannte, so war er noch nie drauf und er wusste selbst nicht mehr wie er mit dem rothaarigen Teufel umgehen sollte. Er wollte ihn nicht überfordern oder gar verhätscheln. Er versuchte auch nicht mit ihm über die Ereignisse auf dem Storm-Anwesen zu reden. Das hatte er sofort abgeblockt und Killer die Nase gebrochen – trotz Maske.
Der Grad, auf dem er also wanderte, war also schmal.
Die Mannschaft war ratlos und der Blonde konnte ihnen nicht länger vormachen, zu wissen, was in Kid vor sich ging. Zumindest nicht zur Gänze.
Der Vize brauchte selbst einige Zeit, um die Folter von Oni zu verarbeiten. Wochenlang wachte er schweißgebadet auf, schrie im Schlaf und war teilweise so aufgekratzt von seiner Müdigkeit, dass er kaum klar denken konnte. Manchmal bildete er sich ein, ihren Geruch wahrzunehmen, der ätzend auf seiner Haut klebte, sodass er hin und wieder viermal am Tag duschte. Denkbar schlecht für eine Crew, wenn Kapitän und dessen Vize zu nichts zu gebrauchen waren. Und selbst heute musste er sich eingestehen, dass er noch viel länger brauchen würde, um Onis fratzenhaftes Gesicht zu vergessen oder ihr triebhaftes Verhalten, ihre Kraft, die Killer zu einer willenlosen Hülle machte. Als ihm der Gedanke kam, wollte er gerade selbst gern zu einer Flasche greifen, nur um sich sicher zu sein, dass er nicht mehr in dem Keller eingesperrt war, sondern auf der Galley – mit seiner Mannschaft, auf der Grand Line.
Und wenn es ihm schon so erging, konnte er sich denken, dass es bei Kid sogar noch schlimmer war. Die Phantomschmerzen, das nächtliche Geschrei aus der Kapitänskajüte, die sich durch den Türschlitz schlichen und die gesamte Crew lahmlegte. Booze hatte ebenfalls kaum eine ruhige Nacht, nachdem sie die brennende Insel verließen.
„Captain?", fragte der Schiffsarzt zaghaft und wischte sich die schweißnassen Hände an seiner Hose ab. Kid drehte den Kopf und sah Booze über die Schulter hinweg fragend an. „Naja.. wie.. wie lauten die Befehle?" Killer runzelte die Stirn und stützte seine Hüfte abwartend an der Reling ab. Der stämmige Mann versuchte wirklich den Kapitän an seine gewohnte Umgebung zu erinnern. Er zuckte mit den Schultern und erhob sich müde, als die Segel eingezogen wurden und der Anker platschend ins Wasser geworfen wurde. „Ihr nichtsnutzigen Landratten wisst doch was zu tun ist. Muss ich das jedes Mal wiederholen?"
Booze strich sich durch sein dünnes blondes Haar und wandte sich betreten ab. Natürlich wussten sie es, aber sie wagten nicht einfach von Bord zu gehen, ohne zu melden wo sie hingingen und was sie taten. Sie waren immerhin Piraten und wenn irgendeine Scheiße passierte, mussten sie schnell beisammen sein. Doch mit Kids neuerlichen Launen war es schwierig, ihn nicht zu verärgern.

Sei der Sturm [One Piece ● Eustass Kid ● OC]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt