Kapitulation?

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Sarana saß in ihrem abgedunkelten Büro, ihre Beine übereinander geschlagen und klammerte sich an ihr Glas, das mit einem der teuersten Gins der Grand Line gefüllt war. Trotzdem schmeckte er bitter. Und plötzlich schienen diese Dinge so unwichtig.
Sie rieb sich die Stirn und musste sich eingestehen, dass sie wirklich müde war, derart erschöpft und ratlos. Ihre Maske fiel mit jedem Tag, der auf dem Anwesen verstrich. Kids Anwesenheit ließ sie weich werden, sie dachte über Dinge nach, die sie schon längst vergessen glaubte. Seufzend starrte sie ihr enges, schwarzes Kleid an. Es schlang sich eng um ihren Körper und ihr kam die drohende Gefahr zu ersticken in den Sinn, auch wenn es absolut absurd war. Sie sah aus wie eine Witwe und so fühlte sie sich auch.
Ihr Gefühlsausbruch passierte vor aller Augen.
Wegen eines Piraten, der eigentlich ihr gehöriger Sklave sein sollte.
Ein Pirat, dessen Name sich um ihr Herz legte, wie eine Blumenranke, die empor stieg um noch näher an der Sonne zu sein, und es drohte zu zerdrücken.
Sie konnte nicht fassen, dass sie schon wieder so weit war. Nicht nochmal.

Eine einzelne Träne lief ihr über die Wange und sie ließ sie dort wo sie war. Seit Jahren hatte sie nicht mehr geweint, es fühlte sich völlig fremd an, aber auch vertraut und erleichternd, dass sie es diesmal zuließ. Claudius schickte sie weg, versprach sich um alles zu kümmern und sie war ihm dafür unendlich dankbar. Der alte Mann hatte mit keinem Tag aufgehört sich um sie zu kümmern und sie lachte kurz tonlos auf, als ihr der Gedanken kam.
Sie brauchte nur eine Stunde oder auch zwei. Nur für sich. Einfach Ruhe.
Ein Moment, der ihr erlaubte einmal nicht stark zu sein.
Danach würde sie wieder die gnadenlose Hausherrin spielen, die sich allem stellte.
Eine Strafe für ihre Schwester verhing und versuchte sich mit den beiden Piraten auseinander zu setzen. Doch fürs Erste, saß sie nur regungslos auf ihrer anthrazitfärbigen Couch und wiegte ein fein verarbeitetes Kristallglas zwischen ihren schmalen Fingern. Sie wusste nicht warum sie diese Gläser weiter verwendete. Eigentlich hatte sie die Dinger immer gehasst, sie fand sie protzig und geschmacklos. Und es dämmerte ihr, bröckelte, wie ein gut gehütetes Geheimnis hinter einer versteinerten Mauer. Eine geheime Tür drohte sich zu öffnen und Sarana wusste nicht ob sie für diese tief vergrabenen emotionalen Schädigungen, die ihr Innerstes so hässlich machten, bereit war. Sie wusste, dass sie vorhanden waren, aber sie wollte sie sicherlich nicht vor Augen geführt bekommen. Wieviel hatte sie noch von ihrem Vater übernommen? Unbewusst oder nicht - sie erkannte sich gar nicht mehr.

Ein zaghaftes Klopfen ertönte hinter der breiten Holztür und sie zischte genervt, strich sich durch die schwarzen Haare, da ihr der bloße Gedanke eines Anderen im Raum derart körperliche Schmerzen zufügte. "Was?" Sie hielt sich den Kopf und erkannte, dass Oz in den Raum kam. Sein einst so schönes Gesicht war ebenfalls von Schmerz gezeichnet, der weitaus tiefer ging, als alles was er bisher erleben musste. Er setzte sich auf den niedrigen Glastisch und sah ihr in das angespannte Gesicht. "Was kann.. was kann ich tun?", wisperte er und starrte Sarana in ihre eisblauen Augen, die sich nur mühsam auf Oz' Gesicht legten. Seine blauen Haare waren wild wie immer und sie empfand immer noch etwas Zuneigung für ihn. Keine Liebe oder gar Lust, nur pure Zuneigung. Er war ihr wichtig und sie wollte ihn in Sicherheit wissen, nur wusste sie nicht mehr wie lang sie ihm diese gewähren konnte. Deswegen lächelte sie nur schwach. "Nichts.. Ich brauche Ruhe, Oz!" Seufzend sank sein Kopf nach unten und er rieb sich den Nacken. Oz ging auf die Knie und legte seine warmen Hände auf die Oberschenkel von Sarana. Sie zuckte leicht, als sie die plötzliche Berührung spürte und schloss die Augen. Seine Hände waren weich, sanft und angenehm und früher hatte sie sie wirklich genossen. Aber vor ihrem inneren Auge konnte sie Oz nicht durch den ersetzen, den sie eigentlich wollte. Der in ihr einen regelrechten Flächenbrand verursachen konnte, nur mit einer einzigen Berührung. Seine Hände fühlten sich falsch an, wie sie sich unter ihr Kleid schoben. Wieder versuchten Tränen ihren Schmerz vor aller Welt herauszuschreien, aber diesmal konnte sie ihnen nicht freien Lauf lassen. Und alleine der Versuch brachte Sarana fast an ihre bittere Grenze.

"Ich sorge dafür, dass es dir wieder besser geht!" Oz' Worte klangen so verführerisch, wie gerne würde sie alles vergessen, einfach von sich schieben. Ihn nehmen und ihre Position wieder festigen, ein Gefühl von Kontrolle und Macht würde ihr die nötige Selbstbeherrschung wieder zurückgeben. Doch alles sträubte sich in ihr und als sie die Finger von Oz an ihrer Unterwäsche spürte, verkrampfte sich ihr Magen und sie wusste, dass er ihr nicht helfen konnte. "Nicht!" Sie griff nach seinem Arm und er hielt augenblicklich inne. Ihr Atem ging stoßweise und ihr Griff um sein Handgelenk war nicht annähernd so stark wie sonst. "Ich kann nicht. Geh einfach, Oz."

Oz nickte enttäuscht, erhob sich ebenfalls völlig erschöpft. Zumindest hatte er es versucht, aber die alte Imperiumschefin saß hier nicht gerade vor ihm, sondern eine zerbrechliche Frau, die mit ihren ganzen Gefühlen überfordert war. Wie gerne wäre er der Grund dafür gewesen.
Bevor Oz nach der Türklinke greifen und er Sarana in dem dunklen Stübchen zurücklassen konnte, wurde sie mit einem Ruck aufgerissen, der ihn so erschrak, dass er einige Meter zurück wankte. Enis schnaufte und sah beide mit voller Ehrfurcht an, schluckte ein paar Mal und spannte somit die Geduld der Hausherrin ungemein auf die Folter. Seine dunklen Augen wanderten zwischen den beiden hin und her und er wusste nicht wie Sarana auf weitere schlechte Nachrichten reagieren würde. "REDE!", schnaubte Sarana und stand auf. Ihre eisige Kälte war wieder die alte und sie wunderte sich selbst wie schnell sie dazu im Stande war.
"Verzeiht. Oni.. Oni ist nicht mehr in ihrem Zimmer!"
"Was? Oz, du solltest sie doch bewachen!", schrie sie hysterisch und starrte ihn wütend an. "Sebastian hat übernommen, Sar. Ich-" Sarana hielt ihren Arm nach oben und verbot Oz somit den Mund. "Du weißt genau, wozu sie im Stande ist und dann lässt du sie tatsächlich mit Sebastian allein? Wo ist Killer?"
Sie war nervös und aufgebracht, wartete nur noch auf schlimmere Neuigkeiten.
"Herrin.. Der Pirat ist wohlauf.. in seinem Zimmer!" Sarana verengte ihre Augen, irgendetwas übersah sie, machte keinen Sinn. Nichts lief mehr so wie es sollte und das unter ihrer Führung. Eine Situation, die es noch nie auf dem Anwesen gab. Wütend ging sie an den beiden Männern vorbei, machte sich auf die Suche nach ihrer Schwester, denn anscheinend war sie nur noch von inkompetenten Idioten umgeben. Wenn Oni ihre Kraft verwendete, konnte Gott weiß was geschehen und ihr graute es schon bei der bloßen Vorstellung, dass die Blondine möglicherweise einen Putsch versuchte und ihr endlich die lang ersehnte Krone abnahm, die die Blondine insgeheim wollte. Alleine schon deshalb, weil es nie zur Debatte stand, das Geschäft an jemanden anderen weiterzureichen als an Sarana.

Wieder einmal verfluchte sie ihren Vater, der immer noch gekonnt Chaos stiftete, obwohl er schon längst das Zeitliche gesegnet hatte. Aus der Hölle heraus machte er Sar immer noch das Leben schwer. Mit stillem Gezeter klapperte sie das große Gelände ab, es dauerte Stunden bis sie in das alte Gärtnerhaus ging, das seit dem Tod von Mr. Okohamura leer stand. Murrend trat sie die Tür ein und erwartete schon, dass ihr die Blondine entgegen sprang und sie anfiel, aber sie sah nur den Staub der durch die Erschütterung im trüben Sonnenlicht tanzte. Ihr Blick wanderte durch den Raum und sie hörte ein erbärmliches Wimmern. Stirnrunzelnd ging sie in das hintere Schlafzimmer und sah ihre Schwester am Boden liegen, zwischen Tür und Angel. Oni versuchte aus dem Zimmer zu robben, brauchte dafür womöglich die ganze Nacht. Sarana stieß Luft aus ihrer Lunge und blickte auf ihre Schwester herab, ein Bild für tausend Götter, ein Bild, das sie schon seit ihrer Kindheit sehen wollte.
Mit ihrem schwarzen Pump hob sie das Kinn von Oni an, um zu sehen, wie schlimm ihr Zustand mittlerweile war. Und da war es, das fehlende Puzzleteil. Sie war wohl in einen Kampf verwickelt worden, denn das kaum eingerichtete Zimmer war ein einziges Chaos. Kurz zuckten ihre Mundwinkel und Sar wusste sofort, wer hier sein Unwesen trieb.

Killer.

Die Menschenhändlerin hatte keine Ahnung was hier geschehen war, was Killer genau mit ihrer Schwester getrieben hatte, auch wenn sie es sich nur zu gut vorstellen konnte. Die Kidpiraten waren wahrlich nicht zu unterschätzen und Oni wurde tatsächlich geschlagen. Sie keuchte und zitterte und dieses Mal stand sie nicht wieder auf, wie sie es immer tat, auch wenn sie sich noch so anstrengte. Dieser Pirat war wirklich eine Nummer für sich, so etwas hätte Sarana ihm wirklich nicht zugetraut. Die Schwarzhaarige ging in die Hocke, starrte den nackten Körper voller Missgunst an und zischte.
"Dieses Mal hast du es wohl zu weit getrieben, meine Liebe!" Sie suchte nach irgendetwas womit sie Oni verhüllen konnte und fand schlussendlich eine alte, blaue Decke. Sie wickelte ihre Schwester darin ein und hob sie auf. Warum sie sich schon wieder um sie kümmerte, wusste sie nicht. Sarana schob es einfach auf das Blut, das sie und Oni nun mal verband.
Die Blondine hing kraftlos in den Armen ihrer Schwester, blutend und völlig am Ende.
Sie hatte verloren - zum ersten Mal. Ihre Gedanken widmeten sich nur noch dem blonden Piraten, der sein unwiderstehliches Spiel mit ihr trieb und sie wusste sie war verloren.

Sie - der Dämon, der böse Geist und Teufel von den Stormschwestern - fiel.

Sei der Sturm [One Piece ● Eustass Kid ● OC]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt