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PoV Tim

Erschrocken blickte ich auf die roten Stellen, die seinen zarten Hals zierten. Behutsam legte Lukas seine rechte Hand auf diese, um sie zu verdecken, damit ja niemand es sehen konnte. Leider war er aber nicht schnell genug, denn ich hatte alles sehen können.

Ich schluckte.
"Lukas...", hauchte ich schon fast.

Er hingegen verkrampfte seine Hand, die er gerade erst an seinen Hals gelegt hatte und drückte sich selbst seine Fingernägel in die Haut. Dann drehte er seinen Kopf noch weiter Richtung Fenster und blickte langsam auf seinen Tisch. Sein ganzer Körper bebte.

"Sag mir, wer war das?"
Keine Antwort. Stattdessen sah ich sein verkrampftes Gesicht, welches von der Glasscheibe neben ihm gespiegelt wurde. Eine Träne kullerte langsam seine Wange runter und er versuchte stark dagegen anzukämpfen.

Wütend und zugleich erschüttert ballte ich meine Hand zur Faust und hauchte nur ein: "Ich schwör dir, wenn ich herausfinde, wer das war, dann-", doch Lukas kam mir zuvor.

Hektisch drehte er sich um, in seinem Blick lag Angst.
"Nein!", antwortete er schon fast schreiend und seine Augen weiteten sich. Wie zu erwarten starrte uns jeder an, es kehrte Stille im Klassenraum ein.

Lukas wurde panisch, starrte schnell wieder aus dem Fenster und zog sich seine Kapuze noch weiter ins Gesicht.

***

Nach dem Unterricht war Lukas der erste, der aus dem Raum so schnell wie möglich verschwand. Ich hingegen war langsam, vermutlich lag es an meiner kompletten Müdigkeit.

Nachdem ich meine Sachen eingepackt hatte, fiel mir ein kleines Buch auf, welches verlassen auf Stegis Tisch lag. Zögernd stand ich auf, mein Blick auf diesem ruhend, langsam darauf zugehend. Ich streckte meine Hand aus, um nach dem Buch zu greifen.
Es war nicht allzu groß, bräunlich und ein gespannter Gummi hielt das Buch an der Öffnung zusammen.
Eine gewisse Neugierde in mir wollte, dass ich es öffne. Doch meine Vernunft überwiegte und ich ging aus dem Klassenzimmer, das ungeöffnete Buch fest in meiner Hand haltend.

Ich lief meinen gewohnten Weg nach draußen, den Lukas normalerweise ebenfalls ging. Dort angekommen blickte ich mich um, jedoch sah ich ihn nirgends. Entschlossen ging ich also nach Hause, um es ihm später einfach wieder zu geben.

Noch immer müde von dem wenigen Schlaf, den ich zuvor hatte, kam ich dann bei mir daheim an, schloss die Tür auf und ging ins Haus. Als ich plötzlich lautes Gelächter in meiner Nähe hörte, blickte ich mich suchend um. Und tatsächlich saßen mein Bruder und seine Gefolgschaft auf unserer Couch und lachten.

"Ey Tim! Komm mal her!"
Mein Bruder winkte mir zu, aus irgendeinem Grund wurde mir sehr unwohl bei der Sache.
Ich setzte meinen Ranzen im Flur ab, ging langsam auf unser Wohnzimmer zu und trat in den Raum. Fragend hob ich eine Augenbraue und lehnte mich leicht gegen den Türrahmen.

"Du kennst doch diesen 'Lukas', oder?"
Ich verschränkte meine Arme vor der Brust.

"Was willst du!?"
Cedric lachte, ich hasste ihn einfach abgrundtief.

"Ach, es hat sich letztens bewahrheitet, dass er wirklich ein kleiner Schwuchtel ist.", erwiderte er mit ernster Miene.
Gehässig fingen jetzt auch noch seine drei Freunde an zu lachen.
"Naja, und ich hatte eben recht gehabt, als ich zu dir meinte, dass er schwul ist...", er grinste.

Daraufhin stand er auf, ging drohend auf mich zu und kam immer näher.
"Ich sag das jetzt zum letzten Mal und nur, weil du mein kleiner Bruder bist: Halt sich lieber von ihm fern. Vielleicht vergiftet er dich ja noch.", mit einem gehauchten, "Wer weiß...", wandte er sich nun wieder von mir ab.

Ich hingegen verdrehte die Augen und ging aus dem Zimmer raus.
Mit zusammengedrückten Zähnen flüsterte ich ein wütendes "Kleiner Bastard" und ging weiter Richtung Haustür.

Als ich vor Stegis Haustür stand zögerte ich zuerst, doch dann fasste ich meinen Mut und klingelte.
Nach kurzer Zeit wurde dann auch zaghaft die Tür geöffnet und er blickte mir durch den Spalt direkt ins Gesicht. Nachdem ich erkannt wurde, machte er die Tür ganz auf und ich durfte eintreten. Hektisch schloss er diese direkt wieder.

Noch immer zur Tür stehend starrte Lukas zu Boden. Ich sah nur seinen Rücken, welcher in leicht gekrümmter Haltung mir gegenüber stand.

"Ich ähm... Ich hab dein Buch, was du in der Schule vergessen hattest."
Stegi drehte sich um, jedoch blickte er nur das Buch an und seine Augen wurden immer größer.

"H-Hast du darin gelesen?", seine leicht brüchige Stimme ließ mich für kurze Zeit erschaudern.

"Nein."
Naja ich hätte gern.

"Gut. Danke."
Nach diesen Worten riss er mir das Buch förmlich aus der Hand.

"Und ehm, sag es bitte keinem."

"Was nicht sagen?"
Sein Blick erhob sich und ich konnte in seine Augen blicken. Sie wirkten leer, verängstigt, seine einst strahlend grünen Augen waren nun trist und verblasst.

Schweigen füllte den Raum.

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"Anything is possible if you got enough nerve." ~Joanne K. Rowling in Harry Potter - und der Halbblutprinz

someday / stexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt