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PoV Stegi (aka Lukas)

Ich wachte mit schmerzendem Gesicht aus meinem viel zu schlechten Schlaf auf. Genervt machte ich den Ton meines Weckers aus und schleppte mich müde Richtung Badezimmer.

Dort angekommen betrachtete ich mich im Spiegel. Ein saftiges blaues Auge zierte über Nacht mein sonst so blasses Gesicht, welches sich von den hellen Wandfliesen hinter mir nicht allzu sehr abhob. Ebenfalls eine kleine Wunde, etwas unterhalb vom Auge auf meinem Wangenknochen, fiel mir nun auf. Ich fuhr diese mit meinem Finger nach und zischte auf.

Dieser Ficker.

Nachdem ich duschen war und mich fertig machte ging ich runter in die Küche, wo mich mein Vater schon erwartete. Er stand mit dem Rücken zu mir am Herd und briet Spiegeleier, welche ich am leckeren Geruch bereits wahrnahm.

"Guten Morgen!", ertönte es fröhlich von ihm, ohne sich einmal umzudrehen. "Morgen.", gab ich kurz und knapp von mir.

Mein Auge pochte. Es war so verdammt unangenehm und schmerzhaft.

Ich setzte mich hin und schenkte mir ein Glas Orangensaft ein, bevor sich mein Vater umdrehte, um uns das Frühstück zu servieren.

"Oh Gott, Lukas, was...", kam es nur geschockt von ihm. "Hm?", ich blickte zu ihm auf. Ich sah Trauer, Verzweiflung aber auch Wut in seinem Gesichtsausdruck. "Wer... war das?", hauchte er schon fast, aber noch hörbar, mir zu. Ich schwieg und starrte auf meinen noch leeren Teller.

Mein Vater stand mitten im Raum, die Pfanne mit den Eiern in der Hand und seine Blicke ruhten auf mir, besonders auf meinem Auge.

Ich zuckte schließlich mit den Schultern. "Bin wohl gegen etwas gelaufen.", log ich. Natürlich war das die dümmste Ausrede, die ich je von mir gab. Etwas Besseres fiel mir aber in dem Moment nicht ein.

Mein Vater schwieg ebenfalls. Es dauerte keinen Moment, ehe er die Pfanne weg stellte und auf mich zu kam. Er wusste, dass ich log, ich wusste es ebenfalls.

Ich war so dumm zu glauben, ich käme damit aus der Situation raus.

Dann spürte ich, immer noch auf meinen Teller blickend, zwei starke Arme, welche mich umschlangen. Mein Vater hockte nun neben meinem Stuhl und drückte mich fest an sich in eine innige Umarmung.

Ich wusste, was er mir damit sagen wollte und legte meinen Kopf schräg auf seine Schulter. Eine Stille füllte in diesem Augenblick den Raum um uns herum.

Ich liebte meinen Vater dafür. Er war so jemand, der nie wirklich nachhakte, wenn es etwas gab, worüber ich nicht gerne sprechen wollte. Er zeigte Verständnis dafür, auch, wenn er am liebsten sofort etwas dagegen unternehmen würde. Er wartete darauf, bis ich mit dieser Sache zu ihm kam.

Ich war auch das Einzige, was ihn noch an Mum erinnerte und band. Er würde alles für mich tun, damit ich glücklich wäre.

Doch dann meldete sich mein Magen mit einem Grummeln zu Wort. "Oh verdammt, total vergessen!" Hektisch stand er wieder auf, ging zur Pfanne und gab uns beiden das stehen gelassene Essen. "Könnte etwas kalt sein, hoffe das ist nicht allzu tragisch.", meinte er und setzte sich an den Tisch.

***

Auf dem Schulweg zog ich mir wieder meine geliebte Kapuze über und ging auf meinem gewohnten Weg zur Schule. Es war wieder das tollste Wetter draußen, nur meine Stimmung spielte dieses Mal nicht mit. Jeder, der meinen Weg kreuzte, hatte gute Laune. Nur ich nicht.

"Lukas! Warte!", eine mir allzu bekannte tiefe Stimme brach meine Gedankengänge. Ich blickte vom Boden auf und drehte mich um. Eine Person lief direkt auf mich zu - Es war Tim.

Als er ankam starrte ich ihn an, er tat es mir, zwischen seinem schnellen Atmen, gleich.

"Wie... Geht's dir?", fragte er unsicher.

Idiot. Wie soll es mir schon gehen? Ich habe gestern ein fucking blaues Auge von jemanden bekommen, den ich nicht einmal kannte. Aber anscheinend weiß er schon so einiges von mir, einschließlich, dass ist schwul bin. In meiner damaligen Schule wurde ich ebenfalls wegen meiner Zuneigung zu Männern von einem Klassenkameraden verprügelt. Aber wie soll es mir da schon gehen? Hm?

"Ganz gut.", gab ich monoton von mir.

Lügner.

Durchdringend sah er mich an. Ich drehte mich jedoch um und ging weiter Richtung Schule. Ich hatte dafür jetzt keine Nerven. Aber Tim folgte mir. Ich seufzte.

"Lukas, der Kerl hat dir einfach so eine verpasst!", gab er gereizt von sich. "Ja, und jetzt?" Ich merkte, wie sein empörter Blick auf mir ruhte. "Wie und jetzt? Als ob dir das nichts ausmacht!?" Nun wurde er etwas lauter.

Ich ließ ein stumpfes "Als ob dich das wirklich interessiert" im Raum stehen und ging schweigend geradewegs weiter, so auch Tim. Es herrschte ein unangenehmes Schweigen.

Im Unterricht und in der Pausen redeten wir nicht miteinander, was normalerweise sonst auch nie der Fall war. Nur ich merkte diese Spannung zwischen uns, er blickte immer wieder zu mir rüber. Er wirkte nachdenklich und zugleich etwas traurig.

Ich ließ mich davon aber nicht ablenken. Ich war froh, dass mir wenigstens dieser eine Arsch heute nicht begegnete.

***

Auf dem Heimweg unterhielt ich mich mit Amelie, ehe sie in eine Straße abbog und ich nun alleine war.

Nach einer Weile spürte ich eine warme Hand auf meiner rechten Schulter ruhen. Erschrocken drehte ich mich um und sah in Tims Augen.

Was ist nur los mit ihm?

"Ich ehm...", verlegen fing er an, nach Wörtern zu suchen. Er kratzte sich am Hinterkopf. "Es tut mir leid.", kam es nun von ihm und er schaute mich bittend an.

Ich schaute hoch und verlor mich kurz in seinen Augen, sie waren so verdammt wunderschön.

"Wofür?", versuchte ich mich aus meinem Trancezustand zu befreien.

"Dafür, dass mein Bruder so ein Arschloch ist."

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"Oh never mind it's just me"

someday / stexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt