PoV Stegi (aka Lukas)
Mittlerweile war es Sonntag und Tim war immer noch bei mir. Ich könnte mich glatt daran gewöhnen. Er bedeutete mich echt viel - er war für mich da, verurteilte mich nicht und liebte mich so, wie ich nun mal war.
Kann man überhaupt schon von Liebe sprechen? In meinen Gedanken versunken lag ich seitlich auf meinem Bett, stützte meinen Kopf mit einer Hand ab und starrte den noch schlafenden Tim neben mir einfach nur verträumt an.
Wie perfekt er einfach nur ist.Fakt war, dass ich noch nie zuvor so ein verdammt starkes Verlangen hatte, jemanden für immer in meinem Leben festhalten zu müssen. Er war irgendwie, anders. Ich wusste nicht wie, oder was an ihm besonders war. Aber er war es nun mal, auf seine Art und Weise. Ich konnte mir nicht einmal selbst erklären, wie er auf die glorreiche Idee kam, mich zu mögen - einen blassen, blonden Jungen, der wegen seiner homosexuellen Seite verachtet wird.
Leise lachte ich auf. "Wie dumm manche Menschen nur sein können.", gab ich nur flüsternd von mir und schüttelte sachte den Kopf.
Wir leben doch im 21. Jahrhundert, oder etwa nicht? Ich hatte keine Erklärung dafür. Diese hypnotisierten, altmodisch denkenden Menschen, die immer nur dem Strom hinterher schwimmen, wie kleine, eintönige Fische - alle ohne eigenen Willen, gelenkt vom großen Schwarm. Und was war ich in diesem ganzen Spektakel? Ein kleiner, bunter Fisch, der vergebens versuchte, gegen diese ganze Masse anzukommen. Jemand, der andere Wege einschlug und deswegen verurteilt wurde.Langsam verkrampfte sich mein ganzer Körper. Die Erinnerungen an den Schmerz, den mir die ganzen verlogenen Menschen antaten, all das kam nun wieder zurück. Alles, was ich über die Tage mit Tim verdrängen konnte, alles kam zurück.
Verdammt.
Ich versuchte immer der Starke zu sein, mir nichts anmerken zu lassen. Ich wollte nie der Schwache sein, der nichts aushalten kann, nur rumheult und rumjammert - nur leider klappte es nicht immer so, wie ich nun mal wollte. Oftmals überkamen mich die ganzen angesammelten und angestauten Gefühle, wie ein Staudamm brach alles in mir zusammen und ich konnte nichts mehr im mir halten.
Ob ich mich deswegen ritze? Nein, auch wenn ich es irgendwie wollte. Ich sah den Sinn in diesen Selbstverletzungen einfach nicht, zumal mir diese Arbeit der Verwundung ja von einigen abgenommen wurde.
Ich seufzte.Bei diesen Gedanken verzog sich mein Gesichtsausdruck zu einer eher finsteren, leicht düsteren Miene. An manchen Punkten hasste ich die Menschheit einfach nur, sie konnten so grausam sein.
Doch dann sah ich wieder zu Tim rüber, welcher anfing sich zu räkeln und zu strecken, bis er seine Augen öffnete und mich verschlafen anblickte.
Dann grinste er. "Guten Morgen.", sagte er mit seiner rauen Morgenstimme. Eine leichte Gänsehaut durchfuhr meinen gesamten Körper.
"Morgen.", antwortete ich lediglich und lächelte zurück.
Vorsichtig hob er seinen Arm, schlang ihn um mich und zog meinen gesamten Körper näher an seinen heran. Zufrieden lächelten wir.
"Worauf hast du heute Lust? Sollen wir wohin essen gehen?"
Ich überlegte.
"Hmmm... Wie wäre es mit Pizza?", ich drehte mich zu ihm um und sah in seine braunen Haselnussaugen.Er grummelte mit seiner tiefen Stimme.
"Oh ja, gute Idee!", gab er nur von sich und grinste mich an. Dann legte er seine Lippen auf die meinen.***
Am Abend"Stegi, bist du endlich fertig?!", hörte ich Tim nur vom Flur aus durch die Tür rufen, die uns beide nur ein paar Meter voneinander trennte.
"Jaa!", schrie ich zurück, "Sekunde noch!"
Schnell versuchte ich meine struppigen Haare zu bändigen, klatschte noch etwas Haarspray rein und öffnete die Badezimmertür."Ich warte nicht Ewigkeiten!", sagte mein Gegenüber nur lachend. "Du siehst immer gut aus, da musst du dich für mich nicht extra hübsch machen.", liebevoll lächelte er mich an.
In mein Gesicht stieg eine gewisse Röte und ich lächelte verlegen. Sachte strich Tim mit einem Finger über meine Wange und legte sie schließlich am Kinn ab. "Du bist echt süß, wenn du rot wirst.", sagte er. Ich blickte in seine Augen. Langsam kamen sich unsere Gesichter immer näher, bis wir uns erneut küssten. Und wieder einmal kribbelte mein ganzer Körper, als ob ein Feuerwerk in mir zu explodieren schien.
Und dann gingen wir aus dem Haus Richtung Bushaltestelle, um weiter in die Stadt zu fahren. Ab und zu sah ich runter zu seiner Hand.
Macht es ihm was aus, wenn ich... Schließlich überwand ich meine Zweifel und legte zögernd meine Hand in die seine, um sie miteinander zu verschränken. Tim zuckte dabei anfangs leicht zusammen, doch erwiderte meine Berührung letztlich - zufrieden lächelte er und drückte meine Hand etwas fester.An der Haltestelle angekommen warteten wir auf den Bus. Unsere Hände? Weiterhin ineinander verschlungen.
Irgendwann hörten wir uns allzu bekannte Stimmen und drehten uns beide in dieselbe Richtung. Etwas weiter entfernt sahen wir Tobi und Raffi, die immer näher kamen. Zaghaft schielte ich hoch zu Tim, der immer nervöser wurde."Alles gut?", fragte ich und blickte nun ganz zu ihm auf.
"Ich... Ich hab es ihnen noch nicht gesagt.", meinte er nur. Seine Hand wurde so langsam schwitzig.
Grübelnd sah ich zu unseren Händen und löste sie mit schwerem Herzen. Dann wanderten meine Augen wieder hoch zu seinen. Erleichtert atmete er aus.
"Wir müssen nicht direkt so rumlaufen, wenn du das nicht magst. Beziehungsweise wir müssen das den anderen nicht sofort sagen.", meinte ich, um die Situation etwas zu lockern."Danke.", gab er leise von sich, ehe die anderen kamen und uns ebenfalls bemerkten.
"Heeey Jungs!", rief Raffi. Auch Tobi, welcher beide Hände in der Hosentasche hatte, lächelte uns zu.
"Wohin geht's?", fragte er schließlich."Wir wollen in die Stadt, Pizza essen.", antwortete ich und steckte meine Hände in meine Jackentaschen.
"Und danach vielleicht ins Kino.", sagte Tim und ich blickte ihn verwundert an.
"Ach ja?"
"Ja! Wieso denn nicht?", gab er mit einem breiten Grinsen von sich. Ich lächelte zurück und starrte ihn weiterhin leicht verträumt an. Auch er sah mir tief in die Augen."Klingt gut, was meinst du, Tobi?", Raffi schaute zu Tobi, bei welchem unsere intensiven Blicke nicht unbemerkt blieben. Inspizierend ruhte sein Blick auf uns.
"Wenn es den beiden Turteltäubchen nichts ausmacht, gerne.", provozierend und mit leicht zusammengekniffenen Augen blickte er uns an - und er konnte sehen, wie uns die Röte förmlich in den Kopf schoss.Fuck. Hat er was bemerkt?
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„Love is composed of a single soul inhabiting two bodies.“ ~Aristotle
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someday / stexpert
FanfictionStegi, in der Geschichte auch Lukas genannt, zieht mit seinem Vater nach Essen, um dort einen Neustart zu wagen. Nach dem Krebstod seiner Mutter und dem Bankrott der Firma seines Vaters lief sein Leben komplett aus dem Ruder und alles schien sich au...