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PoV Tim

Als wir nach der langen Fahrt endlich wieder Zuhause ankamen, war alles wie zuvor, und trotzdem fühlte es sich irgendwie anders an. Die Zeit im Urlaub ging meiner Meinung nach viel zu schnell vorbei. Und nächste Woche begann einfach schon wieder dieses langweilige, triste Alltagsleben. Doch ich war nervöser als sonst. Ich wusste, dass es langsam an der Zeit war, meinen Freunden von Lukas und mir zu erzählen. Doch wie tat man das am besten? "Hey, ich bin schwul!", oder, "Ach übrigens, seit einiger Zeit stehe ich neuerdings auf Männer! Lukas und ich sind zusammen."? Ich seufzte.

Eigentlich hatte ich so gar keine Lust auf die Schule, und erst recht nicht auf die ganzen Menschen, die ich dort antreffen würde. Doch der Gedanke an meinen Freund schenkte mir ein wenig Motivation und Hoffnung. Also stand ich aus meinem warm gelegenen Bett auf und ging duschen, machte mich fertig und frühstückte anschließend mit meiner Mutter zusammen.

***

»Guten Morgen!«, begrüßte mich Lukas fröhlich, nachdem er mir die Haustür geöffnet hatte – wie jeden Morgen holte ich ihn ab, damit wir zusammen den 15-minütigen Schulweg antreten konnten. Dann trat er hinaus, schloss die Tür hinter sich und zog mich in einen langen, innigen Kuss. Ich musste daraufhin grinsen und nahm seine Hand in die meine, damit wir zusammen in Richtung Schule gehen konnten.

Auf dem gesamten Weg war ich angespannt gewesen, mein Herz raste wie wild und ich dachte wirklich, jede einzelne Person würde uns komisch anstarren. Doch das tat in Wirklichkeit niemand – Das alles spielte sich lediglich in meinem Kopf ab und reichte aus, um mich völlig aus der Bahn zu werfen. Leicht drückte ich Lukas' Hand zusammen.

»Hey, alles wird gut.«, versuchte er mich aufzumuntern und lächelte mir zu. Und tatsächlich: Ein wenig Entspannung überkam meinen Körper, und auch meine Gedanken lösten sich von der ständigen Angst, abgestoßen zu werden.

Vor dem Eingangstor blieben wir jedoch stehen und Lukas versuchte, mir tief in die Augen zu schauen. Ich hingegen starrte auf die große Tür, die am anderen Ende des Schulhofes das imposante Gebäude schmückte. Und auf einmal schien mir diese doch so nahe Tür Kilometer weit entfernt. Ich bekam Bammel. Schwindel. Übelkeit. Am liebsten wäre ich einfach abgehauen, um dieser ganzen lächerlichen Situation zu entkommen. Doch so einfach ging das wohl nicht.

»Wir kriegen das schon hin.«, sprach mir mein Freund zu. Mit langsamen Schritten gingen wir also los. Es war wie eine heiße, trockene Wanderung durch die Sahara – ohne jegliches Wasser und scheinbar endlos weit. Schrecklich.

Wir öffneten die Tür und gingen hinein. Ich schaltete die Welt um mich herum aus, jedenfalls versuchte ich es. Und trotzdem drangen diese Blicke und das leise Geflüster durch meine Mauer hindurch. Was tat ich hier überhaupt?

Unerwartet erreichten wir das Ziel: unsere Schließfächer. Zögerlich ließ ich seine Hand los und tippte schnell die Zahlenkombination ein, ehe ich meine Bücher nahm und die Tür wieder zuknallen ließ. Und wie ich es bereits erwartet hatte, standen auch schon meine Freunde vor mir, nachdem ich mich umgedreht hatte.

Skeptisch blickten mich Rafi und Tobi an. Ich wusste, dass sie etwas ahnten, und das nicht erst jetzt. Es schwebte immer etwas in der Luft, sie konnten sich bis zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht erklären, was genau es war. Doch auf einmal erschien alles deutlich. Mein Herz schlug so heftig, dass ich fast meinte, es würde explodieren. Ich konnte jeden einzelnen schnellen Herzschlag hören und es füllte zusammen mit meinem hektischen Atmen den Raum um mich herum.

»Ich ehm, muss euch was sagen.«, brabbelte ich vor mich hin. War ich wirklich so umgeschickt und ängstlich?

»Also, die Sache ist die...«, plötzlich spürte ich in meinem ganzen verknoteten Wörtersalat eine warme Hand, die sich langsam um die meine legte und zudrückte. Es war Lukas, welcher mir Kraft und Mut schenken wollte. Ich sah ihn an, lächelte und atmete tief durch.

»Ich bin schwul.«, sagte ich, hoffentlich, entschlossen.

Zuerst herrschte Stille. Mein Herz setzte aus. War es das nun mit uns? Doch sie lächelten.

»Hab ich doch gesagt.«, meinte Tobi und stieß Rafi seinen Ellenbogen in die Seite.

»Hey!«, entgegnete er ihm.

War das jetzt ein gutes Zeichen? Ich konnte es unmöglich deuten. Ich schluckte und sah nervös zwischen den beiden hin und her.

»Jetzt kann ich mich endlich mal an die heißen Mädels ran machen, die mir der liebe Timmy sonst immer weggeschnappt hatte!«, scherzte Tobi. Lukas kicherte daraufhin.

»Die sind doch alle gleich. Blond und strunzdumm.«, ich verdrehte die Augen und schnalzte. Kurzes Schweigen.

»Ihr seid mir aber nicht böse oder so?«

Rafi hob seine Augenbraue. »Nein, wieso sollten wir? Als ob das etwas an dir ändern würde.«, er lächelte.

Wie glücklich ich mich doch schätzen konnte, sie als Freunde zu haben.

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"Friendship is accepting a person with all their qualities - good and bad." ~Mohanlal

someday / stexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt