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PoV Tim

Mittlerweile waren viele Wochen zwischen meinem Outing und dem heutigen Tag vergangen. Selbst meine Großeltern nahmen es gut auf – »Solange du glücklich bist, min Jung, sind wir es auch.«, lächelte meine Oma mir an jenem Tage zu. Zwar konnte ich meinen Großvater nicht zu hundert Prozent mit meiner Sicht- und Denkweise überzeugen, doch er tolerierte es und fand Lukas eigentlich ziemlich nett. – Er lud ihn sogar schon einmal zum Abendessen ein, was mich ziemlich überraschte. Normalerweise war mein Opa nie so jemand gewesen, der etwas dergleichen tat. Doch er wollte ihn näher kennenlernen und seine letzten verbleibenden Jahre nicht mit dem Hass und der Abneigung gegenüber anders lebenden Menschen verbringen, wie er es damals bereits tat. Er gab sich echt verdammt viel Mühe, und ich liebte ihn dafür.

Und dann rückte auch schon die Weihnachtszeit immer näher und näher. Draußen war es ausnahmsweise, im Vergleich zu den letzten Jahren, ziemlich kalt und auch die Natur kleidete sich im gesamten Dezember in ihr weißes, helles Kleid ein. Alles wurde von jetzt auf gleich mit Schnee bedeckt, man konnte nichts mehr auseinander halten und es fühlte sich an, als wäre man im tiefsten Norden der Erdkugel gefangen. Viele Tiere befanden bereits in ihrem alljährlichen Winterschlaf und unsere Umgebung, draußen, direkt vor unserem Haus, schien still zu sein.

Derweilen saß ich auf meiner großen, breiten Fensterbank. Unter mir lief die Heizung auf Hochtouren und ich blickte durch mein teilweise zugefrorenes Fenster nach draußen in die eisige Landschaft. Ich beobachtete, wie die einzelnen, riesigen Schneeflocken langsam aber sicher ihren Weg Richtung Boden fanden.

Plötzlich vibrierte mein Handy und mein Blick wanderte langsam zum hell aufleuchtenden Display, welches direkt neben mir aufzufinden war.

Hey, schon Geschenke besorgt?, las ich in meinen Gedanken mit. Ich öffnete den Chatverlauf mit Nina über die Pop-Up-Anzeige und fing an zu tippen.

Fuck, total vergessen!

Ich wollte heute bisschen in
die Stadt ein paar Besorgungen
machen, willst du mit? :D

Ich weiß doch, wie schwer es
dir fällt, etwas zu finden.
Vielleicht kann ich dir ja dabei
helfen, für Lukas etwas tolles
raus zu suchen... :P

Ja, bitte! Ich bin gleich da!

Das hatte ich ja gar nicht mehr auf dem Schirm gehabt. Geschenke. Wobei es ja so offensichtlich war. Ich war echt nicht der Beste darin, wenn es um Pünktlichkeit und Kreativität bei Geschenken ging. Manchmal ließ ich mir sogar so viel Zeit, dass ich einen Tag vor Weihnachten, Geburtstagen oder Feiern etwas besorgte. Oftmals nicht gerade die beste Idee um ehrlich zu sein.

Gesagt, getan. Schnell sprang ich von der Fensterbank, griff nach meinem Portemonnaie, zog mir ein Paar warme Schuhe und eine Jacke an und ging los. Und auf dem ganzen Weg schwirrte mir die Frage, was ich Lukas wohl schenken könnte, im Kopf herum. Ich hatte wirklich echt keine Ahnung.

***

»Das ging aber schnell.«, lachte Nina, als ich mit schnellen Atemzügen vor ihrem Haus stand. Meine ausgeatmete, warme Luft verwandelte sich bei diesen kalten Temperaturen derweilen in kleine, weiße Rauchwölkchen. Tatsächlich war ich zügig unterwegs gewesen. Einerseits bewusst, andererseits unbewusst.

Nachdem sie sich dann etwas warmes angezogen hatte, gingen wir zur Bushaltestelle.

»Hast du schon irgendeine Idee, in welche Richtung es gehen soll?«, erkundigte sie sich, als wir auf unseren Sitzplätzen saßen.

»Hm.«, grübelte ich. Meine Gedanken von vorhin waren alle unnötig und unbrauchbar gewesen: Eine Stegosaurus-Figur zum Beispiel – Was genau würde er damit machen wollen, außer es als Deko in ein Regal stellen, um zu warten, bis es verstaubt? Oder qualitativ hochwertige Zeichenblöcke kombiniert mit guter Farbe, eine Chrissy Costanza CD – die Ideen waren zwar alle gut, doch er besaß bereits mengenweise davon und sie waren gleichzeitig so einfallslos, als ob man nichts besseres gefunden hätte.

Ich blickte aus dem Fenster und beobachtete die Häuser, welche nacheinander an uns vorbei zogen. »Wir finden schon etwas Tolles!«, sprach sie mir Mut zu und lächelte in meine Richtung. Das hoffte ich auch.

Endlich in der Stadt angekommen machten wir uns auf die Suche nach dem perfekten Geschenk für Lukas. Wir fanden viele schöne Dinge, doch bereits am Anfang stellte sich heraus, dass es leider nicht so einfach war, wie Nina es sich erhofft hätte.

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"Christmas is doing a little something extra for someone." ~Charles M. Schulz

someday / stexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt