34.Kapitel: Schuld

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Nachdem Nina ihrer Oma belangloses Zeug über ihren Aufenthalt in Frankfurt erzählte, dabei ließ sie die Differenzen zwischen ihr und Mareike aus, war sie in ihr Zimmer gegangen. Sie hatte etwa eine halbe Stunde einfach nur damit verbracht die Nummer ihres Vaters auszuwählen, sie dann aber sofort wieder zu löschen und das Handy wegzustecken. Auch wenn es ihr Bauschmerzen bereitete, war ihr klar, dass sie ihren Vater kontaktieren musste, schließlich war sie ohne ein Wort oder sonst etwas zu verlieren abgehauen. Was hatte Mareike ihm überhaupt erzählt? So wie Nina diese Frau kennenlernen durfte, würde sie ihr alles zutrauen. Sie setzte dem Hin und Her ein Ende, als sie die grünen Hörer antippte. „Krüger“, ertönte die kalte Stimme ihres Vaters. Es lag aber daran, dass es nur ein Wort war, mit dem er sich meldete. „Hallo Papa, ich bin’s“, begrüßte Nina ihren Vater unsicher. „Nina! Wie geht’s dir? Wo bist du? Wieso bist du einfach weg?“, überhäufte er Nina mit den Fragen, die ihn in den letzten Stunden wohl am Meisten gequält hatten. Es passte zwar überhaupt nicht in die Situation, doch sie lächelte. Es machte sie glücklich, dass er sich anscheinend so viele Sorgen um sie gemacht hatte. „Mir geht’s gut, du brauchst dir keine Sorgen machen. Ich bin in Stadthagen“, erklärte sie so ruhig es ihr möglich war. „Ein Glück! Aber wieso bist du weg?“ Es machte sich Erleichterung in seiner Stimme breit. Die Besorgnis war aber in der letzten Frage wieder mehr als präsent. Jetzt war es an Nina. Was würde sie sagen? Garantier nicht, dass sie die Nacht bei, oder eher mit, Andre verbracht hatte. „Ähm, du kennst ja noch Selma, sie hat angerufen, wegen Liebeskummer und Mädchenkram und so, haha.“ Sie hätte ihren Kopf gegen eine Wand klatschen können. Was war das denn für eine bescheuerte Lüge, die sie ihrem Vater da auftischte? Das erkannt doch ein Blinder mit Krückstock, dass das nicht einmal annähernd die Wahrheit war. „Oh. Ich hoffe ihr geht es besser.“ Nina atmete erleichtert aus. Er hatte die Lüge geschluckt. „Ja, den Umständen entsprechend eben“, immer noch klang ihre Stimme nicht sonderlich überzeugend, dennoch fragte ihr Vater nicht weiter nach, worüber Nina mehr als froh war.

Danach beschloss Nina sich zu duschen. Dieses widerliche Gefühl wollte einfach nicht schwinden und immer wieder warf ihr eine nervige Stimme in ihrem Kopf vor, mit Andre geschlafen zu haben. Die Schuldgefühlte bissen sich immer tiefer fest, so dass sich Nina auch immer schlechter fühlte. Als sie das warme Wasser auf ihrer Haut spürte konnte sie es nicht so wie sonst genießen. Denn immer wieder hielt sie sich vor Augen, was für ein unglaublich schlechter Mensch sie war. Wer schläft denn bitte mit dem besten Freund des Jungens der einen liebte und den man selbst auch liebte? Es war billig und das Schlimme war es gab keinen Grund, weshalb sie es getan hat. Wenn sie Jan hätte eins auswischen wollten, dann wäre es ja noch einigermaßen sinnvoll, wobei auch moralisch verwerflich, gewesen. Aber so? Sie hatte wirklich überhaupt keinen Grund und sie konnte sich eben so wenig erklären wie das geschehen konnte, immerhin fühlte sie sich in keinster Weise zu ihm hingezogen. Sie schätzte ihn als Freund, aber mehr auch nicht.

Die Gewissensbisse trieben sie in den Wahnsinn. Sie wusste doch, dass das was sie getan hatte unsagbar falsch war, wieso konnte es dann nicht aufhören? Sie wusste es, also brauchte ihr Unterbewusstsein es ihr nicht immer wieder unter die  Nase reiben. Wie so oft musste sie anfangen zu weinen. Aber es schien weniger dramatisch zu sein, wenn ihr sowieso ständig Wasser aus dem Duschkopf am Gesicht runter rann. Auf einmal schienen ihre Tränen klein zu sein.

Nachdem sie sich das dritte Mal mit Duschgel eingesalbt hatte gab sie es auf. Sie war wohl dazu verdammt sich immer schmutzig zu fühlen. Jedes Mal, wenn sie in den Spiegel blicken würde, würde sie sich vor sich selbst widern. Wie konnte sie auch nur seine hinterlistige Tat vollbringen? Nina liebte Jan mit ihrer ganzen Seele, ihrem ganzen Herz und ihrem ganzen Körper. Jede ihrer Zellen zehrte sich nach ihm. Doch ihr Verstand sagte ihr, dass sie es aufgeben solle. In dem Wissen mit Andre geschlafen zu haben konnte sie ihn niemals wieder reinen Gewissens ansehen. Sie würde sich nicht mehr in seinen Augen verlieren, stattdessen würde sie immer wieder ihre Schuld sehen. Sie wird schuld daran, dass er verletzt wird. Aber wollte sie ihm überhaupt sagen? Es war schlimmer ihm das alles zu verheimlichen, aber wenn er in Hamburg war, war es doch sowieso egal, oder nicht? Im Prinzip ja schon. Aber dann müsste Nina mit einer Lüge leben und hätte schon im Vorneherein jede Chance auf eine Zukunft mit Jan verbaut.

Als Nina aus der Dusche trat wollte sie einfach nur noch in ihr Bett, ihr warmes, weiches Bett und sich dort verkriechen, bis alle Probleme verschwinden. Ihr war klar, dass das niemals passieren würde, trotzdem ließ sie sich nachdem sie sich angezogen hatte, mit noch nassen Haaren ins Bett fallen. Als sie ihr Gesicht in ihrem Kissen vergraben hatte, überkam sie wieder dieses ekelhafte Schuldgefühl. Wieder einmal fing sie an bitterlich zu schluchzen. Es tat gerade alles so weh. Alles was Nina machte war auf einmal falsch. Sie war sich sicher, dass ab jetzt alles und jeden anzweifeln würde. Einfach aus Vorsicht. Und aus Angst wieder einen Fehler zu begehen.

Heute Abend/Nacht wird noch ein Kapitel kommen, in dem auch so etwas wie eine kleine "Silvesteransprache" vertreten sein wird. Also wir sehen uns noch! :D <3

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