26.Kapitel: Zu viel auf einmal

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Nun, eine Woche später, hatten es Jan und Nina, auch wenn es noch so sehr weh tat, erfolgreich geschafft sich aus dem Weg zu gehen. Auch sonst hatten sie es vollbringen können, nicht in peinliche Situationen zu geraten. Als dann schließlich das Wochenende in Sicht schien, machte sich Erleichterung in beiden breit. Jedenfalls bei einer der beiden Parteien, denn Nina bekam ein wenig Bammel vor diesem Wochenende. Dieses Wochenende, das sie bei ihrem Vater in Frankfurt verbringen würde. Ihren Koffer hatte sie schon einen Abend zu vor gepackt, da sie sich fast im direkten Anschluss an ihr Nachhausekommen aus der Schule schon auf den Weg zum Bahnhof machen musste, um es rechtzeitig um fünf nach Frankfurt zu schaffen. Sie wusste, dass es nicht einfach werden würde, nein, es würde ganz und gar nicht einfach werden. Aber ein Lichtblick schien, dass sie von Jan wegkam. Auch wenn sie ihn am Liebsten die ganze Zeit um sich hätte, so wusste sie, dass es für ihre Trennung von Vorteil wäre vom jeweils anderen loszukommen. Und das ging eben ziemlich gut, wenn man sich in einer anderen Stadt befand, in der man keine Angst davor haben muss dem anderen über den Weg zu laufen. Nachdem die Klingel endlich zum Schulschluss läutete, ging ein erleichtertes Raunen durch die Menge der Schüler. Fast ausnahmslos jeder war glücklich über das baldige Wochenende, nur Nina trat dieses mit gemischten Gefühlen an.

Sie sputete sich schnell zu Hause zu sein. Dort waren zu Zeit nur ihre Großeltern. Von ihrer Mutter hatte sie sich schon heute Morgen verabschiedet, weil sie den ganzen Tag unterwegs sein würde und es dann keine andere Gelegenheit gäbe Nina zu verabschieden. Nachdem sie den Koffer aus ihrem Zimmer geholt hatte verabschiedete sie sich nun auch von ihren Großeltern. Danach trat sie schließlich den Weg zum Bus an, mit dem sie zum Bahnhof kommen würde. Von dort aus würde sie mit dem Zug nach Frankfurt zum Hauptbahnhof fahren, wo sie ihr Vater letzten Endes abholen würde.

Zur gleichen Zeit befand sich Jan, zusammen mit Andre und Cengiz in seinem Zimmer. Sie besprachen gerade neue Videoideen. Doch Jan hörte nicht zu. Seine Gedanken hallten so laut durch seinen Kopf, dass es schon fast weh tat. Dieses Dröhnen hielt ihn davon ab auch nur ein einziges Wort von dem zu verstehen, was die anderen gerade besprachen. Als diese ihn dann neugierig musterten versuchte er mit aller Kraft an nichts zu denken. So dass sein Kopf leer war und er bedenkenlos den Plänen seiner Freunde lauschen konnte. „Wir schauen uns das jetzt schon die ganze Woche mit an. Was ist los mit dir? Und wieso gehst du Nina aus dem Weg? Hat sie dir irgendetwas angetan?“, brodelten die Fragen aus Andre heraus. Ihm machte es sehr zu schaffen, dass es seinem besten Freund, ja fast schon Bruder, auf einmal so schlecht ging. Wenn Nina Jan irgendwie hintergangen hätte, dann gnade ihr Gott. Andre würde für seinen Freund einstehen und alles daran setzen, dass es ihm wieder gut geht. „Nina? Die könnte nicht einmal einer Fliege etwas zu leide tun…“, murmelte Jan, der nun versuchte sich hundertprozentig auf das Gespräch zu konzentrieren. „Und, wieso bist du jetzt so down?“, fragte Cengiz ihn besorgt. „Wir ziehen ja nach der Schule nach Hamburg, und… ja… Nina konnte das halt nicht akzeptieren und deswegen sind wir jetzt nich’ mehr zusammen“, erklärte er und ließ dabei viele weitere Aspekte aus. Dies tat er nicht, um ein schlechtes Licht auf Nina zu werfen sondern, nur weil ihn allein schon der Gedanke daran fertig machte. „Mach’ dir nichts draus, wenn sie dich wirklich geliebt hätte, dann hätte sie trotzdem alles daran gesetzt eure Beziehung am Leben zu erhalten“, versuchte Andre Jan aufzumuntern und klopfte ihm auf die Schulter. Vielleicht war es doch eine mögliche Option sie einfach schlecht zu reden. Damit könnte er sicherlich besser leben.

Ein Seufzen entwich seinen Lippen. „Okay, können wir jetzt bitte weiter über ApeCrime reden?“, fragte er. Ihm machte das Thema so unglaublich zu schaffen, dass er es gar nicht erst weiter darauf eingehen wollte. Die anderen beiden nickten nur und befassten sich daraufhin wieder mit den Entwicklungen ihres Kanals. Jan gab sich Mühe dem ganzen zu folgen, schließlich war es auch sein Kanal, aber dennoch verschwand der ganze Schmerz nicht aus seinen Gedanken.

„Hallo Maus“, rief Ninas Vater ihr heiter entgegen, als diese mit einem Koffer im Schlepptau aus dem Bahnhof herausgelaufen kam. Als diese vor ihm zu stehen kam nahm er sie freudig in den Arm. Nina erwiderte diese Umarmung allerdings nur Halbherzig. Auch wenn es sich gut an fühlte zu wissen, dass der Mensch, der so viel Leid und Schlechtes in ihr Leben gebracht hatte doch einen weichen Kern besaß und schließlich hatte sie ihn vermisst, auch wenn er so viel verbockt hatte, aber das was er getan hatte kann man nicht einfach so mit einer dämlichen Umarmung wieder gut machen, geschweige denn vergessen. „Hallo“, stieß sie neutral aus, als er sie losließ. Es war eine reine Höflichkeitsfloskel, denn wenn es nach ihr ginge hätte sie das ganze Wochenende lang geschwiegen. Dies war ihr aber leider vergönnt. Ihr Vater war mit dem Auto da. Es war ein neues Auto, das Nina noch nie zu vor gesehen hatte. Die Innenausstattung sah ziemlich nobel aus, was Nina darauf schließen lies, dass dieses Auto wohl ein Vermögen wert war. So auch das Haus vor dem der Wagen dann hielt. War er etwa umgezogen? Hatte er alles aufgegeben und quasi ein neues Leben angefangen? Es machte sie rasend, da ihm das anscheinend ziemlich leichtfertig gelungen war und noch rasender machte sie die Tatsache, dass er alles so leicht hinnahm und so tat, als wäre alles normal.

Mit mürrischem Gemüt betrat sie zusammen mit ihrem Vater das Gebäude, das von innen so prunkvoll wirkte, dass es Nina nur noch wütender machte. Wann war ihr Vater nur zu so einem Angeber geworden? So nett wie er, man konnte es kaum glauben, sein konnte, hatte er darauf bestanden Nina den Koffer abzunehmen. „Also hier ist dein Zimmer“, sagte er, nachdem er ihr das Haus gezeigt hatte und führte sie in einen recht großen Raum. Die Fenster waren ziemlich groß, aber da es draußen ohnehin schon dunkel war wurde der Raum durch eine große Deckenleuchte belichtet, die ein etwas steriles Licht auf das eben so gut ausgestattete Zimmer warf. „Okay“, war das einzige was sie rausbrachte. „Du kannst dich hier ja so lange einrichten, in einer halben Stunde gibt es Abendessen, dann kannst du ins Esszimmer kommen“, lächelte er und wand sich ab. Nina schloss die Tür hinter sich und ließ sich zähneknirschend auf dem Bett nieder. Nina wusste, dass es ihrer Familie finanziell schon immer ziemlich gut ging, aber so gut? Früher wäre so ein Haus für sie nur ein Traum gewesen. „Und jetzt dein Alptraum.“,Schoss ihr eine Stimme durch den Kopf. So eine Ironie. Das hätte sie sogar fast zum lachen gebracht, wenn es nicht so traurig wäre.

Nina fürchtete nun nur, dass er vielleicht versuchen könnte, sich ihre Liebe zu erkaufen. Wenn er so weit gehen würde, dann wäre es aus, dann wäre er endgültig für sie gestorben. Auf so einen Vater könnte sie nämlich alle mal Verzichten.

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