12.Kapitel: ...oder doch nicht?

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Für Nina schien ihre Welt nun perfekt. Jan machte sie glücklich. Von Tag zu Tag mehr. Das ließ sie ihn spüren, denn auch er war glücklich.

Doch das Glück war nicht von langer Dauer. Mit Jan war zwar alles super, aber da war eine andere Sache, die ihr zu schaffen machte. Und zwar ihr Vater.

Immer wieder hatte sie sich gefragt, was er tat. Ob er an Nina dachte? Oder an ihre Mutter? Diese Fragen schwirrten in ihrem Kopf herum. Jan, aber lenkte sie ab. Er brachte sie auf andere Gedanken und so half er ihr nicht mehr traurig zu sein, wofür sie ihm wirklich dankbar war.

Aber dann kam der Tag. Der Tag, der ganz normal anfing, wie jeder andere, aber wenn Nina gewusst hätte, was passieren würde, dann wäre sie sicher einfach im Bett liegen geblieben.

Alles war normal. Nina dachte sich nichts, als sie in die Schule ging. Es schien wieder einer dieser Tage zu werden, die öde sind und sich in die länge ziehen wie ein zäher Kaugummi, als hätten sie gar nicht vor irgendwann einmal ein Ende zu nehmen.

Als es dann aber endlich zum Schulschluss klingelte war Nina erleichtert. Der Tag hatte sie ausgelaugt. Das einzige, was sie jetzt wollte, war sich in ihrem weichen Bett zu verkriechen und über das Wochenende einfach nur zu faulenzen.

Doch daraus wurde nichts. Denn als sie das Schulhaus verließ traute sie ihren Augen nicht. Das konnte doch nicht sein! Nein, da muss eine Verwechslung vorliegen, das kann doch nicht… Oder doch?

Ihr wurde kalt und heiß zugleich und ein unangenehmer Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Sie erschauderte kurz, bevor sie wieder einen klaren Gedanken fasste. Aber irgendwie wollte auch das nicht so klappen, denn er kam geradewegs auf sie zu.

Sie wollte das nicht! Nein, das wollte sie ganz und gar nicht! Nicht jetzt! Sie wendete ihren Blick auf den Boden und wollte sich unbemerkt aus der Situation flüchten. Aber ihr Vater war schneller, denn er fing sie ab. „Nina, hallo, wo willst du denn hin?“, fragte er und der Klang seiner tiefen Stimme riss alte Wunden auf, obwohl die gar nicht so alt waren.

Sie hatte sich geschworen in aus ihrem Leben zu verbannen. Er hatte sie und ihre Mutter in ein schwarzes Loch fallen lassen, aus dem sie sich selbst hinaus helfen mussten, ohne ihn und ohne seine Hilfe. Wieso sollte er auch helfen? Er hatte sie schließlich in dieses Loch fallen lassen.

„Vor dir flüchten“, sagte sie kalt und wollte weitergehen. Das Treffen hatte ihr einen Schlag versetzt, von dem sie sich erst einmal erholen musste. Doch wie davor wurde daraus nichts, denn er hielt sie ein weiteres Mal zurück. „Wieso?“ Der erste Gedanke, der Nina dazu in den Kopf kam war „Ernsthaft?“ Er hatte einfach mal so mit einem Schlag seine Familie auseinander gerissen, das ist doch wohl selbsterklärend! „Das fragst du noch?“, fragte Nina entsetzt ihre Augen brannten, weil sie mit aller Kraft die aufkommenden Tränen zurückhalten musste.

Das Schlimmste war, dass sie sich in ihrem Vater wiedererkannte. Er hatte die selbe Nase, die selben braunen Augen, die selbe Blasse Haut und selben dunklen Haare, die am Ansatz allerdings langsam grau wurden. Sie war das Ebenbild von ihm, eben seine Tochter.

Doch das wollte sie nicht sein. Sie wollte nicht seine Tochter sein. Er hatte sie enttäuscht und einfach fallen gelassen.

„Bleib bitte trotzdem hier, ich möchte mit dir reden“, bat er. „Ich soll bleiben? Und mit dir reden?“, noch immer war sie entsetzt. Das konnte doch nicht sein ernst sein.

„Bitte ich will doch nur mit dir reden!“, flehte er. „Ja, aber nicht jetzt!“, sagte sie mit so gut es ging fester Stimme und wand sich, um zur Bushaltestelle zu rennen.

Dort saß Jan, der anscheinend schon sehnsüchtig auf sie gewartet hatte. Doch als er sie sah wurde er blass. Ihr Gesicht, war von Tränen überströmt, die schwarze Schlieren über ihre Wangen gezogen hatten. Ihre Augen waren schon rot und es sah so aus, als würde sie immer noch weinen.

Sie trat auf die Bank zu, auf der Jan schon saß und Nina ungläubig ansah, und ließ sich neben ihn fallen. „Hast du ein Taschentuch?“, fragte sie mit weinerlicher Stimme. Er wühlte kurz in seiner Tasche herum, bevor er eine Packung Tempos aus dieser entnahm und sie Nina rüber reichte. Sie nahm sich ein Taschentuch aus der Packung und wischte die Tränen und die verlaufenen Schminke aus dem Gesicht.

Jan wusste nicht, was er sagen sollte. Seine Kehle war wie zugeschnürt, aus Angst etwas Falsches zu sagen.

Er setzte mit schüchterner Stimme an: „W-was ist denn los?“

Alte ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt