25.Kapitel: Kummer

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Viel zu schnell ging das alles. Diese Zeit war so furchtbar schnell vergänglich. So dachte Nina nachts als sie im Bett lag und ihre Gedanken sie wie so oft plagten. Sie wusste genau, dass die Entscheidung, die sie getroffen hatte richtig war, dennoch sträubte sich ein Teil ihres Inneren das zu akzeptieren. Immer wieder malte ihr Unterbewusstsein sich mögliche Szenarien aus, wie das Gespräch anders hätte verlaufen können und vor allem wie die Zukunft aussehen würde. Könnten Jan und sie jemals wieder Freunde werden? Eigentlich nicht, einer guten Freundschaft bedarf es genau so viel Zeit und Aufwand, wie einer intakten Beziehung. Ohnehin würden ihre Gefühle so etwas wie eine Fernfreundschaft nicht aushalten, denn sie würde Jan immer lieben, egal wie weit er nun weg sein würde. Und doch wusste sie, dass sie an der Entfernung kaputt gehen würde. Sie seufzte und vergrub ihr Gesicht im Kopfkissen. Wieso musste das alles so furchtbar schwer sein? Wieso konnte sie die Gefühle für Jan nicht einfach abschalten? Oder wieso konnte sie nicht einfach den Schritt wagen und ihn nach Hamburg begleiten? Ganz einfach, dazu würden ihre Gewissensbisse, ihre Mutter allein gelassen zu haben, viel zu quälend sein. Und außerdem was sollte sie in Hamburg? Vielleicht war es eine schöne Stadt, aber das änderte überhaupt nichts an der Tatsache, dass sie weder einen Studienplatz oder sonst irgendetwas dergleichen hatte. Zudem wusste sie ja noch nicht einmal, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte, was auch ein ausschlaggebender Faktor für ihre Entscheidung war. Dieses Überstürzte war eben nicht ihre Welt. Sie wollte sich ernsthaft Gedanken darüber machen, welcher Berufszweig ihr am meisten Spaß machen und sie im Leben auch weit bringen würde. So etwas konnte man eben nicht von heute auf morgen beschließen. Eine Entscheidung von solchen Ausmaßen entschied ja schließlich über die komplette Zukunft.

Zur selben Zeit lag Jan in seinem Bett und starrte die Decke an. Auch in seinem Kopf sausten unzählige Fragen umher und raubten ihm den erholenden Schlaf, den er eigentlich nötig gehabt hätte. Ob sie wohl gerade schläft? Oder vielleicht sogar von ihm träumt? Ein kleines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Obwohl er mit der Entscheidung mehr als unglücklich war, so wusste auch er, dass es das richtig war. Allein der Gedanke an Nina machte ihn verrückte. Dieses Mädchen, oder fast schon diese junge Frau, erschien in seinen Augen so unendlich perfekt auf ihn abgepasst zu sein, und doch stand ihrer Liebe etwas im Weg. Es lief doch immer auf die elende Frage hinaus: Liebe oder Beruf? Jan war schon im vornherein klar, dass er irgendwann einmal in seinem Leben mit genau dieser Frage konfrontiert werden würde, zumal er ja einen nicht ganz so konventionellen Berufsweg einschlagen würde, aber er hätte niemals gedacht, das sich ihm diese Frage schon so früh in den Weg stellen würde. Dabei hatte er ja noch nicht einmal richtig damit angefangen, seinen Job auszuführen.

Wieso war das Leben so voll von solchen Entscheidungen? Konnte nicht einmal etwas perfekt laufen? So perfekt, dass man ohne Bedenken glücklich sein konnte? Ganz einfach, nein. Es ging nicht. Immer würde jemand auf seine Kosten kommen, früher oder später. In solchen Momenten schwingt in der angeblichen Perfektion immer ein bitterer Beigeschmack mit, wodurch der trügerische Schein quasi in sich zusammenbricht. Ein Phänomen wegen dem man allein schon widerlegen könnte, dass alles wirklich ausnahmslos perfekt laufen würde.

Überhaupt Perfektion war ein so furchtbar weit hergeholter Begriff. Etwas wie Perfektion existierte sowohl in Jans, als auch in Ninas Augen, nicht. Und überhaupt hatte ja jeder seine eigene Definition von dem Wort perfekt, in dem Fall von Nina und Jan, war perfekt ein nicht existentes Wort. Natürlich benutzten sie es das ein oder andere Mal, aber wirklich ernst meinten sie es dann doch nicht. Einfach weil allein der Gedanke an Perfektion so unmenschlich ist. Menschen können eben nicht perfekt sein, aber wenn es so etwas gäbe, dann wäre Nina das, was am nächsten daran anknüpfen könnte. In etwa genauso sah es Nina mit Jan. Nina liebte Jan. Und Jan liebte Nina. Und doch konnte es so nicht weiter gehen. Sie hatten den ersten Schritt getan und hatten einen Schlussstrich gezogen.

Im Leben muss man so oft loslassen. Man erfährt jedes Mal Unmengen an Schmerz und doch, so absurd es klingen mag, gehört es einfach zum Leben dazu. Ob man es jetzt so hinnahm oder nicht, war eine andere Sache. Aber es war doch ein wesentlicher Bestandteil des Lebens eines Jeden. Zumal das Festklammern an der Vergangenheit schon viel zu viele Psychen zerstört hat. Heutzutage bot sich einem die Möglichkeit aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

Seufzend richtete sich Jan auf. Seine Hände fuhren ein paar Mal über sein Gesicht. Dabei hatte er doch gar nicht so viel herum philosophieren wollen. Er wollte nur einen Weg finden besser mit dem Schmerz klarzukommen. Aussichtslos. Ja, so beschrieb er seine Situation gerade. Ihm fehlte Nina jetzt schon so sehr, dass ihn allein der Gedanke an sie schon fast umbrachte. Würde er es schaffen? Würde er es schaffen, sich nicht immer wieder in diesen wunderschönen braunen Diamanten, die sich ihre Augen nannten, zu verlieren? Würde er es schaffen, ihre wunderschönen roten Lippen nicht jedes Mal zu küssen? Seufzend ließ er sich hinten über ins Bett fallen. Ja, aussichtslos, es hatte sich rein gar nichts geändert. Aber konnte man das überhaupt erwarten? Das alles so schnell besser wurde? Nach dem sie die Entscheidung doch erst heute Mittag, vor gerade einmal neun Stunden, getroffen hatten. Er wünschte es sich einfach so sehnlichst, dass es einfach aufhört wehzutun. Vielleicht würde er es schaffen, wenn er sie einfach schlecht redete? Sicherlich nicht, das war nicht Jans Art. Und außerdem würde er es nie schaffen ein so wunderbares Wesen schlecht zu reden. Wieso war es nur so verdammt schwer?

Stumme Tränen flossen Nina die Wangen hinunter. Sie wollte es doch so sehr. Das alles mit Jan, sie liebte ihn ja schließlich. Wieso musste also unbedingt etwas im Weg stehen? Wieso nur? Zur selben Zeit stellte sich Jan genau diese Fragen, während auch er die Tränen nicht mehr zurück halten konnte. Wie es sich wohl anfühlen würde den jeweils anderen bei sich zu haben. Wie derjenige, dann tröstende Wort sprach oder einfach nur zuhörte? Wahrscheinlich würde in dieser Situation Nähe sogar noch mehr schmerzen, als Abstand. 

Hey-ho! Ich konnte nicht abwarten, dieses Kapitel endlich hochzuladen, weshalb es heute schon kommt. Morgen werde ich dann allerdings, wie gewohnt, noch ein Kapitel hochladen.^^

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