Nina stand in ihrem alten Zimmer. Es war so ungewohnt, wieder hier zu stehen. Und doch war eine alte Vertrautheit da. Gerade hatte sie die letzten Bücher in ihr Regal eingeräumt. Es ging alles so furchtbar schnell. Gefühlt kaum eine Woche hatte der Auszug gedauert und jetzt hatte das komplette Einräumen aller Dinge, die sie mitgenommen hatte, nur ein paar Stunden gedauert. War ihr Leben so klein, dass man es hätte in diese paar Kisten packen können? War ihr leben so mikrig?
Es wirkte für sie alles so irreal, obwohl es einfach die harte Wahrheit war, verpackt in einer weichen Hülle, die es erschwerte den Durchblick zu behalten. So als wäre sie an einem Punkt ihres Lebens ausgstiegen und machte in einem Traum einfach weiter.
Der ganze Umzug hatte sie völlig ausgelaugt und erschöpft. Dennoch wollte sie sich nicht zur Ruhe betten, allein schon, weil es erst 17 Uhr war. Aber auch, weil sie spielen wollte. Nach so langer Zeit wollte sie die Erinnerungen aufleben lassen, auch wenn diese nicht immer schön waren.
Sie schlitterte schon fast mit ihren Socken über den Boden. Der große Torbogen, der Flur und Wohnzimmer miteinander verband, führte sie in den hellen Raum. Die letzten Sonnenstrahlen blitzten wie goldene Fäden umher. Der Flügel glänzte in der Abendsonne. Nina mochte es noch nie, dass es im Winter so schnell dunkel wurde. Aber allein die wunderschönen Sonnenuntergänge machten das schon wieder wett.
Sie fuhr mit ihren Fingerkuppen über die glatte Oberfläche des Flügels. Es hatte sich eine leichte Staubschicht gebildet. Sie öffnete die staubige Klappe, die wiederum die Tasten vor Staub schützte. Lautlos ließ sie sich auf den Klavierhocker fallen. Ihr Finger positionierten sich, ähnlich wie Katzenpfoten über den Tasten. Doch sie wartete. Auf was wusste sie nicht, hielt aber doch inne.
Die ersten Töne die sie spielte, hörten sich zaghaft und zögernd an. Mit der Zeit gewann sie an Stärke und spielte weiter. Es war eine Melodie, die sie kannte, deren Namen sie allerdings nicht wusste. Doch ein Ton tanzte aus der Reihe. Er war viel zu tief. Sie hörte augenblicklich auf zu spielen und ließ von dem Instrument ab.
„Du kannst es nicht mehr!“, rief eine Stimme in ihrem Unterbewusstsein. Immer und immer wieder. Bis sie schließlich aufstand und in ihr Zimmer lief. Dort warf sie sich auf ihr Bett und vergrub ihr Gesicht in ihrem Kopfkissen. Sie weinte und schluchzte bitterlich. Es war nur ein Ton, ein einziger Ton, der sie aus der Fassung brachte und ihre Dämme brechen ließ. Ein noch so kleiner Wink des Universums, der für sie eine immense Bedeutung hatte. Er zeigte ihr, dass alles schlecht war! Obwohl das nicht stimmte, aber sie glaubte es, von Zeit zu Zeit immer mehr.
Am nächsten morgen wachte sie sehr früh auf, früher als sonst. Mit dem Bus dauerte der Weg zur Schule nur knappe zehn Minuten. Schwer hob sie sich von ihrem Bett, wirklich viel geschlafen hatte sie nicht, viele Gedanken plagten sie fast die komplette Nacht über.
Nachdem sie sich mühselig in ihre Klamotten gezwängt hatte schlenderte sie ins Bad, um sich fertig zu machen. Sie betonte ihre Augen mit ein wenig Wimperntusche und einem dünnen Lidstrich. Als sie das Bad verließ, blickte sie direkt in den Spiegel, direkt gegenüber der Badezimmertür an der Wand hing. Sie war schlank, ihre glatten braunen Haare reichten ihr bis unter die Brust. Sie hatte tiefbraune Augen und blasse Haut, die einen starken Kontrast zu den Augen bildete.
Am Frühstückstisch herrschte betroffenes Schweigen. „Und? Freust du dich schon deine alten Freunde wieder zu sehen?“, fragte ihre Mutter und biss ein großes Stück von ihrem Marmeladenbrötchen. „Hm, ja“, antwortete Nina. Sie selbst war von ihrer Antwort nicht überzeugt, aber sie wollte ihrer Mutter nicht unnötig Sorgen machen.
Sie warf sich ihre Jacke über und lief auf die Straße, auf direktem Weg zur Bushaltestelle. Auf dem Weg kam sie an Jans Haus vorbei. Sie blieb kurz stehen und betrachtete das Haus, es sah noch genauso aus wie damals. Überhaupt sah das komplette Dorf noch so aus wie damals.
Vor der Schule las sie das Schild „Integrierte Gesamtschule Schaumburg“. Ihr wurde gesagt, dass sie sich im Sekretariat melden soll und von dort aus in die Klasse gesetzt würde. Sie wurde von einer Lehrerin abgefangen, die ihre Aufnahmedaten entgegen nahm.
Als diese die Tür zu dem Klassenzimmer öffnete, überkam Nina ein mulmiges Gefühl. Diese Frage, die ihr schon die ganze Zeit im Kopf herumschwirrt: Wie reagieren sie? Sie stand also vor der Klasse, als hätte die Lehrerin sie vorführen wollen.
Ninas Blick schweifte über die Klasse und blieb an einer Person hängen. Ist das… Nein, das ist doch nicht Jan! Oder doch? Er bemerkte sie anscheinend nicht, denn er unterhielt sich gerade mit einem etwas dickeren Jungen. Das versetzte Nina einen kleinen Stich. Als sie ihren Blick weiter schweifen ließ, sah sie in ein Augenpaar, das unruhig auf ihr ruhte. Ein Mädchen mit ebenfalls braunen Augen sah sie mit offenem Mund an. Selma! Ihre damalige beste Freundin. Sie hat Nina erkannt! Das war ihr sofort klar.
Sie ließ sich in der letzten Reihe auf einen Stuhl fallen und packte ihr Schreibzeug aus. Immer mal wieder drehte sich Selma zu ihr um. Sie zweifelte daran, dass es wirklich Nina war.
Und das war das 2.Kapitel :) Ich hoffe natürlich, dass es euch gefallen hat ^-^
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Alte Erinnerungen
FanficWas würdest du tun, wenn du denkst, dass du schon mit einem Teil deines Lebens abgeschlossen hast, aber der ohne Vorwarnung wieder in dein Leben eintritt? Wenn du völlig überrumpelt bist, weil alles so schnell ging? Und auf einmal stehst du wieder...