10.Kapitel: Kuss?

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In der Schule versuchte sie so weit es ging Jan aus dem Weg zu gehen, was auch einige Tage recht gut klappte.

Obwohl sie sich sicher war, dass sie ihn mehr als nur freundschaftlich mochte und sich das auch eingestand, musste sie erst einmal ihre anderen Gefühle verarbeiten. Sie fragte sich immer wieder wieso sie ihn nicht küssen wollte, oder eher nicht konnte, denn sie wollte es wirklich. Ihre Gefühle haben in diesem Moment aber so verrückt gespielt und sie fühlte sich so überrumpelt.

Zudem fühlte sie sich verlogen, weil sie glücklich darüber war, dass ihre Mutter sie gestört hatte, während es Jan zutiefst traurig machte.  

Dann aber im Sportunterricht wurden sie für eine Übung in eine Zweiergruppe gesteckt. Nina seufzte und gab sich geschlagen. Hätte sie um einen anderen Partner gebeten hätte es sowieso nur eine unnötige Diskussion gegeben. Herr Möller, der Sportlehrer, war schon ewig an der Schule, deshalb kannte sie ihn, und seine rechthaberische Art schon und wusste, dass er seine Prinzipien beibehalten würde. Eines davon war die Gruppeneinteilung Junge-Mädchen, damit niemand schwätzt, was eigentlich dämlich ist, weil Jungen und Mädchen genauso gut miteinander reden können.

Während sie sich gegenseitig einen Medizinball zuwarfen, versuchte Jan immer wieder ein Gespräch anzufangen, doch Nina versuchte ihn zu ignorieren. Allerdings tat es ihr in der Seele weh Jan so eiskalt auszublenden. Als sie es schließlich nicht mehr aushielt fragte sie Jan, der es inzwischen schon aufgegeben hatte es zu versuchen.

„Jan? Es tut mir Leid, aber ich glaube…“- sie wollte sich ihre Worte gut überlegen- „ich bin noch nicht so weit, ich hoffe du verstehst das…“ Zum Ende hin wurden ihre Worte immer leiser und sie sah beschämt weg, überall hin, nur nicht zu Jan. Das war aber ein fataler Fehler, denn so bemerkte sie den schweren Ball nicht, der auf sie zugeflogen kam.

Dieser Traf sie an ihrem Schienbein und ließ ihre Füße unter ihr zusammensacken. Sie knallte unsanft mit dem Hintern auf dem Boden auf. Jan war natürlich sofort zur Stelle und murmelte die ganze Zeit irgendwelche Entschuldigungen, obwohl Nina ja eigentlich selbst schuld war.

Er half ihr sich so weit aufzurichten, dass sie einigermaßen stehen konnte. Ohne sich permanent an Jan zu stützen hätte sie das auch nicht geschafft.

Der Sportlehrer schickte die beiden nur ins Krankenzimmer. Auf dem Weg dorthin herrschte das gut bekannte Schweigen zwischen den beiden.

In Nina kam ein wohliges Gefühl auf, als Jan seinen Griff um Nina festigte, damit sie nicht abrutschte und hinfällt. Sie wollte es zwar langsam angehen lassen, aber das war nur noch mehr Bestätigung, dass sie ihn Jan verliebt war.

Im Krankenzimmer wurde sie von einem Lehrer behandelt, der lediglich ein Kühl-Pack auf ihr Schienbein legte und dann verschwand. Bevor er allerdings weg war bat er Jan darum Nina Gesellschaft zu leisten, dem kam er nach.

Wieder saßen sie nur stillschweigend da und sahen sich an. Jan hatte einen Stuhl zu dem Tisch gezogen, auf dem Nina saß. Dieses Mal war es kein unangenehmes Schweigen. Ganz im Gegenteil, Nina genoss es richtig. Und mit einem Mal fiel alles von ihr ab. Ihr Zweifel und alles andere, was sie belastete. Sie war sich mit einem Mal so sicher. Sie fühlte sich, als würde ein Sturm durch ihre Seele toben und alles aufwirbeln, nur um dann nachzulassen und sie am richtigen Platz niederzulassen.

Genauso fühlte sie sich. Wie am richtigen Ort. Aber der richtige Ort wäre für sie genau der gewesen an dem auch Jan war.

Jan. Der Jan, mit dem sie schon so eine lange Geschichte durchlebt hatte. Die Geschichte war unvollendet, und wenn Nina es sich recht überlegte wollte sie auch kein Ende. Sie wollte diese Geschichte immer weiterleben.

Wie sie so darüber nachdachte musste sie lächeln. Jan, der dies mitbekam, wurde von diesem Lächeln angesteckt. Wie vor ein paar Tagen fing sie leicht an zu zittern und ihr Atem ging auf einmal ganz unregelmäßig. Sie wusste nicht wieso das genau jetzt passiert, aber es war, jedenfalls glaubte sie es, etwas, das aus ihrem Inneren hervorgerufen wurde.

Sie wollte den Moment vor ein paar Tagen wiederholen. Doch dieses Mal würde sie nicht feige sein, dieses Mal würde sie ihr Herz in die Hand nehmen und das machen was sich so unglaublich richtig an fühlte.

Ihr Blick war immer noch auf Jan gerichtet. Aus Angst, dass er sich dieses Mal abwenden könnte, nahm sie Jans Gesicht in ihre Hände. Um ihn zu küssen musste sie sich etwas herunterbeugen, da der Tisch höher gelegen war, als der Stuhl, auf dem Jan saß.

Bevor sie allerdings ihre Lippen auf seine legte stockte sie noch einmal kurz. Sie verschwendete einen sinnlosen Gedanken daran, dass es falsch sein könnte und blendete diesen dann erfolgreich aus.

Jan hatte seinen Atem angehalten, da er überrascht war. Und im selben Wimpernschlag schloss Nina ihre Augen und legte ihre Lippen auf seine.

Sie hatte ihn zwar schon einmal geküsst, aber das hätte diesem Kuss nie gerecht werden können. Ein Kribbeln, das von ihren Lippen ausging breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Dieser Kuss war so wundervoll. In ihrem Kopf hätte sie sich nie ein so schönes Gefühl ausmalen können. Nicht einmal im Traum hätte sie ein Gefühl verspüren können, das sich auch nur annähernd so toll anfühlen könnte.

Sofort hatte Jan den Kuss erwidert. Zwar war er zunächst überrascht, aber dann wollte er den Kuss genießen und schloss seine Augen ebenfalls.

Sanft zog sie ihr Gesicht etwas nach hinten und löste so den Kuss auf. Ihre Stirn lehnte sie an seine und sah ihn schüchtern lächelnd an.

Keiner sagte ein Wort. Worte wären in diesem Augenblick überflüssig gewesen…

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