8.Kapitel: Am Haken

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Obwohl sie ihm glaubte, wollte sie ihn am Haken zappeln lassen. Immerhin hat er sie angelogen, um auf Ober-Macker zu machen und das wollte sie sich nicht gefallen lassen. Eigentlich hätte sie ihm sofort vergeben, aber sie wollte ihm ihre Eigenständigkeit verdeutlichen. Sie war nicht auf ihn angewiesen! Überhaupt war sie auf niemanden angewiesen!

„Hmm… Ich weiß nicht“, murmelte sie und versuchte sich ihre, dennoch über sie herrschende, Unsicherheit nicht anmerken zu lachen. „Was muss ich tun, damit du mir glaubst?“, diese Frage stellte er mit energischem Unterton. Er wollte es ihr recht machen, unter anderem auch, weil es ihm wirklich leid tat und er mit seiner Lüge genau das bezweckt hat, was er eigentlich nicht wollte.

Nina hatte keine Idee was Jan machen sollte, um es ihr zu beweisen. „Beweis’ es mir einfach, mach etwas, dass mir zeigt, wie ernst du es meinst“, schlug sie vor, obwohl er keine Wahl hätte, wenn es ihm wirklich wichtig wäre.

Jan gab nur ein leises „Hm“ vom sich. Er dachte nach, was dem gerecht werden würde. Durch sein Schweigen machte Nina noch unsicherer, als sie es sowieso schon war. Jetzt glaubte sie, sie hätte es verbockt. In diesem Moment wünschte sie sich so sehnlich aus dieser Situation flüchten zu können, also öffnete sie schnell die Tür zum Sekretariat und bat die Sekretärin um ihre Bücher, die sie ihr auch lächelnd gab. Nina nahm einen Stapel entgegen, ebenso wie Jan. Auf dem Weg ins Klassenzimmer schwiegen sie wieder. Dieses Schweigen, das beide verrückt macht. Doch keiner traute sich etwas zu sagen, da die Stimmung ziemlich angespannt war.

Sie liefen zusammen an Ninas Platz und legte die Bücherstapel auf dem Tisch ab. Als Nina von dem Tisch wieder aufschaute sah sie Jans Augen. Dessen Blick ruhig auf ihr lag.

Nina könnte schwören, dass sie noch nie solche blauen Augen gesehen hat, auch wenn es absurd klingen mag. Blau ist ja eigentlich eine kalte Farbe, aber Jans Augen waren alles andere als kalt. Sie strahlten eine sichere Wärme aus, die einem das Herz erweichen lässt.

Die verschiedenen Blau-Töne, mit dem seine Iris gesprenkelt war, brachten Unruhe in das eigentlich so ruhige Blau. Wie die Wellen in einem Ozean. Genau wie ein Ozean schienen seine Augen. So als ob, Nina in ihm schon längst versunken wäre und gefangen wäre. Das war sie in gewisser Weise auch, denn sie wollte ihren Blick nicht abwenden! Am besten nie wieder. Einfach für den Rest ihres Daseins seine wunderschönen, einzigartigen Augen betrachten.

Das laute Klingeln der Pausenglocke zerstörte diesen wundervollen Moment. Langsam aber stetig füllte sich der Klassenraum. Jan wendete sich wie in Zeitlupe ab, da seine Freunde ihn riefen. Als Nina wieder bei vollem Verstand war, sie wusste auch nicht warum, schaute Michelle sie mit giftigem Blick an. Ihre ebenfalls blauen Augen blitzen wütend auf. Es stimmt wohl was man sagt, dir Augen sind der Spiegel zur Seele. Man kann an ihnen so gut erkennen, wie sich ein Mensch gerade fühlte.

Michelle warf ihr wasserstoffblondes Haar nach hinten und schritt auf Jan zu und lehnte sich an ihn heran, so als ob sie schon ein Paar wären, wie Jan gesagt oder eher gelogen hatte. Daran aber fing Nina an zu zweifeln. Sie wendete ihren Blick ab, denn es fühlte sich an wie einzelne kleine Nadelstiche in ihr Herz. So sah sie nicht, wie Jan Michelle bat zu gehen.

Als der Unterricht beendet war, wollte Nina schon gehen, aber sie hatte Problem damit die etlichen Bücher zu tragen. „Brauchst du Hilfe?“, fragte Jan, der sich wieder zu ihr gesellt hatte. Darauf hätte sie allerdings verzichten können. Andererseits könnte sie die Bücher nie alleine Tragen, also nahm sie Jans Hilfe doch noch entgegen.

Bis zur Bushaltestelle, in den Bus und von der Haltestelle lief eigentlich alles wie am Schnürchen, bis auf einmal ein Buch von dem Stapel, den Jan trug herunterfiel. Jan versuchte es natürlich sofort aufzuheben, was sich als etwas schwierig herausstellte, da er ja noch den Stapel hielt. Nina sah nur lachend dabei zu. „Du könntest mir auch helfen“, schnauzte Jan ebenfalls lachend. „Hm“- Nina tat so, als ob sie überlegen würde- „Nö“ Sie grinste Jan belustigt an. „Ich kann dein Buch auch gerne hier liegen lassen“-„Is’ ja gut ich schon!“, gab sie sich dann doch zufrieden. Jan musste ja auch darauf bestehen den großen Stapel zu nehmen, der fast doppelt so groß war, wie der andere.

Vor Ninas Haus drückte sie, so gut es ging auf die Klingel. Aufschließen wäre mit den Büchern etwas schwer gewesen. „Hallo Nina“, ihre Mutter machte lächelnd die Tür auf, „Und ach hallo…“, sie schien kurz zu überlegen, „Jan, wenn ich mich nicht irre.“

Jan nickte nur stumm und ging daraufhin hinter Nina die Treppe hinauf. Die Bücher luden sie auf dem Schreibtisch ab. „Wow, dein Zimmer sieht noch genau so aus, wie damals“, staunte Jan. „Dass du dich daran noch erinnerst“, Sie sah Jan an. „So lange ist das nun auch wieder nicht her“, sagte dieser.

„Den Flügel habt ihr immer noch, oder?“- „Ja“ Nina deutete Jan ihr zu folgen. Sie lief über den Flur ins Wohnzimmer. Dort stand er. So, als hätte nie jemand auf ihm gespielt. So, als ob er warten würde, dass es endlich jemand tut. Jan setzte sich vorsichtig auf die vorderste Stuhlkante. Nina platzierte sich neben ihm. Er fing an zu spielen. Behutsam drückten seine Finger die Tasten hinunter. Das, was er spielte, war die Melodie, die Nina auch spielen konnte, und sie sich von ihm „abgeschaut“ hatte.

Nina wollte in diesem Moment nichts anderes, als glücklich sein, aber ihr kamen immer wieder die Bilder zum Vorschein, wie  Michelle Jan anschmachtet und wieder fühlte sie die Stiche. Sie wollte Jan glauben, wahrhaftig das wollte sie wirklich aus vollem Herzen, aber das konnte sie nicht. Die Stimme in ihrem Kopf hinderte sie daran.  

Öhm, was kann man hier noch so um viertel nach zwölf schreiben? ^.^ 

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