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Wie aus Reflex, wollte ich umdrehen und zurück in die Schule laufen, doch da stieß sich besagter Typ schon lässig von der Säule ab und kam auf mich zu. Mit jedem Meter, den er mir näherkam, verschnellerte sich mein Herzschlag. Allerdings stellten sich meine Haare gleichzeitig auch wütend zu Berge und ich ballte meine Hände zu Fäusten. Was hatte er hier schon wieder zu suchen? Stalkte er mich etwa? Vielleicht war er ja doch ein Psychopath.

Hastig drehte ich meinen Kopf von links nach rechts, überlegte doch tatsächlich einfach wegzurennen und vor ihm zu fliehen, doch das wäre irgendwie gemein. Außerdem würde es bedeuten, dass ich Schiss vor ihm hätte und das wollte ich wirklich nicht ausstrahlen. Es war schon schlimm genug gewesen, wie ich nach dem Kuss vor ihm geflüchtet bin.

Dieser Kuss.

Plötzlich schoss mir die Röte ins Gesicht und ich stolperte einen Schritt zurück, während der Penner nun direkt vor mir stand und mich schelmisch grinsend musterte. Ich war kurz davor meinen Kopf einzuziehen und mich ganz klein zu machen, doch dann räusperte ich mich und baute mich vor ihm zu meiner vollen Größe auf. "Sag mal, stalkst du mich?", warf ich ihm sogleich empört an den Kopf und stemmte die Fäuste in die Seiten. Taehyung zog bei der Frage nur eine Augenbraue hoch, ehe er belustigt anfing zu kichern.

Bei den Geräuschen, die ihm über die Lippen kamen und wie er seine Nase ein wenig krauszog, setzte mein Herzschlag für einen Moment aus. Er sah so unglaublich niedlich aus, wie er dort so vor mir stand, mit seinen wirren Locken und den ulkigen Klamotten. Ich hatte das Bedürfnis ihm einmal durch die Haare zu wuscheln, doch da fiel mir wieder ein, dass ich doch eigentlich wütend auf ihn war. Naja, zumindest tat ich so. Denn viel mehr spürte ich auch jetzt, wie sehr mich dieser Junge doch verwirrte, meinen Körper verrückt spielen ließ und das genaue Gegenteil von Wut in mir auslöste.

"Ich bin mit Sicherheit vieles, Jungkook", gluckste der Lockenschopf schließlich heiter auf, "aber bestimmt kein Stalker." Lachend hielt er sich den Bauch und verkürzte den Abstand zwischen uns noch weiter, sodass ich mich mit dem Rücken an der kalten Backsteinwand wiederfand. "Was machst du dann hier?", blaffte ich ihm dennoch so gut es ging entgegen, denn diese Nähe brachte mich völlig aus dem Konzept. Für einen kurzen Moment legte Taehyung seinen Daumen und Zeigefinger an sein Kinn und schien ernsthaft darüber nachzudenken, warum er hier auf dem Schulhof stand.

Aber mit einem Mal schnellte sein Arm vor, sodass seine flache Hand mit einem dumpfen Geräusch an der Backsteinwand neben meinem Kopf zum Liegen kam. Schockiert riss ich meine Augen auf und schnappte überrascht nach Luft. Taehyung schien das alles hingegen sichtlich amüsant zu finden, denn seine Lippen zierte ein süffisantes Grinsen, während er sich weiter zu mir vorlehnte. Ein warmer Schauer krabbelte meinen seitlichen Nacken hinab, als ich seinen Atem auf meiner nackten Haut spüren konnte.

"Ich bin wegen dir hier, Jungkookie", hauchte er lasziv in mein Ohr und brachte mich damit zur völligen Verzweiflung. Mein Körper rastete komplett aus, ich wusste beinahe nicht mehr wo oben und unten war, das Blut raste durch meine Gefäße und pumpte in meinen Ohren, ein halber Zoo randalierte in meinem Magen. Ich wollte doch einfach nur nach Hause und nachdenken, über genau das... und jetzt... jetzt machte dieser Kerl alles nur noch schlimer. Wie sollte man so einen kühlen Kopf bewahren und eine obejektive Entscheidung treffen könnnen? Wie sollte ich vor allem die richtige Entscheidung treffen können, wenn mein Körper im Beisein dieses Pissknödels zu einem Jahrmarkt mutierte?

"Du hast doch wohl mal 'nen richtigen Schaden", pampte ich ihn all meine Selbstbeherrschung zusammennehmend an und stieß ihn an seinen Schultern von mir weg. Von dem unverhofften Stoß überrumpelt, stolperte Taehyung einige Schritte zurück und wäre sogar fast über seine eigenen Füße gefallen, hätte er sich nicht noch gerade rechtzeitig an der Säule festgehalten.

Mit weit aufgerissen Augen sah ich ihn an und wäre am liebsten sofort zu ihm geeilt, um ihn zu stützen, doch irgendetwas in mir wehrte sich dagegen. "Ich bin wegen dir hier", entwich es Taehyung nun angestrengt und ich meinte sogar einen Hauch von Enttäuschung herauszuhören, doch ich konnte mich auch täuschen, "um mich zu entschuldigen."

Ja okay, definitiv Enttäuschung.

Bei dem Hundewelpenblick, den der Steckdosenkopf mir zuwarf, bekam ich sofort ein schlechtes Gewissen und als er dann auch noch betreten auf den Boden sah und seine Arme schützend vor seinem Körper verschränkte, hätte ich mir für meine Törichtkeit am liebsten in den Allerwertesten getreten. "E-es... es tut mir-" "Nein, ist schon okay", wurde ich mit trauriger Stimme von Taehyung unterbrochen, was mir irgendwie ein ganz komisches Gefühl in meinem Inneren gab. Mit einem Mal wurde es so eng in meiner Brust, als würde sie von etwas zugeschnürt werden.

Zögernd trat ich einen Schritt auf den Jungen zu, während er sich unsicher auf der Unterlippe herumkaute. "Ich verstehe schon...", nuschelte er und drehte sich etwas von mir weg, "du wolltest das alles nicht... ich meine mit dem Kuss. Ich weiß auch nicht... es ist einfach passiert." Mit den letzten Worten hob er seinen Kopf ruckartig an und blickte mir aus verzweifelten Augen entgegen. Ich verstand nicht so recht, was er mir damit jetzt sagen wollte. Bereute er es? Wollte er es gar nicht? War es vielleicht nur ein Abschiedskuss gewesen?

Ich wusste gar nicht so recht, was ich sagen sollte. Meine Gedanken überschlugen sich und das Chaos in meinem Inneren wurde immer größer. "Ich würde es verstehen, wenn du das alles nicht willst und mich nicht mehr sehen möchtest. Es tut mir wirklich leid", schluchzte der Schwarzhaarige verletzt auf, was mich einen plötzlichen Schmerz in der Brust spüren ließ. Was sollte das alles nur bedeuten? Warum tat es weh, ihn solche Worte sagen zu hören?

"Taehyung, i-ich...", so recht wusste ich gar nicht, was ich überhaupt sagen sollte und nachdem ich mich kurz geräuspert hatte, verstummte ich auch schon wieder. Ratlos betrachtete ich den bunt gekleideten Jungen vor mir, wie er mit hängenden Schultern und traurigem Blick auf den Boden starrte. Ich konnte gerade überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen. Taehyungs Worte und diese verwirrenden Reaktionen meines Körpers - ich wusste überhaupt nicht mehr, was ich tun sollte. Ich musste nachdenken. Alleine, ohne ihn.

"Ich kann das gerade einfach nicht, Taehyung", purzelten mir die Worte über die Lippen und am liebsten hätte ich sie bei der Reaktion des Jungen, sofort wieder zurückgenommen. "Ich weiß nicht, ob es gut ist, dass ich dich getroffen und kennengelernt habe. Vielleicht hätte ich niemals auf deinen Vorschlag, die Sterne zurück in meine Augen zu bringen, eingehen sollen."

Ich zog scharf die Luft ein, als ich die erste Träne über Taehyungs Wange kullern sehen konnte.

Mist! Was war ich nur für ein Idiot! Das wollte ich nie! Ich wollte nie, dass es so weit kommt. Ich hätte einfach mein langweiliges Leben weiterleben sollen. Denn all die Freude, die ich vor einiger Zeit verspürt hatte, das Glück darüber, dass ich meinen Bruder gerettet hatte, verschwand nun im Fluge und machte einem ganz anderen Gefühl platz. Und dabei wusste ich nicht einmal, was das überhaupt für ein Gefühl war. Ich hatte so etwas doch nie gespürt. Wie auch?

Auf einmal riss mich jedoch eine sanfte Berührung an meiner Hand wieder zurück in die Realität und als ich unsicher herauflinste, traf ich auf zwei funkelnde, dunkelbraune Augen, die trotz der Tränen so eine Wärme und Zuversicht ausstrahlten, dass ich fast selbst angefangen hätte zu weinen.

"Ich verstehe, dass du verwirrt bist, Kookie", sprach Taehyung sanft und fuhr dabei beruhigend mit seinem Daumen über meinen Handrücken, "aber bitte, gib mir noch eine Chance. Eine Chance, um dir zu zeigen, dass unsere Begegnung nicht nur gut war, sondern ein Geschenk des Himmels."

Forever blessed {VKOOK}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt