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Vollkommen aufgelöst stolperte ich unsere Einfahrt herauf, hielt direkt auf die weiße Tür zu und kramte bereits in meiner Hosentasche nach dem Haustürschlüssel. Mit meinen zittrigen Händen bekam ich das Metall kaum zu fassen und schaffte es erst nach einigen Sekunden den Schlüssel verzweifelt hervorzuziehen. Hastig versuchte ich ihn in das Schloss zu stecken, doch ich ruschte immer wieder ab, da die Tränen, die mir unaufhörlich über die Wangen liefen, meine Sicht verschleierten. Ein ersticktes Wimmern entkam meinen Lippen, als ich es endlich schaffte die Tür aufzuschließen und sofort die Treppe hinaufstürmte.

Ich schaute mich nicht um, ob jemand Zuhause war und mich in diesem Zustand sah. Ich wollte einfach nur noch in mein Bett, mich unter der Decke verkriechen und am liebsten nie wieder aufstehen. Schniefend kam ich schließlich in meinem Zimmer an, schaffte es noch meine Schuhe von meinen Füßen zu streifen, ehe ich mich auch schon auf mein Bett warf. Augenblicklich vergrub ich mein verweintes Gesicht in dem Kissen und krallte meine Finger in die Matratze.

Alles tat weh - mein Brustkorb fühlte sich an, als ob er entzwei gerissen werden würde und am liebsten hätte ich mir mein Herz eigenständig aus meiner Brust gerissen. Noch nie hatte ich so etwas gefühlt. Ich wollte einfach nur, dass es aufhört und diese doofen Tränen nicht mehr aus meinen Augen laufen würden, doch zu allem Überfluss tauchte immer wieder das Bild von Taehyung in meinem Kopf auf und wie er von Jin umarmt wurde. Und nicht nur das. Mein Hirn bastelte sich seine ganz eigenen Szenarien zusammen und dass die beiden sich innig küssten war wohl das harmloseste.

Ein gequälter Schrei verließ meine Kehle und wurde von den Federn des Kissens abgedämpft, nachdem ich wütend mit meinen Fäusten auf die Matratze eingeschlagen hatte. Meine ganze Haut fühlte sich an, als wenn sie in Feuer stehen würde und ich konnte nichts anderes tun, als mich immer wieder von links nach rechts zu wälzen. Doch auch danach wollten die Bilder aus meinem Kopf nicht verschwinden und trieben mich beinahe in den Wahnsinn.

"W-warum?", kam es mir zunächst flüsternd über die Lippen, wobei meine Stimme keine Sekunde später jedoch zu einem lauten Schreien anschwoll. "Warum? Warum, Taehyung? Warum..." Erneut brach ich in unkontrolliertes Schluchzen aus und kugelte mich unter meiner Bettdecke zu einem kleinen Häufchen Elend zusammen. "W-warum?", wimmerte ich in den weichen Stoff, der in diesem Moment der einzige Halt war, der mir geboten wurde.

Für eine ganze Zeit lag ich so zwischen den Federn, versuchte immer wieder meine Atmung zu kontrollieren und gleichzeitig das stetige Stechen in meiner Brust zu ignorieren, doch es wollte mir nicht gelingen. Irgendwann verlor ich sämtliches Zeitgefühl und dadurch, dass es in meinem Zimmer bereits stockdunkel war, fielen meine vom Salz verklebten Augen immer wieder zu. Aber an Schlaf konnte ich überhaupt nicht denken. Zu groß war meine Angst davor, Taehyung in meinen Träumen zu sehen. Aus diesem Grund schluchzte ich leise weiter vor mich hin, starrte in das dunkle Nichts und versuchte irgendwie ein wenig Ruhe zu finden.

Plötzlich wurde meine Tür allerdings mit einem lauten Knall aufgestoßen und keine Sekunde später flutete gleißendes Licht mein Zimmer. Sofort kniff ich schützend meine Augen zusammen und zog mir die Decke weiter über den Kopf.

"Jungkook, deine beiden Scheißfreunde sind sowas von gemein! Ich hasse sie", konnte ich die Stimme eines zickigen Jimins hören, der keine Sekunde später mit lautem Gestampfe auf mein Bett zukam und mir mit einem Ruck die Decke vom Körper riss, die ich verzweifelt umklammert hielt. "Diese Möchtegern-Machos haben heute einfach einen Klassenkameraden von mir ver- oh", aufeinmal hielt mein Bruder in seiner Schimpftirade inne und aus dem Augenwinkel heraus konnte ich seinen überraschten Blick sehen, sodass ich mich noch etwas mehr zusammenkauerte.

"J-jungkook ich... ehm", stammelte der Kleinere sichtlich überfordert und trat einen Schritt zurück. Ich hingegen sah ihn nun mit meinem verweinten Blick an, ließ meine Augen über seinen schmächtigen Körper wandern, seine kleinen Hände, die er unruhig vor seinem Bauch knetete und seinen überforderten, aber gleichzeitig so unglaublich mitleidigen Blick. In diesen Augen, diesen warm funkelnden Augen, lag so viel Verletzlichkeit und dennoch unbändig viel Liebe. Wie hatte ich ihm nur all die Jahre über solch schlimme Dinge antun können? Wie hatte ich ihm so wehtun können?

"Jungkook... i-ich geh dann m-mal", stotterte er und wollte sich bereits zum Gehen umdrehen, da er wohl nicht mit meinem jetzigen Zustand klarkam, es höchstwahrscheinlich auch nicht verstand, warum sein gefühlskalter Bruder plötzlich mit Tränen überströmten Gesicht in seinem Bett lag. Doch irgendetwas in den Augen des Blondschopfs ließ mich wehleidig aufschluchzen... vielleicht war es seine Stärke, die er trotz alledem niemals verloren hatte. Mein kleiner Bruder war so viel stärker als ich und genau das brauchte ich jetzt.

"N-nein warte!", wimmerte ich, als er bereits wieder in den Flur verschwinden wollte. "J-jimin bitte... b-bitte bleib", meine Stimme war so hauchdünn, dass ich dachte, er hätte mich überhaupt nicht gehört und nachdem die Worte meine Lippen verlassen hatten, empfand ich sie schon als unglaublich lächerlich. Niemals würde Jimin mich trösten, ausgerechnet mich, der ihn all die Jahre über wie Dreck behandelt hatte.

Unsicher linste ich zu meinem Bruder herüber, der mit perplexem Blick und aufgeklappten Kinn zu mir schaute. Mit einem Mal räusperte er sich jedoch, schluckte einmal schwer und kam danach ganz langsam auf mich zu. Je näher der Kleine mir kam, desto mehr Risse bekamen meine Dämme und als er sich tatsächlich neben mir auf die Bettkante setzte und mich traurig musterte, konnte ich nichts mehr an mir halten. Erneut wurde ich von einem Schwall an Gefühlen übermannt und begann laut zu weinen.

"E-es tut mir leid... es tut-", jammerte ich und rückte näher an meinen Bruder heran, der plötzlich langsam seine Hand erhob und anfing mir durch die dunklen Strähnen zu fahren. "Shhhh... beruhige dich, Kook. Alles wird gut", sprach er mit einer so sanften Stimme, die mir wenigstens ein Bisschen des Schmerzes nahm, doch mein Herz stach immer noch mit jedem Schlag und die Tränen wollten nicht versiegen.

"E-es tut so w-weh", jammerte ich und fühlte mich in dem Moment einfach so erbärmlich und armselig. Wie konnte ich mich nur bei meinem Bruder ausheulen? Doch Jimin schien alles frühere in diesem Moment gar nicht zu interessieren, denn er legte nur seinen Daumen sanft auf meine Wange und wischte mir die Tränen trocken, während er mich liebevoll beobachtete. "W-was ist das? W-warum t-tut es so w-weh?", entwich es meiner Kehle, wobei meine Stimme mit den letzten Worten brach, ich schniefend die Luft einzog und meine Augen vor Schmerzen kurz zusammenkniff.

Mit einem Mal bemerkte ich, dass sich die Matratze hinter mir senkte und keine Sekunde später spürte ich einen schmalen Arm um meiner Taille und wie sich der kleine Körper meines Bruders gegen den meinen drückte. "Ich bin da... ich bin bei dir, Junkook", flüsterte Jimin mir gegen mein Ohr und zog mich noch näher an sich, "ich werde dich einfach halten, solange bis es aufhört."

Und damit war ich zum ersten Mal in meinem Leben wieder über alles dankbar, dass meine Eltern mir einen kleinen Bruder geschenkt hatten.

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little filler

Forever blessed {VKOOK}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt