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Jungkook

Glücklicherweise kam genau zu dem Moment, als ich an der Haltestelle vorbei lief, einer dieser klapprigen Busse um die Ecke gefahren. Ich hätte auch wirklich keine Lust gehabt, den ganzen Weg wieder zurück zu laufen. Mir ging gerade sowieso alles auf die Nerven.

So kam es, dass ich schneller als gedacht wieder Zuhause vor dem Vordach stand und so leise wie nur möglich versuchte, dort herauf zu klettern. Beinahe wäre ich abgerutscht und auf meinem Hosenboden gelandet, doch letztendlich schaffte ich es, mich mit einem Satz heraufzuschwingen und durch mein noch einen Spalt weit geöffnetes Fenster in mein Zimmer zu huschen.

Genervt warf ich meine Bauchtasche in die Ecke, bevor ich mich auch schon mit einem lauten Seufzen auf mein Bett fallen ließ. Was fiel meinen Freunden eigentlich ein? Wie scheiße war es denn bitte von ihnen gewesen, so auf mir rumzuhacken? Was hatte ich Ihnen denn getan? Als wenn es so außergewöhnlich wäre, dass ich mal meinen Gedanken nachhing und mich etwas beschäftigte.

Halt Stop.

Was hatte ich da gerade eben gedacht? Ich hing meinen Gedanken nach und mich beschäftigte etwas? Was für ein Schwachsinn! Mir war alles egal. Mir war schon immer alles egal.

Aufgebracht wälzte ich mich auf die Seite, zog mir die Decke über den Kopf und schloss meine Augen. Es war mittlerweile auch schon nach zwölf Uhr und morgen müsste ich zur Schule. Ich sollte wirklich so langsam Mal schlafen.

Wie jeden Abend versuchte ich mich auf meine ruhiger werdende Atmung zu konzentrieren und einfach abzuschalten. Das klappte sonst immer innerhalb weniger Minuten. Danach schlief ich so fest wie ein Murmeltier. Doch heute funktionierte es einfach nicht. Irgendetwas wühlte mich immer wieder auf und ließ mich nicht zur Ruhe kommen.

Immer öfter drehte ich mich zu meinem Wecker herum. Die roten Zahlen stachen mir in die Augen und machten das ganze nicht besser.

1:34 Uhr.

2:53 Uhr.

3:16: Uhr.

Mit in Falten gelegter Stirn warf ich grimmig meine Decke nach hinten und richtete mich in meinen Bett auf. Ich ließ meine beiden Hände an meinen Kopf wandern und rieb mir angestrengt die Stirn, während ich meine Knie anzog und mich zusammenkauerte.

Was war denn nur los mit mir? Was beschäftigte mich so?

Je länger ich darüber nachdachte, desto öfter tauchte das gleiche Bild vor meinem Inneren Auge auf. Und je öfter dieses Bild auftauchte, desto mehr wurde mir auch bewusst, dass mir dieser Streit mit meinen Freunden eigentlich ziemlich am Arsch vorbei ging. Aber genau eine Sache ging mir eben nicht am Arsch vorbei und das beunruhigte mich.

Ich bekam diese doofe Begegnung einfach nicht mehr aus meinem Kopf. Immer wieder musste ich an die Worte dieses Idioten denken und immer wieder tauchte sein ebenmäßiges Gesicht, umrandet von den schwarzen, leicht gewellten Haaren und geziert mit dem kastenartigen Grinsen vor mir auf. Immer wieder echote seine tiefe Stimme und das warme Lachen in meinem Ohr.

'Du siehst leblos aus.'

Wa sollte das bedeuten? Was meinte er damit? Und was fiel ihm eigentlich ein, mich einfach anzusprechen und sich dann auch noch sowas rauszunehmen? Er hatte in weniger als einer Minute, vielleicht waren es auch nur ein paar Sekunden, ein Urteil über mich gefällt. Innerhalb von Sekunden war er zu dem Entschluss gekommen, dass ich 'leblos' aussah. Was fiel ihm eigentlich ein, mich so zu betiteln? Zumal es auch noch wirklicher Schwachsinn war.

Grimmig raufte ich mir die Haare und ließ mich rücklings zurück auf die Matratze plumpsen. Warum ging mir das so an die Nieren? Mir war doch alles egal. Mein Leben hatte keinen Reiz, keine Spannung und strotze doch vor Langeweile und Eintönigkeit.

Doch je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr wurde mir bewusst, dass ich genau wusste, warum es mich so beschäftigte. Dieser wildfremde Typ hatte sich innerhalb kürzester Zeit ein Bild über mich gemacht, welches sich zuvor noch niemand, kein Einziger voher über mich gemacht hatte.

Immer wieder war ich 'der Macho', 'der Eisklotz', 'der Fuckboy', 'das Arschloch', 'Mr. Scheiß-auf-Alles'. Manchmal fanden sie auch schönere Umschreibungen, nannten mich 'die Sportskanone', 'den Hottie' oder 'Master of Mystery'.

Aber 'leblos'?

Noch nie hatte mich jemand so betitelt.

Und noch nie hatte mich ein Urteil über mich so sehr beschäftigt wie die Worte dieses Penners. Das war doch nicht mehr normal?! Am liebsten würde ich gleich zu diesem Ort zurückgehen und diesen Kerl mal fragen, was er sich denn erlaubte, so etwas über mich zu sagen und was zur gottverdammten Hölle er sich dabei dachte. Wie kam er überhaupt auf so einen Schwachsinn? Ich bin nicht leblos. Ich bin ja nicht tot, oder so! Ich hab auch gar keinen Bock darauf zu sterben. Das ist viel zu anstrengend.

Ein erneuter Blick zu meiner Uhr herüber zeigte mir, dass ich noch genau eine Stunde hatte, bis mein Wecker klingeln würde. Na toll. Ich würde die Zeit dann wohl totschlagen müssen. Oder ich würde mal vor meinem Kack-Bruder ins Badezimmer gehen.

Ich entschied mich dafür, die Zeit mit an die Decke starren totzuschlagen. Mein Bruder ging mir sowieso am Popöchen vorbei.

Doch was mir eindeutig nicht am Popöchen vorbei ging, war dieser Typ und seine Worte.

Und zum ersten Mal in meinem Leben musste ich zugeben, dass mir etwas nicht egal war.

Forever blessed {VKOOK}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt