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Jungkook

Keuchend kam ich vor Hoseoks Haustür zum Stehen. Meine Lungen rasselten in meiner Brust und erschöpft ließ ich mich etwas nach vorne fallen, um mich an dem Geländer der Treppe abzustützen.

Ich wusste selbst nicht, warum ich den ganzen restlichen Weg gerannt war, aber irgendetwas an dieser Begegnung mit diesem mysteriösen Kerl ließ in mir alle Alarmglocken ringen und ich wollte so schnell es ging ausreichend Abstand zwischen ihn und mich bringen.

Dass er dann, zu allem Überfluss auch noch plötzlich einfach verschwunden war, machte meine Panik nicht besser. Was war denn nur los mit mir?

Nachdem ich mich ein wenig beruhigt und zwei Mal tief ein- und ausgeatmet hatte, klingelte ich mit klopfendem Herzen bei meinem Freund. Keine Sekunde später wurde die Tür auch schon aufgerissen und ein wie immer gut gelaunter Hobi zog mich in seine Arme. Brüderlich klopfte er mir auf den Rücken: "Hätte echt nicht gedacht, dass du es durchziehst, Bro!"

Fragend legte ich meine Stirn in Falten und schob ihn etwas von mir. "Was meinst du?", fragte ich verwirrt und versuchte meine Gedanken irgendwie zu sortieren. "Na, dass du trotz Hausarrest abhaust, du Dödel. Was dachtest du denn?", lachte Hoseok und zog mich hinter sich in den Flur, ehe er die Tür wieder schloss.

"Naja, jetzt bin ich ja hier", zuckte ich mit den Schultern und ehrlich gesagt, war es mir auch inzwischen wirklich ziemlich egal, dass ich einfach von Zuhause abgehauen war und mich somit meiner Mutter widersetzte.

"Lass uns runter gehen", verkündete Hoseok schließlich. Ich nickte stumm und folgte ihm die Treppe runter in den Keller. Wir hatten uns schon öfter hier getroffen. Eigentlich konnte man es auch unser Eigen nennen, denn der große Raum mit dem gemütlichen Sofa, dem nicht gerade kleinen Flachbildfernseher, Spielkonsole und sogar einer Bar mit Theke, bot alles, was unser Herz begehrte. In der Vergangenheit hatten wir hier desöfteren die Nächte durchgezockt oder die ein oder andere Hausparty geschmissen.

Doch ich war eigentlich immer nur hier, weil meine Freunde das unbedingt wollten. Zocken - die anderen liebten es und ich schwörte darauf, dass Namjoon alles stehen und liegen lassen würde, wenn er ein Pro Gamer werden könnte - war für mich jedoch nur ein weiterer Zeitvertreib und reizte mich so überhaupt nicht.

Als ich den Raum jedoch betrat, wurde mir sogleich ein Controller in die Arme geworfen. Etwas überrumpelt versuchte ich diesen aufzufangen, scheiterte jedoch kläglich. "Man hast du miese Reflekte", brummte Yoongi. "Es heißt 'Reflexe'", korrigierte ich ihn trocken und bückte mich zu dem Controller auf dem Boden. "Ach, halt doch den Rand, du Streber", motzte der Junge mit dem Bandana sogleich wieder bevor er etwas auf dem Sofa zu Namjoon herüber rutschte und mir so ein wenig Platz machte.

Gerade wollte ich mich neben ihn sinken lassen, als mir Hoseok einen Strich durch die Rechnung machte und mit einem Satz plötzlich neben Yoongi hockte. "Das ist aber nett von dir, dass du mir den Platz so anbietest", kicherte er und warf dem Kleineren einen amüsierten Blick zu, welcher jedoch nur grimmig den Mund verzog und den Rothaarigen mit beiden Händen etwas von sich wegschob. Die beiden musste mal einer verstehen.

Doch es war mir auch egal, warum sie sich andauernd gegenseitig aufziehen mussten und sich benahmen wie zwei pubtertierende Blagen. Wir waren mittlerweile alle volljährig und standen vor unserem Schulabschluss. Musste man sich da noch so kindisch verhalten? Aber egal, sollten sie doch machen. Juckt mich nicht.

Ohne mich darüber zu beschweren, dass Hobi mir meinen Platz geklaut hatte, weil es mir auch eigentlich echt egal war, wo ich saß, ließ ich mich auf den Teppich vor dem Sofa sinken und lehnte mich mit dem Rücken dagegen.

"Okay, worauf habt ihr Bock?", fragte Hoseok freudestrahlend und meiner Meinung nach viel zu begeistert, aber das kannte ich ja so von ihm. "Ich hab Bock auf Fifa", ließ Namjoon verlauten und warf sofort einen freudigen Blick durch die Runde. Doch beinahe im selben Moment fielen seine Mundwinkel schon wieder herab, denn unsere Gesichter sprachen wohl mehr als tausend Worte. "Du hast immer Bock auf Fifa, du Goffel", sagte ich trocken. Eingeschnappt verschränkte der Größere seine Arme vor der Brust.

"Lasst uns Mario Kart spielen", meinte Yoongi schließlich und der Seitenblick zu Hoseok entging mir natürlich nicht. Wir alle wussten, dass es das Lieblingsspiel unseres Honigkuchenpferds war. Dieser sprang auch sogleich freudestrahlend auf und lief zu der Konsole herüber, um das Spiel zu starten. Nach anfänglichem Nörgeln, schien auch Namjoon sich mit der Entscheidung abzufinden. Ich hatte mich natürlich so wie immer rausgehalten, weil es mir egal war, welches Spiel wir spielten. Sie alle waren gleich langweilig.

Nach ein paar Minuten saßen wir mehr oder weniger angestrengt vor dem Fernseher und hauten auf unseren Kontrollern rum. Wenn es mich ein bisschen interessieren würde, ob ich gewinne oder verliere, würde mich meine Spielweise wahrscheinlich ziemlich triggern. Ich verlor kläglich. Jedes Rennen. Ich wurde immer Letzter.

Aber ich war auch überhaupt gar nicht mit dem Kopf bei der Sache. Wie sollte ich mich auch auf ein dummes Nintendo-Spiel konzentrieren, wenn ich vorhin die komischste Begegnung meines Lebens hatte? Die ganze Zeit schwirrten mir die Worte dieses fremden Typen durch den Kopf.

'Du siehst so leblos aus.'

Leblos. Was sollte das bedeuten?

Leblos. Ich war doch nicht tot oder so. Und außerdem konnte man jetzt auch nicht von mir behaupten, dass ich krank oder abgemagert aussah. Ich machte genug Sport und ging oft morgens joggen, um wenigstens ein bisschen für meine körperliche Fitness zu tun. Auch wenn es mir eigentlich egal war, wollte ich doch ordentlich aussehen, um die Erwartungen der anderen und die meiner Eltern zu erfüllen.

Leblos. Doch das hatte noch nie jemand zu mir gesagt. Ich sah doch nicht leb-

"Au!", schrie ich plötzlich auf und wurde jäh durch ein Kissen, welches an meinen Kopf flog, aus meinen Gedanken gerissen. "Was zur Höl-", wollte ich mich gerade beschweren, wurde jedoch durch einen lachenden Namjoon unterbrochen. "Willst du das ganze Rennen am Start rumstehen, oder wie sieht's aus, du Träumer?" Der große, blonde Kerl hielt sich kichernd den Bauch und Hoseok konnte sich sein lautes Lachen auch nicht mehr verkneifen. Sogar Yoongis Mundwinkel, zuckten leicht nach, was bei 'grumpy cat' wirklich eine Seltenheit darstellte.

"Nein! Ich meine... ja!", stammelte ich ertappt. "Seit wann schwelgst du denn so in deinen eigenen Gedanken? Sonst interessiert dich doch so gut wie gar nichts", stocherte nun Yoongi weiter herum und ich konnte nicht verhindern, dass sich in mir ein komisch aufbrausendes Empfinden aufbaute. Was wollten sie denn jetzt bitte von mir?

"Das geht euch gar nichts an", motzte ich genervt, während ich den Kontroller auf das Sofa warf. "Ich hab keinen Bock mehr", verkündete ich anschließend und erhob mich vom Boden, um zu gehen. "Hey Jk, warte doch", versuchte Hoseok mich aufzuhalten, doch ich hatte wirklich keine Lust mehr, mich noch mit ihnen abzugeben. Und das Zocken war sowieso gähnend langweilig.

"Bis morgen in der Schule", antwortete ich deshalb nur, bevor ich aus dem Keller verschwand, die Treppe hochlief und schließlich erneut in der kühlen Frühlingsluft meinen Weg nach Hause antrat.

Als die frische Luft meine Nase umfing und meinen Kopf klärte, wurde mir plötzlich bewusst wie doof ich mich soeben verhalten hatte. Was war denn nur los mit mir? Warum machte ich mir überhaupt sie viele Gedanken? Warum beschäftigten mich diese mickrigen und vollkommen dämlichen Worte dieses Penners überhaupt? Warum musste ich denn überhaupt die ganze Zeit daran zurückdenken?

Schnell schüttelte ich meinen Kopf. Es ist mir egal. Jawohl es ist mir egal. Es war einfach nur eine komische Begegnung und ich sollte sie vergessen. Genau! Eine Begegnung, die mir völlig egal ist.

Forever blessed {VKOOK}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt