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"Was zur Hölle mache ich nur? Was mache ich hier? Was mache-", schwer schluckend hielt ich in meinem Trampeln inne. Bei dem Anblick gleich vor mir, weiteten sich meine Augen und ich wäre beinahe von der Straße abgekommen und in das nächste Blumenbeet gerast. Der Stadthügel erstrahlte in einem sanften Gold der späten Abendsonne direkt vor mir und ich ärgerte mich darüber, dass ich mich hatte überreden lassen tatsächlich hierher zu kommen. Dennoch umgriff ich den Lenker fester und trat ein weiteres Mal kräftig in die Pedale.

"Jimin du Popelnascher, ich schwöre bei Gott", zischte ich und biss mir fest auf den Kiefer, "wenn das schief geht..."
Ich hielt erneut in meinem Satz inne, da mir plötzlich die Worte meines kleinen Brüderchens wieder einfielen und mir augenblicklich einen Stich ins Herz verpassten.

'Was hast du schon zu verlieren? Selbst, wenn es nicht gut ausgeht, dann hast du trotzdem nicht mehr verloren als sowieso schon'

Ja, danke auch. Erst jetzt wurde mir bewusst wie wenig aufmunternd diese Worte im Grunde genommen doch waren - und dennoch radelte ich hier wie ein Beserker in Richtung dieses verfluchten Hügels.

Jimin hatte schon irgendwie recht. Ich hatte doch bereits alles verloren. Taehyung hatte mir alles genommen und mir gleichzeitig etwas geschenkt, das mein Leben zur Hölle gemacht hat. Diese verdammten Sterne - er kann sie sich sonst wo hinstecken und diese lächerlichen Gefühle auch.

Mit einem Satz schwang ich mich schließlich von dem klapprigen Drahtesel und warf ihn achtlos und mit lodernder Wut im Herzen in das Gras vor dem Hang. Ich wusste selbst nicht, wo diese plötzliche Ärgerniss über die ganze Situation, über Taehyung und vor allem über mich herkam, aber ich hinterfragte es auch nicht. Schließlich war das immer noch besser als diese elendige Trauer und die höllischen Schmerzen in meiner Brust.

Vor Zorn brodelnd stapfte ich also den Hügel hinauf, kam mit jedem weiteren Schritt ein bisschen mehr ins Schwitzen, sodass meine Atmung begann in meinen Lungen zu rasseln. "Taehyung, du Penner. Hättest du nicht einen anderen Ort wählen können. Ich schwöre dir, ich reiße dir den Ko-", abrupt hielt ich in meiner Schimpftirade inne. Augenblicklich gefror mein Körper zu Eis. Ich zog scharf die Luft ein und riss meine Augen entsetzt auf.

Dort saß er.

Auf einer einsamen Holzbank am Rande des Hangs.

Die Sonne hatte sich inzwischen zur Hälfte hinter den Horizont geschoben und tauchte die ganze Umgebung in ein warmes Gold. Auch auf die dunklen Locken des Jungen hatte sich ein glänzender Schimmer gelegt und seine Haut nahm in dem Licht einen karamellfarbenen Ton an.

Mein Herz machte unwillkürlich einen Satz nach vorne, zog sich jedoch beinahe im selben Moment schmerzhaft zusammen. Dieses Gold, das saftige Frühlingsgrün und dieser Junge - tausend Erinnerungen fluteten meinen Kopf und ließen mich meine Hände zu Fäusten schließen. Von jetzt auf gleich waren die lodernden Flammen der Wut verflogen und hinterließen nichts als Schutt und Asche. Was hatte ich mir auch nur dabei gedacht? Niemals würde ich mit diesem Jungen wieder etwas anderes als Trauer und Schmerz empfinden.

Für einen kurzen Moment überlegte ich tatsächlich wieder umzukehren, aber die schwachen Sonnenstrahlen, die es dennoch schafften sich durch den leichten Bodennebel zu kämpfen und sich darin in tausend Teile brachen, ließen mich unsicher einen Schritt auf den Mann auf der Bank zutreten. Vielleicht lag es daran, dass sie so waren wie ich - sie strahlen mit einem Mal, weil die Wolkendecke über ihnen durch den Wind aufgebrochen wurde und trotzdem brechen sie in dem feuchten Dunst.

Das Einzige was ich mich jedoch fragte war wie Taehyung es geschaffte hatte, gleichzeitig der Wind und der Nebel zu sein.

Stumm näherte ich mich dem Schwarzhaarigen, biss mir dabei kräftig auf die Unterlippe, um meine Tränen zu unterdrücken. Meinen Kopf wandte ich von ihm ab und starrte ebenfalls hinaus in die endlose Weite, da ich dem Anblick Taehyungs nicht länger standhalten konnte. Mit jedem Schritt wurde der Schmerz in meiner Brust größer und meine Organe fühlten sich an, als würden sie sich in mir umdrehen. Mein Mund wurde mehr als trocken und der Kloß in meinem Hals würde es wohl unmöglich machen, dem Lockenschopf eine Abreibung zu verpassen.

Aber was redete ich denn da - niemals würde ich es übers Herz bringen Taehyung zu konfrontieren oder gar anzuschreien. Nicht mehr.

Es hätte auch sowieso keinen Sinn.

Flüchtig ließ ich meinen Blick noch ein letztes Mal zu dem Jungen schweifen. Eine Gänsehaut legte sich über meinen Körper und in meinem Bauch begann es für eine Sekunde kräftig zu kribbeln.

Kacke verdammte!

Hastig wandte ich meinen Blick ab und wischte mir schnell die einzelne Träne aus meinem Augenwinkel.

Ich denke... vielleicht liebe ich diesen Jungen tatsächlich.

Dieses Arschloch.

Das war der Grund, weshalb ich zu diesem Ort geradelt bin. Nicht Jimin, nicht meine Wut - einzig und allein Taehyung und meine Gefühle ihm gegenüber.

Schwer Seufzend überbrückte ich die letzten Meter und ließ mich schließlich gleich neben ihm auf die Bank sinken, wobei ich meine Augen verzweifelt zusammenkniff und meine Arme schützend vor meiner Brust verschränkte. Plötzlich spürte ich die Anwesenheit des Dunkelhaarigen so viel stärker und trotz, dass ich ihn nicht sah, kribbelte es unter meiner Haut. Ich wollte schon anfangen mich zu kratzen, um dieses unangenehme Gefühl zu vertreiben. Doch dann kam mir der Gedanke, dass ich doch viel lieber von Taehyung in den Arm genommen werden würde. Ich wünschte mir so sehr, dass er über meine dünne Haut streicheln und mich an sich ziehen würde, in seine schützenden Arme.

Aber so würde es nicht sein.

Er hatte mich verletzt und belogen. Und das würde ich ihm nie verzeihen; so hatte ich es mir vorgenommen.

Deshalb saßen wir beide noch eine ganze Weile stillschweigend auf der einsamen Parkbank. Allmählich verschwand die Sonne hinter dem Horizont und hinterließ nichts weiter, als einen lila Schimmer in der Ferne. Die Luft kühlte sich Stück für Stück weiter ab und beruhigte mein aufgewühltes Inneres.

Ich wusste nicht genau, warum ich nicht schon längst wieder verschwunden war oder warum Taehyung nichts sagte, aber komischerweise hinterfragte ich es auch nicht. Viel mehr genoss ich diese distanzierte Nähe zu dem Älteren. Sie beruhigte mich und in diesem Moment vergaß ich sogar die Schmerzen. Es war schön - es war einfach schön neben ihm zu sitzen und die atemberaubende Aussicht zu betrachten.

Vielleicht sollte besser niemand von uns reden. Vielleicht sollten wir es dabei belassen und uns immer mal wieder hier treffen, an diesem besonderen Ort und nichts weiter tun, als zu schweigen. Vielleicht würde mir das schon reichen.

Als ich plötzlich jedoch ein Räuspern neben mir vernehmen konnte, stieg sogleich wieder die Angst in mir hoch. Schleichend kroch sie in jeden Winkel meines Körpers und brachte die Trauer gleich mit.

Ich wollte nicht, dass er schon ging. Er sollte bei mir bleiben. Ich wollte ihn nicht gehen lassen und ich wollte ihn nicht verlieren - niemals.

Aber wer würde mich schon mögen können? Mich, den eiskalten Jungkook, der von nichts eine Ahnung hat, wie ein Frischling durchs Leben zieht und Fehler über Fehler macht. Wer würde mich schon gern haben... und wenn der einzige Mensch, der mich jemals verstanden und es geschafft hatte mich zu öffnen, auch einen anderen an seiner Seite haben will, was bleibt mir dann noch?

Bei dem Gedanken verkrampften sich meine Muskeln und erneut wurde es feucht in meinen Augen. Allerdings konnte ich wenig später die warme und so samtene Stimme meines Nebenmannes hören, die ein Kribbeln über meinen Nacken sandte.

"Hast du jemals gedacht, dass die Welt ein hässlicher Ort ist, Jungkook?"

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Diese Story nähert sich dem Endeeeee ~
Hoffe, dass es euch gefällt 💜

Forever blessed {VKOOK}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt