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Für einen flüchtigen Moment herrschte Stille zwischen uns. Taehyungs Frage echote in meinen Gedanken, während ich meinen Blick in die Ferne gerichtet hielt und mir von den seichten Sonnenstrahlen meine Haut erwärmen ließ. Etwas nervös begann ich meine Hände in meinem Schoß zu kneten und mir auf der Unterlippe herumzukauen. Unsicherheit packte mich und gab der Aussicht vor mir plötzlich ein so anderes Bild. Mit der Frage in meinem Hinterkopf sah ich aufeinmal nicht mehr die in ein rot-oranges Licht getauchte Stadt, die kleinen bunten Dächer und die imposante Skyline, welche in dem Häusermeer schon beinahe unwirklich wirkte.

Alles was ich sah, war der Rauch, der aus den Schornsteinen der Fabriken qualmte, die hell erleuchteten Werbeplakate, Autos, die in einem rasenden Tempo durch die vollen Straßen jagten und wie die weißen Kirschblüten sich wie Asche über die hektische Stadt legten. Plötzlich versank alles unter einem grauen Tuch und erinnerte mich an meine Gefühle; an mich selbst und den grauen Schleier, der auch über mir gehangen hatte. Und nun erneut über mir lag mit dem gleichen Chaos in meinem Inneren wie in der Stadt.

"J-ja", mumelte ich schließlich leise und verzog meine Lippen gleich wieder zu einer schmalen Linie.

Ja, diese Welt war hässlich. Das war sie schon immer für mich gewesen - und nur du, Taehyung, hast ihr den grauen Schleier genommen und sie wunderschön gemacht.

Stumm betrachtete ich meine Hände, wartete gespannt darauf, dass der Dunkelhaarige neben mir anfing zu sprechen. Doch auch nach mehreren Minuten passierte nichts weiter, außer dass mir allmählich ganz unwohl wurde und sich all meine Haare zu Berge stellten. Vielleicht würde das hier doch nicht mehr, als ein stummes Beisammensitzen sein. Ein offenes und doch so fest abgeschlossenes Ende.

"I-ich-", presste der Mann mit einem Mal allerdings angespannt hervor, sodass ich tatsächlich meinen Kopf zu ihm herumschwenken ließ. Sofort wanderte ich mit besorgten Augen über die so markanten Gesichtszüge Taehyungs, konnte genau erkennen, dass er seine Lippen ebenfalls unbehaglich anknabberte und immer wieder kurz seine Augen zusammenkniff. Wie von selbst rückte ich ein Stück näher an ihn heran und zog bereits meine Hand hervor, um sie ihm aufmunternd auf die Schulter zu legen. Doch kurz bevor ich ihn berührte, zog ich scharf die Luft ein, riss die Hand hastig wieder zurück und vergrub sie erneut in meinem Schoß.

Ein Seufzen verließ die Lippen meines Nebenmannes, denn er schien wohl bemerkt zu haben, dass ich vor ihm zurückwich und den Körperkontakt zu ihm mied. "I-ich", begann er deshalb ein zweites Mal zu sprechen und schluckte schwer, "i-ich möchte dir... e-etwas erzählen." Seine tiefe Stimme hallte brüchig durch die feuchte Luft an mein Ohr und jagte einen Schauer über meinen Nacken.

Aufmerksam hafteten meine Augen an dem Jungen, der sich sichtlich verspannte und ängstlich auf der Bank zusammenkauerte. Eigentlich hätte ich unglaublich wütend auf ihn sein sollen, doch so wie er jetzt vor mir saß, konnte ich nicht länger wütend auf ihn sein. Taehyung schien beinahe wie Glas zu zersplittern und in sich zusammenzufallen und so kannte ich ihn nicht. Vorsichtig drehte ich meinen Körper etwas mehr zu ihm, sodass sich unsere Knie leicht streiften.

Sofort linste der Lockenschopf unsicher zu mir herauf, Angst und Trauer in seinem Blick.

"Ich werde dir zuhören", flüsterte ich ihm entgegen und zwang mir ein schmales Lächeln auf. Ihn jetzt anzuschreien oder abzuweisen, wäre einfach unmenschlich gewesen - und das war ich nicht mehr.

Kurz schien Taehyung ein weiteres Mal mit sich zu ringen, doch schließlich nahm er einen tiefen Atemzug und richtete seinen schmerzvollen Blick in die Weite. "Ich... ich war i-immer allein, Jungkook", mit zitternden Händen umgriff er seine Oberarme und kauerte sich mehr auf der schmalen Bank zusammen, "es gab niemanden auf der Welt... der... der an meiner Seite war."

Forever blessed {VKOOK}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt