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Jungkook

"I-ich habe k-keine Angst vor d-dir", stotterte ich dem Kerl wie so ein völliger Idiot entgegen. Jetzt würde er mir doch niemals abkaufen, dass ich keine Angst hatte. Aber es stimmte ja auch nicht. Ich hatte schon etwas Angst, naja zumindest Respekt, denn dieser Typ wirkte im Stehen und aus der Nähe betrachtet doch ziemlich unheimlich.

Keine Sekunde später ertönte auch schon das warme, tiefe Lachen. Der Dunkelhaarige hielt sich kichernd den Bauch und immer wieder echoten seine belustigten Hickser in meinem Ohr. Komischerweise hatte dieses Lachen abermals diese völlig paradoxe Wirkung auf mich. Das Gefühl der Angst verschwand langsam und eine angenehm kribbelnde Welle flutete meinen Körper. Eins musste man dem Typen lassen: Er schaffte es doch tatsächlich irgendetwas in mir zu bewegen, auch wenn ich das alles so überhaupt gar nicht wollte. Womit wir wieder beim Thema wären.

"Halt dein Maul, du Penner", motzte ich ihn an, neuen Mut gefasst, "hör auf mich auszulachen!" Allmählich fing die Wut an, sich wieder in mir aufzutürmen und ich schloss meine Hände zu Fäusten. Plötzlich verstummte der Kerl und zeitgleich wanderte ein durchaus überraschter Ausdruck in seine Miene.

"Hör auf dich über mich lustig zu machen oder dir so etwas rauszunehmen wie beim letzten Mal", forderte ich ziemlich verärgert. Aufeinmal drehte sich dieser Typ auf dem Absatz um und schlurfte zurück zu seinem Campingstuhl. Während er sich seinen Weg bahnte, fielen seine Schultern immer weiter herab und auch sein Kopf wanderte etwas gen Boden. Was hatte er denn jetzt? Konnte er mir nicht mal antworten, dieser Depp?!

Vielleicht besaß er ja Erinnerungslücken, von dem Zeug, was er sich reinballert oder ist einfach ein Psycho. Dennoch überlegte ich nicht lange und trat näher auf ihn zu. Ich wollte meine Antwort und ich würde sie auch bekommen, koste es was es wolle. Denn ich hatte wirklich keinen Nerv dafür, mich weiterhin mit seiner dummen Aussage zu beschäftigen und mir darüber den Kopf zu zerbrechen, was er wohl damit gemeint hatte.

Stumm beobachtete ich den Fremden dabei, wie er sich zurück in seinen Stuhl fallen ließ, die Decke über sich warf und hoch bis an sein Kinn zog. Daraufhin ließ er seine dunkelbraunen Augen zu mir hochwandern und musterte mich still. Gerade wollte ich erneut zum Reden ansetzten, als mich plötzlich ein weiterer warmer Schauer durchfuhr. Gebannt starrte ich in seine leuchtenden Augen. Sie strahlten so viel Wärme und Liebe aus. Sie funkelten mir entgegen und beinahe hätte ich mich vollkommen in ihnen verloren, denn sie waren wirklich außergewöhnlich glänzend.

Doch dann riss mich der Dunkelhaarige ein weiteres Mal aus meiner Starre: "Komm, setz dich kurz neben mich."

Ungläubig hob ich eine Augenbraue und wäre fast in schallendes Gelächter ausgebrochen. "Warum sollte ich das tun?", spuckte ich ihm entgegen, obwohl ich mir eingestehen musste, dass mein Zorn bereits stark gesunken war. "Frag doch nicht so viel", entgegnete er sanft, "tu es doch einfach. Was hält dich davon ab, dich für einen winzigen Moment neben mich zu setzen?" Er fixierte mich mit seinen großen Augen und sein sanftes Lächeln zierte seine rosigen Lippen.

Eigentlich hatte er ja recht. Was hinderte mich daran, mich einfach kurz neben ihn zu setzen? Es wäre ja nur für eine Sekunde und vielleicht würde ich dann endlich eine Antwort auf meine Frage bekommen. Außerdem, wenn ich genügend Abstand einhielt, würde ich mich auch nicht gleich mit irgendwelchen Krankheiten anstecken oder mir was lausiges einfangen.

Für einen kurzen Moment zögerte ich noch, schloss dann jedoch die paar Meter zu ihm auf und ließ mich mit genügend Abstand im Schneidersitz auf das kalte, graue Pflaster des Bürgersteigs fallen. Einige Minuten sagte keiner von uns beiden etwas und um uns herum hörte man nur die Vögel ihr Nachtlied zwitschern. Die frische Brise umgab meine Nase und der Duft der sprossenden Blumen und Bäume lag in der Luft. Eine beruhigende Stimmung legte sich über mich und mittlerweile war die Wut komplett aus meinem Körper gewichen.

Schließlich holte ich einmal tief Luft und flutete damit meine Lungen, sodass ich zum Reden ansetzen konnte. Doch gerade als mir das erste Wort über die Lippen kommen wollte, wurde ich von dem Typen neben mir unterbrochen. "Hast du schon einmal so etwas Schönes gesehen?", drang seine Frage an mein Ohr. Nicht verstehend drehte ich meinen Kopf zu dem Dunkelhaarigen herüber, nur um zu sehen, dass er seinen Blick gen Himmel gerichtet hatte.

Zunächst wartete ich darauf, dass er sich mir zuwenden würde, doch anscheinend dachte er gar nicht daran normal mit mir zu sprechen, denn seine Augen lagen immer noch auf dem Himmelszelt. Überlegend drehte ich meinen Kopf wieder zurück und zögerte für einen Moment, bevor auch ich meinen Blick in den Himmel richtete.

Wow. Kurz stockte mir der Atem und mein Herz begann euphorisch zu pochen. Noch nie hatte ich so etwas Schönes gesehen, geschweige denn mich überhaupt mit dem Nachthimmel beschäftigt. Er war einfach immer irgendwie da gewesen und meistens sowieso nicht wirklich sichtbar wegen all der Lichter in der Nähe der Innenstadt. Doch hier, etwas weiter abseits in dem ruhigen Wohngebiet, funkelten mir abertausende Sterne entgegen. Beinahe hätte ich die Frage meines Nebenmannes vollkommen vergessen, doch dann huschte mir ein atemloses "Nein" über die Lippen. So etwas hatte ich wirklich noch nie gesehen. Es hatte mich aber auch noch nie wirklich interessiert. Mir war immer egal gewesen, dass wir von einer endlos weiten Galaxie umgeben wurden. Es war mir auch jetzt noch egal, aber dieser Anblick hatte wirklich etwas atemberaubendes an sich, das musste man zugeben.

"Siehst du wie sie funkeln?", hakte er nach und ich nickte stumm bis mir einfiel, dass er das ja überhaupt gar nicht sehen konnte, wenn er immerzu in den Himmel starrte. "Ja", fügte ich deshalb knapp hinzu. "Deshalb meinte ich, dass du leblos aussiehst", kam es ihm dann plötzlich über die Lippen und meine Kinnlade klappte etwas auf. Augenblicklich wandte ich meinen Kopf vom Himmelszelt ab und dem Kerl neben mir zu.

"Das verstehe ich nicht", meine Stimme glich mehr einem Flüstern, viel zu überrascht war ich davon, dass er doch tatsächlich versuchte mir Rede und Antwort zu stehen. Einige Sekunden herrschte erneut die Stille zwischen uns, doch dann ließ auch er seinen Blick herunterfallen und fixierte mich mit seinen braunen Augen. "Deine Augen... sie sehen so leblos aus", begann er zu sprechen. "Ich suche immer das gewisse Funkeln in den Augen der Menschen. Das Funkeln, welches mir zeigt, dass sie frei sind und dass sie lebensfroh sind. Aber bei dir, da habe ich das vermisst." Er hielt für einen Moment inne.

"Das Funkeln der Sterne", sprach er weiter, "in deinen Augen existiert es nicht. Und das hat mich traurig gemacht."

Forever blessed {VKOOK}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt