🎨Epilog🎨

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- 3 Monate später -

Ein letztes Mal nahm ich einen tiefen Atemzug, konzentrierte mich auf meinen Herzschlag und versuchte diesen wieder zu beruhigen. Dann öffnete ich meine flackernden Lider und ließ meinen Blick über die hundert Köpfe und vielen bekannten Gesichter schweifen, nur um schließlich an einem ganz bestimmten hängen zu bleiben. Inmitten der fünften Reihe, umgeben von meinen Eltern und Jimin saß er - wunderschön, mit seinen schwarzen Locken, die ihm in die Stirn fielen, seiner schlanken Statur, der honigfarbenen Haut und dem glückseligen Lächeln, das seine vollen Lippen zierte. Sofort wurde ich von seinen Sternenaugen in den Bann gezogen und konnte spüren, wie sich die Aufregung in meinem Körper legte und sich der Knoten in meiner Kehle löste.

Kurz räusperte ich mich, während alle Augen erwartungsvoll auf mir lagen, bevor ich zitternd das gefaltete Blatt auf dem Rednerpult ausbreitete und meine Augen daraufsinken ließ.

"Vor einiger Zeit durfte ich bei Mr. Choi, meinem Mathelehrer nachsitzen", ein Raunen schallte durch den prall gefüllten Raum, was mich kurz amüsiert aufglucksen ließ. "Naja, was soll ich sagen... ich war eben nicht immer dieser vorbildliche Junge, der hier oben vor ihnen und euch allen steht und dem auf Grund seiner herausragenden Abschlussprüfungen die Aufgabe obliegt, eine Rede zu schwingen, die Mütter zum Weinen, Väter zum Stirnrunzeln und Schüler zum Lachen bringen soll." Das erste heitere Glucksen der Anwesenden drang an meine Ohren, sodass ich in meinem Vorhaben bestärkt die Augen weiter über die fein säuberlich geschriebenen Zeilen schweben ließ.

"Ich denke, die Details warum ich also damals vor Mr. Choi sitzen durfte, mit einem leeren Blatt Papier vor mir auf dem Tisch, erspare ich uns lieber... zu meinem Vorteil natürlich, schließlich möchte doch niemand seinen guten Ruf freiwillig an den Nägel hängen, nicht wahr?" Das Lachen in dem Saal beflügelte mich weiter und kurz linste ich zu Taehyung herüber, der mir aufmunternd zunickte.

"An diesem Tag hatte Mr. Choi uns - ja meine Freunde wurden auch nicht von ihm verschont - eine Aufgabe gegeben, von der ich damals sicher war, dass ich sie in kürzester Zeit meistern würde. Jedoch stellte sich damals ganz schnell heraus, dass ich der Einzige sein würde, dem diese eine, winzige Aufgabe riesiges Kopfzerbrechen bereiten würde.

Wir drei sollten einen Aufsatz darüber schreiben, was für uns Glück bedeutet. Meinen beiden Freunden machte diese Aufgabe überhaupt keine Probleme - wenn man die künstlerische Note außenvor ließe, denn ihre Worte waren gelinde gesagt wirklich stumpf - aber es waren trotzdem wahre Worte, die ihnen sehr viel bedeuteten." Hastig hob ich meinen Kopf und fixierte Yoongi und Hoseok in der vierten Reihe, schräg vor meiner Familie und schenkte ihnen ein liebevolles Lächeln. Im Nachhinein betrachtet, hatte ich anscheinend wirklich Tomaten auf den Augen und Bohnen in den Ohren gehabt, da ich nicht schon damals erkannt hatte, wie nah sie sich eigentlich standen.

"Mein Aufsatz hingegen war eher... warten Sie, ich zitiere da einfach mal meinen Lehrer 'absoluter Mist'. Denn ohne es so wirklich zu bemerken, hatte ich ihm einen Wikipedia-Eintrag auf das Papier geschrieben. Genauso wie ich ihm auch einen Lexikon-Eintrag als Antwort auf die Frage, was es für mich bedeutet gesegnet zu sein, an den Kopf warf. Ja, in dieser Zeit war ich wohl nicht viel mehr als ein wandelndes Lexikon gewesen, ein altes staubiges Buch mit sachlichen Einträgen, ohne jegliche Gefühle und Emotionen. Schlichtweg war ich einfach nicht zu solchen fähig gewesen - mir war alles egal."

Kurz musste ich innehalten und einen zittrigen Atemzug nehmen, bei den Erinnerungen, die sich vor meinem Inneren Auge auftaten. Doch schnell suchte mein Blick wieder die Augen einer ganz bestimmten Person und als ich auf die funkelnde Galaxie traf, beruhigte sich mein aufgewühltes Ich gleich wieder.

"Aber was interessiert euch schon meine lahme Vergangenheit, dafür bin ich nicht hier", fuhr ich in meiner Rede fort. "Viel mehr habe ich diesen Aufsatz, der damals wirklich eine Strafarbeit für mich war, vor ein paar Tagen noch einnmal geschrieben und möchte ihn heute Vortragen. Also macht es euch bequem, haltet die Taschentücher bereit und versucht bitte nicht einzuschlafen, das wäre wirklich sehr nett." Ich spürte die Blicke aller auf mir, ihre Augenpaare, die mich durchbohrten und gebannt an meinen Lippen hingen, doch das aufgeregte Kribbeln in meinem Bauch, wich nun einem motivierten Gefühl, weshalb ich gleich weitersprach.

„Was bedeutet für mich Glück? Was bedeutet es für mich, gesegnet zu sein?

Zwei Dinge, über die ich nie wirklich nachgedacht hatte. Glück - für mich existierte so etwas schlichtweg nicht. Ich hatte nie daran geglaubt, bis zu diesem einen bestimmten Tag, als plötzlich eine Person in mein Leben trat, die ich am Anfang gar nicht in meinem - meiner Meinung nach sehr erfüllenden Leben - haben wollte. Zugebenermaßen hatte ich es auch oft genug versucht, diese Person wieder loszuwerden, doch es stellte sich schnell heraus, dass sie hartnäckig blieb und tja, mein Körper reagierte plötzlich auch ziemlich anders, als ein wandelndes Lexikon. Als dieser Mensch in mein Leben trat, stellte sich alles auf den Kopf. Ich lernte plötzlich, was es wirklich bedeutet glücklich zu sein; was es hieß ehrlich zu lachen, Ärger zu empfinden, dieses eklige Gefühl names Eifersucht am eigenen Körper zu erleben oder auch bitterlich zu weinen. Ich begann mich lebendig zu fühlen und das nur, weil ich jemandem begegnet war, der mir zeigte, welch Schönheit doch in den kleinsten Dingen liegen konnte. Ich möchte damit ganz bestimmt nicht sagen, dass das Glück eines jeden sich auf eine Person bezieht und ich würde mit euch wetten, dass dieser Mensch, von dem ich hier rede, diesen Aufsatz über Surrealismus, Acrylfarben oder irgendetwas anderes, was mit Kunst zutun hatte, schreiben würde. Was ich viel mehr damit meine ist, dass jeder von euch seinen eigenen Weg zum Glück finden wird, davon bin ich überzeugt.

Und dafür sollten wir zunächst einmal erkennen, wie gesegnet wir mit dem Leben sind. Mir war das Leben ziemlich egal und es hat wirklich eine ganze Weile gedauert, um meine Lebensfreude zurück in meine Augen zu bringen. Aber meine besondere Person hat schon immer die wunderschönsten Details in den Dingen gesehen, die für mich ziemlich unspektakulär waren. Für mich existierten sie einfach; nicht mehr und nicht weniger. Genauso wie ich, ich existierte auch einfach, aber er hat all das in mir gesehen, das ich niemals fähig war, in mir zu sehen. Seht euch um, schaut in die Augen der Menschen neben euch und sagt mir, ob sie funkeln. Wenn ja, dann bemüht euch darum dieses Funkeln in ihren Augen zu wahren... wenn nein, dann übertragt euer Funkeln in ihre Augen. Zeigt ihnen wie gut das Leben ist, wenn man viel lacht, groß träumt und erkennt wie gesegnet man damit ist.

Es wird immer Höhen und Tiefen geben. Es wird Zeiten geben, in denen ihr euch vom Glück verlassen fühlt und dem Leben müde werdet. Und in diesen Momenten wünsche ich euch, dass ihr in den Spiegel schaut und die Sterne in euren Augen wiederfindet. Lebt eure Realität, drückt eure Liebe aus, so oft es geht. Teilt euren Enthusiasmus für Dinge, die euch begeistern, nehmt das Verfolgen eurer Träume in Angriff! Sprecht eure Gefühle aus, wann immer euch danach ist und tanzt und singt zu längst vergessener Musik - wenn ihr über euren eigenen Tellerrand schaut, dann seht ihr wie riesig die Welt ist und welch Glück sie für euch bereithält.

Von ganzem Herzen wünsche ich euch, dass ihr euer Glück in dieser Welt findet, dass ihr erkennt wie gesegnet ihr seid und wie wundervoll ein jeder von euch ist. Und auch wenn ich genau weiß, dass euch das Glück vielleicht nicht so begegnen wird, wie es mir begegnet ist, weiß ich genau, dass es euch irgendwann begegnen wird, ganz unverhofft. Genauso wie mir Taehyung begegnet ist-"

Atemlos und mit feuchten Augen hob ich meinen Kopf an und versank gänzlich in den funkelnden Seelenspiegeln meines Freundes, die für mich wahrhaftig alles Glück der Welt bereithielten. "Und damit zieht hinaus in die Welt, nehmt euer Leben in die Hand und malt euch eure Zukunft in strahlendbunten Farben!"

Nachdem ich die Worte mit einem letzten Atemzug ausgestoßen hatte, kehrte Stille in die Aula ein, doch plötzlich ertönte das erste anerkennende Klatschen und innerhalb kürzester Zeit schwoll das Klatschen zu einem tosenden Applaus und lauten Jubelschreien an. Doch das Lächeln auf meinen Lippen war kein Zeichen des donnernden Beifalls, der mein Herz mit Stolz füllte, sondern ein Abbild des Lächelns,  das mir die Person in der fünften Reihe schenkte, während seine Wangen von einem rosa Schimmer geziert wurden und einige salzige Perlen diese herabkullerten. Noch nie war das Funkeln in seinen Seelenspiegeln so stark gewesen und in diesem Moment wurde mir klar, dass ich mich vielleicht getäuscht hatte, sodass sich vollkommen überwältigt auch eine Träne aus meinem Augenwinkel löste.

Denn vielleicht würde er seinen Aufsatz doch über mich schreiben.

Forever blessed {VKOOK}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt