Mehrere Tage vergingen und Bonnie und die Hochzeitsvorbereitungen für Laura lenkten mich gut von meinen unglaublich vielen wirren Gedanken ab. Glücklich stellte ich fest, dass meine Verletzung bereits heilte und auch Physio und Mannschaftsärztin waren zufrieden mit der Entwicklung. Gerade scrollte ich lächelnd durch die Bilder auf meinem Handy, die ich mir aus dem Internet runtergeladen hatte und die verschiedene Tischdekorationen zeigten, denn an dieser Stelle hatte Laura absolut keine Ideen und da sie heute zu einem wichtigen Meeting musste, saß ich mit Lennard und Bonnie auf meinem Balkon und genoss die angenehm warme Spätsommersonne, die mir ins Gesicht schien. Mein Blick fiel auf meinen Neffen, der glucksend mit meiner Hündin spielte und musste grinsen. Unglaublich, wie groß er bereits war und wie rasend schnell die Zeit verging. Wehmütig dachte ich daran zurück, wie oft ich gemeinsam mit Julian auf den Kleinen aufgepasst hatte und wie ich mir dann immer vorgestellt hatte, eigene Kinder mit ihm zu haben. Dass ich so gedacht hatte, war mir aber erst seit kurzem klar, denn damals hatte ich noch viel zu sehr an Johanna gehangen. Ich wusste, dass Laura das immer kritisch im Blick behalten hatte, weil sie es erschreckend fand, wie sehr ich auf ein Baby fokussiert war, von dem ich erst erfahren hatte, als es bereits gestorben war. Seufzend schüttelte ich den Kopf, um diese Gedanken an die Vergangenheit loszulassen, als es an der Haustür klingelte. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass das vermutlich schon meine beste Freundin war, die ihren Sohn abholen wollte und stand auf, um neben der Tür die Freisprechanlage zu betätigen. Es war tatsächlich Laura und ich drückte auf den Summer, damit sie unten durch die Haustür konnte. Kurze Zeit später klopfte es dann bereits an meiner Wohnungstür und ich öffnete. "Hey, du bist früh dran. Wie lief das Meeting?" "Überraschend gut. Ich hab eigentlich erwartet, dass es eine Menge Gezeter wegen der Finanzierung gibt, aber dem war nicht so. Wie war Lenni denn drauf?" Lächelnd führte ich sie zum Balkon. "Er war ein Engel. Wir haben zuerst sein neues Bilderbuch bearbeitet, dann waren wir eine kleine Runde mit Bonnie spazieren und anschließend haben wir uns auf dem Balkon gesonnt. Ich hab übrigens ein paar Möglichkeiten für eure Tischdeko im Internet gefunden. Magst du dir die direkt mal anschauen?"
Wir verbrachten noch gute zwei Stunden gemeinsam draußen, bevor Laura mit Lennard nach Hause ging. Anschließend räumte ich ein wenig auf und als ich es mir gerade auf dem Sofa bequem machen wollte, um einen Film zu schauen, klingelte mein Handy. Ich hob ab. "Bender?" "Hi Emmi, hier ist Sophia. Hast du heute Abend schon was vor?" "Nein, wieso fragst du?" "Wollen wir uns vielleicht zum Abendessen treffen? In einer halben Stunde im Toscana?" Bei ihren Worten begann mein Magen zu Knurren und mir lief das Wasser im Mund zusammen. "Das klingt fantastisch, ich bin dabei." "Super, dann bis später", entgegnete sie fröhlich und legte auf. Ihre Euphorie ließ mich verwirrt die Augenbrauen zusammenziehen, aber ich dachte mir nichts dabei und war dankbar, dass ich vorhin schon geduscht hatte. Jetzt flocht ich einfach die obere Partie meiner Haare, ließ dem unteren Rest freien Lauf und schlüpfte in einen kurzen, dunkelblauen Jumpsuit. An meine Füße wanderten meine roséfarbenen Sneaker, dann trug ich ein wenig Wimperntusche und Lippenstift auf und schnappte mir eine kleine Tasche für meinen Krimskrams. Mit einem Küsschen und einer kleinen Ohren-kraul-Einheit verabschiedete ich mich schweren Herzens von Bonnie, dann lief ich los zum Toscana. Da Sophia eine chronische Reserviererin war und niemals irgendwohin ging, ohne vorher anzurufen und sich einen Platz zu sichern, lief ich direkt zu einer Kellnerin und fragte, welcher Tisch auf den Namen Weber reserviert war. "Moment, ich sehe kurz in der Liste nach." Mit diesen Worten griff sie nach einem Klemmbrett mit Zettel darauf und nickte wenige Sekunden später lächelnd. "Da haben wir's ja, Weber und Havertz. Folgen Sie mir bitte." Ich war überrascht, dass Sophia mir am Telefon nichts davon gesagt hatte, dass Kai auch dabei sein würde, aber das war ja kein Problem, denn ich verstand mich gut mit dem dunklen Lockenkopf. Am Tisch angekommen bestellte ich mir schon mal etwas zu trinken und wartete. Man brachte mir in genau dem Moment meine Johannisbeerschorle, als ein mir bekannter Blondschopf das Restaurant betrat. Er sprach dieselbe Kellnerin an, wie ich es eben getan hatte und mir fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als sie direkt auf mich zusteuerten. Als Julian mich entdeckte, schien er ebenfalls sehr überrascht zu sein und tatsächlich blieb die Kellnerin in diesem Moment genau vor mir stehen. "So, bitteschön. Was möchten Sie denn trinken?" "Ein alkoholfreies Weizen bitte." "Sehr gerne." Mit diesen Worten ließ die Bedienung uns zu zweit zurück und ich räusperte mich verlegen. "Hat Kai dich eingeladen?", erkundigte ich mich schließlich und Julian nickte. "Dann hat Sophia wahrscheinlich dich eingeladen", schlussfolgerte er und erhielt von mir ebenfalls ein Nicken. Ich wollte gerade etwas sagen, als mein Handy vernehmlich vibrierte. Es war Sophia, die mich da anrief und ich hob mit hochgezogener Augenbraue ab. "Hey, stehst du im Stau?", erkundigte ich mich ironisch, weil ich mir eigentlich ziemlich sicher war, dass sie und Kai das geplant hatten. "Nein, ich bin noch zu Hause. Kai geht's nicht gut und da will ich ihn ungern alleine lassen." Ich beschloss, meine Theorie zu testen. "Das versteh ich natürlich. Ist auch kein Ding, ich steh noch draußen, hab zu lange unter der Dusche gebraucht." Wie erwartet, schluckte Sophia meinen Köder. "Ach, geh doch ruhig rein. Du liebst doch das Essen im Toscana. Und außerdem-" Sie stockte und ich schnaubte abschätzig. "Außerdem haben Kai und du eingefädelt, dass Julian und ich uns hier treffen werden. Ganz ehrlich Sophia, gib es einfach zu statt mir vorzulügen, dass es deinem Freund schlecht geht." Für einen kurzen Moment herrschte Schwiegen, dann hörte ich Sophia seufzen. "Tut mir Leid, aber bei meinem Geburtstag hat man so deutlich gemerkt, dass da noch was zwischen euch ist und wenn ich höre, wie ihr beide voneinander sprecht, merke ich jedes Mal, wie viel ihr euch noch bedeutet. Gib ihm doch noch eine Chance, Emmi." Jetzt wurde ich wütend. "Willst du mich verarschen? Du hast keine Ahnung, was wirklich alles zwischen Julian und mir vorgefallen ist, aber du hast nichts besseres zu tun, als meine Wunden jedes Mal wieder aufzureißen, wenn ich glaube, sie seien geheilt." "Es tut mir Leid Emmi." "Spar dir deine Entschuldigen", zischte ich, bevor ich auflegte und genervt mein Handy einsteckte. Julian verstaute sein Handy im selben Moment ebenfalls in seiner Hosentasche und sah mich unschlüssig an. "Kai hat gerade abgesagt. Angeblich fühlt er sich nicht gut." "Diese idiotische Idee kommt bestimmt von Sophia", murmelte ich entnervt und Julian nickt schwach, bevor er mich fragend ansah. "Was machen wir jetzt?" Ich zuckte die Schultern. "Bei unserem Glück, hat uns sowieso schon jemand erkannt und ein Foto gemacht, das morgen durch die Medien geht. Also können wir genauso gut noch austrinken, bevor wir uns auf die Socken machen." "Wir könnten auch vergessen, weshalb wir hier sind und einfach die Zeit zu zweit und das leckere Essen genießen. Im Toscana gibt es einfach die-" "Beste Pizza Calzone der Welt. Ich weiß", vervollständigte ich seinen Satz und musste schmunzeln. Wir waren zu Beginn unserer Beziehung häufig hier gewesen, aber je schlechter es zwischen uns lief, umso weniger gingen wir noch irgendwohin, um chic essen zu gehen. Eigentlich fühlte ich mich unwohl bei dem Gedanken, noch länger als nötig mit Julian hier zu sitzen, aber schließlich gab ich mir einen Ruck und nickte. "Also gut, dann lassen wir uns mal die Speisekarten bringen."
Mit diesem kleinen Cliffhanger endet die Lesenacht. Vielen Dank an alle, die dabei waren😊
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Plötzlich zwei Leben?
FanfictionDritter Teil der "Plötzlich zwei...?"-Trilogie Vier Monate sind vergangen seit Emily und Julian sich getrennt haben. 16 Wochen, in denen beide auf ihre eigene Art versucht haben, mit der neuen Situation leben zu lernen. 112 Tage, die gereicht haben...