Ich erwachte mit pochenden Kopfschmerzen und blinzelte in helles Sonnenlicht, das den Raum durchflutete. Mit verzogenem Gesicht sah ich zur Seite und entdeckte einen dunklen Haarschopf, der zu einem friedlich aussehenden Gesicht gehörte, welches halb durch das Kissen verdeckt wurde, in das er seine Nase drückte. Ich verkniff mir ein schmerzverzerrtes Stöhnen und schälte mich vorsichtig aus der Decke, um den Mann nicht zu wecken. Wie hieß er nochmal? Mark? Mike? Max! Ja genau, Max. Meinen aufkommenden Schwindel ignorierend, schlüpfte ich eilig in meine Klamotten und Schuhe und dankte Gott im Stillen dafür, dass meine Bettbekanntschaft nicht aufwachte. Zum Glück fand ich auch meine Tasche schnell und stellte erleichtert fest, dass noch alles drin war, dann verließ ich eilig den Raum. Es gab nur eine einzige Tür und sobald ich sie geöffnet hatte und einen leeren, langen Flur betrat, wurde mir klar, dass ich in einem Hotel war. Hatte Max nicht behauptet, wir würden zu ihm nach Hause fahren? Und wieso war mir heute Nacht nicht aufgefallen, dass wir in einem Hotel waren? Bei den vielen Fragen wurde meine Kopfschmerzen sofort stärker und ich beschloss, dass ich mir über all das auch noch Gedanken machen konnte, wenn ich wieder bei mir zu Hause war. Ich machte mich auf die Suche nach dem Fahrstuhl, fuhr ins Erdgeschoss und durchquerte schnellen Schrittes die Lobby. Die Blicke der Rezeptionistin entgingen mir nicht und ich senkte eilig den Kopf, damit meine Haare mein Gesicht verbargen. Vor der Tür standen zum Glück ein paar Taxen und ich stieg ins erstbeste und nannte meine Adresse. Alles andere hätte jetzt keinen Sinn gehabt, denn ich hatte keinen blassen Schimmer, in welchem Teil von Leverkusen ich mich überhaupt befand. Jetzt erst erlaubte ich mir, durchzuatmen und mich im Sitz zurückzulehnen. Während die Welt außerhalb des Taxis langsam bekannter wurde, griff ich nach meinem Handy und stellte fest, dass ich eine ungelesene Nachricht von Finja hatte. Schnell öffnete ich den Chat und stellte fest, dass meine letzte Nachricht an sie nicht von mir geschrieben worden war, sondern offensichtlich von Max.
F (23:37h): Hey, ich kann dich irgendwie nicht mehr finden🤔
E (23:52h): Ich bin nicht mehr im Club, hab einen Typen kennengelernt und fahre mit zu ihm😋
F (00:04): Ah okay, dann viel Spaß😉😏Als Finja mir die letzte Nachricht schrieb, war mein Handy wohl schon irgendwo unter dem Bett gewesen. Seufzend schrieb ich kurz, ob sie und die anderen heute Nacht gut nach Hause gekommen waren, dann stellte ich fest, dass Sven mir ebenfalls geschrieben hatte. Es war ein Link zu einem Online-Artikel und der Kommentar "Was ist los?". Verwirrt klickte ich auf den Link und landete bei einem BILD-Artikel, den zuoberst ein Bild von letzter Nacht zierte. Ich war ziemlich gut zu erkennen, von Max sah man nicht mehr als seinen Hinterkopf, während wir wild herumknutschten. Genervt begann ich den Text darunter zu lesen.
So kennen wir Emily Bender ja gar nicht!
Was ist bloß mit Emily Bender (22, Bayer Leverkusen) los? Im Frühjahr 2019 trennte die hübsche Fußballspielerin sich von ihrem Freund Julian Brandt (23, Borussia Dortmund), danach wurde es still um sie. Zuletzt teilte ihr Verein mit, sie habe sich beim Training verletzt und werde einige Wochen ausfallen. Nach Ausfallen sehen die Bilder der vergangenen Nacht (siehe oben und am Ende des Artikels) allerdings nicht aus, denn die zeigen sie beim wilden Feiern und schließlich mit einem unbekannten jungen Mann, mit dem sie den Club verlässt und in ein Taxi steigt. Ihre Fans sind schockiert, denn so kennen sie ihr bisher fast skandalfreies Idol nicht. Unter ihrem letzten Instagram-Post häufen sich bereits jetzt besorgte Kommentare und auch wir fragen uns: Was ist bloß mit Emily Bender los?Genervt stöhnte ich auf, denn das würde dem Verein sicher nicht gefallen. Eine verletzte Spielerin hatte sich auszuruhen und zu schonen und normalerweise hielt mich auch an sowas, zumal ich nicht allzu oft verletzt war. Aber dieses Mal hatte ich es wohl ordentlich verbockt und das wurde noch deutlicher, als mein Handy zu klingeln begann und ich auf dem Display sah, dass es meine beste Freundin war. Kurz überlegte ich, einfach nicht dranzugehen, aber kneifen wäre sowieso zwecklos gewesen. Also nahm ich den Anruf an. "Laura, hey. Schön, dass du anrufst", flunkerte ich, aber sie durchschaute mich sofort. "Spar dir die falsche Freundlichkeit und erklär mir lieber, was das für Bilder von dir sind, die da durch die Medien flimmern? Ich hab heute morgen einen sehr unschönen Anruf von einem aus dem Vorstand bekommen und es ist dein großes Glück, dass er mich angerufen hat, weil er weiß, dass wir ein gutes Verhältnis zueinander haben. Eigentlich solltest du deinen Anschiss direkt von ganz oben bekommen. Verdammt, was hast du dir dabei gedacht?" Ihre Stimme wurde immer lauter und verstärkte meine Kopfschmerzen, was mich nur noch genervter machte. "Bist du jetzt fertig?", erkundigte ich mich also sarkastisch und hörte meine beste Freundin am anderen Ende der Leitung laut nach Luft schnappen. "Nein, ich bin noch nicht fertig. Was ist los mit dir? So kenne ich dich gar nicht! Ist irgendwas vorgefallen? Ich weiß, dass wir zuletzt abgesehen von den Hochzeitsvorbereitungen nicht besonders viel Kontakt hatten, aber du weißt doch, dass du immer mit mir über alles reden kannst. Oder?" Ich seufzte leise. "Ja, das weiß ich. Sorry, ich weiß auch nicht, was gestern Abend in mich gefahren ist. Ich werde mich öffentlich beim Verein entschuldigen und jede Strafe akzeptieren, die sie mir auferlegen werden. Aber jetzt muss ich erstmal auflegen, ich hab noch was zu tun." Bevor Laura reagieren konnte, hatte ich aufgelegt und begann in meiner Tasche nach Geld zu wühlen, um den Taxifahrer zu bezahlen. Sobald ich das getan hatte, stieg ich aus, leerte im Vorbeigehen meinen Briefkasten und lief hoch in meine Wohnung. Dort erwartete mich ein extrem unangenehmer Geruch, denn Bonnie hatte in die Wohnung gemacht, weil ich zu lange nicht mit ihr Gassi gewesen war. Genervt machte ich alles sauber und gönnte mir anschließend eine eiskalte Dusche. Dann schlüpfte ich in eine Jogginghose und ein T-Shirt und machte mir in der Küche ein Katerfrühstück samt Kopfschmerztablette, während ich meine Post durchsah. Zwischen zwei Rechnungen klemmte ein Zettel, an dessen unterem Rand ich zu meiner Überraschung Logo und Namen des Hotels entdeckte, aus dem ich gerade kam. Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen und las mir den Text durch.
Die letzte Nacht mit dir war wunderschön und ich hoffe, dass wir das bald wiederholen können!
Ich liebe dich <3Ich schluckte. Die Nachricht konnte eigentlich nur von Max sein, aber wie war das möglich? Hatte er sich rausgeschlichen während ich schlief und war hier her gefahren? Aber woher wusste er überhaupt, wo ich wohnte? Und war das nicht die Handschrift von meinem heimlichen Verehrer? Um meinen Verdacht zu überprüfen, holte ich aus der Kiste im Wohnzimmer eine der Karten, die ich in den letzten Wochen erhalten hatte und hielt sie nebeneinander. Tatsächlich, es war dieselbe Schrift! Das konnte nur eines bedeuten: Max hatte geplant, mich heute Nacht mitzunehmen. Aber woher hatte er gewusst, dass ich in genau diesen Club gehen würde? Mein Blick fiel auf mein Handy und mir lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Hatte er vielleicht mein Handy gehackt? So hätte er herausfinden können, wo ich mich befand. Dann hätte er genug Zeit gehabt, um den Zettel in meinen Briefkasten zu werfen und anschließend zum Club zu kommen. Mein Hände begannen zu zittern und ich wurde plötzlich unsicher, ob ich letzte Nacht wirklich nur Alkohol zu mir genommen hatte. Kurzerhand rief ich mir mit dem Handy ein Taxi, zog mir eine Jeans anstelle der Jogginghose an und verließ das Haus. Ich musste nur wenige Minuten warten, dann hielt das Taxi vor mir und ich stieg ein. "Guten Tag, wohin geht's?" "Fahren Sie mich bitte zur Polizei."
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Plötzlich zwei Leben?
FanfictionDritter Teil der "Plötzlich zwei...?"-Trilogie Vier Monate sind vergangen seit Emily und Julian sich getrennt haben. 16 Wochen, in denen beide auf ihre eigene Art versucht haben, mit der neuen Situation leben zu lernen. 112 Tage, die gereicht haben...