Mein Joggen wurde immer langsamer, bis ich nur noch ging. Lara neben mir tat es mir gleich und wir liefen gemeinsam zu Achim, der in der Mitte des Platzes stand und um den sich jetzt das gesamte Team versammelte. Zufrieden sah er in die Runde und nickte. "Das lief sehr gut heute. Natürlich gibt es noch viel zu tun, aber ich denke, dass wir eine gute Grundlage haben, um diese Saisonvorbereitung optimal zu nutzen und dann erfolgreich in die Hinrunde zu starten. Geht jetzt duschen und wir sehen uns morgen zur Videoanalyse wieder!" Die Gruppe löste sich auf und wir schlugen alle den Weg zur Umkleide ein. Lara lief auch dieses Mal neben mir und grinste mich von der Seite an. "Die Bilder aus deinem Urlaub, die du auf Insta gepostet hast, sahen wirklich cool aus. Richtig zum Neidisch werden." Sie lachte kurz und ich fiel mit ein. "Danke, es war auch wirklich großartig. Ich könnte nichtmal sagen, dass irgendwas besonders heraussticht. Jedes Land hatte seine eigenen Highlights und ich kann es kaum erwarten, sowas mal wieder zu machen." Wir quatschten noch ein wenig über Urlaubspläne für die Zukunft, dann erreichten wir die Kabine und sprangen mit als erste unter die Dusche. Ich genoss das erfrischende Wasser auf meiner verschwitzten Haut und lauschte mit geschlossenen Augen dem Stimmengewirr in der Umkleide, das mir das Gefühl gab, dass immer noch alles beim alten war. Der Fußball war mittlerweile eine wichtige Konstante in meinem Leben, die ich nicht missen wollte. Als ich mir jeglichen Schaum vom Körper gewaschen hatte, verließ ich die Dusche und wickelte mich in mein Handtuch ein. In der Kabine schlüpfte ich in frische Socken, Unterwäsche und eine Hotpants, dann streifte ich mir ein lockeres Top über und zog meine Turnschuhe an. Meine Haare trocknete ich ein wenig mit dem Handtuch und beschloss dann, sie an der Luft trocknen zu lassen. Kurz vor Beginn meiner Reise hatte ich mir die Haare wieder kurz schneiden lassen, kürzer als jemals zuvor und mittlerweile hatten sie eine ähnliche Länge wie vor zwei Jahren, als ich nach Leverkusen gezogen war. Schnell verabschiedete ich mich von meinen Mitspielerinnen, dann verließ ich das Trainingsgelände und stieg in mein Auto. Erst als ich den Motor startete fiel mir auf, dass ich Niklas heute nicht getroffen hatte und fragte mich, ob das Zufall gewesen war oder ob er mich zu meiden versuchte. Seufzend verdrängte ich diesen Gedanken und fuhr nach Hause. Noch immer war es ein wenig ungewohnt, dass kein Julian und keine Nala mich erwarteten, wenn ich die Tür öffnete. Julian hatte mir wenige Tage nach der Explosion geschrieben, dass man Nala aufgeregt und panisch in einem völlig anderen Stadtviertel gefunden hatte. Das laute Knallen der Explosionen hatte sie so sehr erschreckt, dass sie völlig von Sinnen weggerannt war, was man ihr nicht verdenken konnte. Ich war froh, dass sie es aber körperlich unbeschadet überstanden hatte und ich wusste, dass Julian sich darum kümmern würde, dass es ihr auch psychisch bald wieder besser ging. Mit einer Wasserflasche am Mund lief ich von der Küche ins Wohnzimmer und ließ mich auf die Couch fallen. Es waren Momente, wie diese, in denen mir die Einsamkeit eine reinzuhauen schien. Ich hatte keinen Freund, mit dem ich jetzt kuscheln konnte. Keinen besten Freund, weil Bernd seit unserem schrecklich verlaufenen Telefonat nur noch ein einziges Mal drangegangen war, um mich anzuschreien, dass ich ihn endlich in Ruhe lassen sollte. Daran hatte ich mich gegen meinen Willen auch gehalten und ihn nicht mehr angerufen oder sonstiges. Mit Niklas hatte ich eine weitere Person verloren, die mir in solchen Momenten Gesellschaft hätte leisten können, aber daran war ich selbst Schuld und ich würde meinen Entschluss nicht rückgängig machen. Laura und Sven hatten mit ihrem kleinen Sohn auch mehr als genug zu tun, mit Nele war ich eigentlich gar nicht so eng befreundet und Lars verbrachte seine Freizeit bestimmt lieber mit seiner Freundin, als mit seiner kleinen Schwester. Sophia, die Freundin von Julians bestem Freund Kai, war die einzige, mit der ich zuletzt mehr geschrieben hatte. Sie hatte sich nach unserer Trennung bei mir erkundigt, wie es mir ging und mir ein offenes Ohr angeboten und das Angebot hatte ich gerne angenommen. Es war viel leichter gewesen, ihr von allem zu erzählen, als jemandem, der Julians und meine Beziehung von Anfang an miterlebt hatte. Schon bei unserem dritten Treffen hatte ich ihr wirklich alles erzählt und auch sie hatte sich mir ein wenig geöffnet und jetzt bezeichnete ich sie gedanklich schon als Freundin. Aber auch sie wollte natürlich Zeit mit ihrem Freund verbringen und nicht nur mit mir rumhängen. Ab und zu traf ich mich mit irgendjemandem aus der Mannschaft, aber da ich die Mädels fast jeden Tag sah, war es auch mal ganz schön, einen Tag außerhalb dieser Welt zu sein. Seufzend zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche und suchte nach dem Chat mit Sophia, um sie zu fragen, ob sie Zeit hatte. Bereits nach wenigen Sekunden antwortete sie mir, dass sie gerade mit Kai und einigen seiner Freunde unterwegs war und ich beeilte mich ihr zu versichern, dass das gar kein Problem war. Kaum hatte ich ihr geschrieben, riss mich das Klingeln an meiner Wohnungstür aus meinen Gedanken. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, es einfach klingeln zu lassen, denn vermutlich war es der Postbote, der irgendwelche Rechnungen brachte oder jemand, der sich in der Tür geirrt hatte. Als es ein weiteres Mal nachdrücklich klingelte, erhob ich mich seufzend und joggte zur Tür. Schwungvoll riss ich sie auf und erstarrte. "Was willst du denn hier? Woher hast du meine neue Adresse?" "Kann ich vielleicht erstmal reinkommen? Zwischen Tür und Angel quatschen find ich nicht so geil." Verdattert machte ich einen Schritt zur Seite und ließ den Blonden die Wohnung betreten. Er sah sich interessiert um und ließ sich schließlich im Wohnzimmer aufs Sofa fallen. Ich setzte mich im Schneidersitz neben ihn und zog skeptisch die Augenbrauen hoch. "Also, nochmal. Was willst du hier?" "Ich brauch einen Ort, wo ich die nächsten Wochen pennen kann."
Na, wer ist da wohl überraschend zu Besuch gekommen?
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Plötzlich zwei Leben?
FanfictionDritter Teil der "Plötzlich zwei...?"-Trilogie Vier Monate sind vergangen seit Emily und Julian sich getrennt haben. 16 Wochen, in denen beide auf ihre eigene Art versucht haben, mit der neuen Situation leben zu lernen. 112 Tage, die gereicht haben...