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"Hey Emily, hast du heute schon was vor?", begrüßte Sophia mich euphorisch am Telefon. "Nein, hab ich nicht. Jannis trifft sich mit irgendwelchen Freunden glaub ich. Magst du vorbeikommen und wir machen einen Filmeabend?", erwiderte ich lächelnd und ging im Kopf bereits die DVDs durch, die ich zu Hause hatte. "Ich hab eine viel bessere Idee, auch wenn das zugegebenermaßen verlockend klingt. Lass uns auf eine Party gehen!" "Auf eine Party? Was gibts denn zu feiern?", erkundigte ich mich interessiert, denn ich war schon lange nicht mehr feiern gewesen. "Ein Freund von Kai hat zu sich nach Hause eingeladen. Hausparty also, mit relativ vielen Leuten glaub ich. Allerdings fahren wir da eine knappe Stunde hin." "Wow, das muss ja ein sehr guter Kumpel von Kai sein, wenn er extra eine Stunde fährt. Eigentlich ist mir mehr nach einem ruhigen Abend im Wohnzimmer." "Ach komm schon Emmi, bitte! Wir waren das letzte Mal vor deiner großen Reise gemeinsam feiern und das ist ewig her! Mir zuliebe, bitte. Ich kenn da kaum jemanden!" Ich seufzte ergeben. "Also schön. Wann holt ihr mich ab?" "In einer halben Stunde. Reicht dir das?" "Klar. Du weißt doch, dass ich nicht lange im Bad brauche. Ganz im Gegensatz zu dir, meine Liebe", entgegnete ich scherzhaft und konnte Sophias ergebenes Grinsen förmlich sehen. "Jaja, ich weiß. Also dann, bis in einer halben Stunde." "Ja, bis später." Ich legte auf und lief schnell ins Bad, wo ich mir unter einer kühlen Dusche den Schweiß des heißen Sommertages vom Körper wusch. Das war eindeutig nicht mein Wetter, ich brauchte es dringend wieder unter 30 Grad Celsius. In ein dünnes Handtusch eingewickelt stellte ich mich anschließend vor meinen Kleiderschrank und überlegte, was ich anziehen sollte. Bei den tropischen Temperaturen, die momentan herrschten, kamen wirklich nur extrem luftige Sachen in Frage, weshalb ich mich letztendlich für ein kurzes Sommerkleid entschied. Es hatte Spaghettiträger und lag bis zur Hüfte eng an, dann fiel es locker in mehreren Lagen und reichte mir etwa bis zur Mitte der Oberschenkel. Vor einem dunkelblauen Hintergrund tummelten sich allerhand bunte Blüten und ich erinnerte mich daran, wie überrascht ich selbst gewesen war, dass es mir überhaupt gefiel. Denn so verspielt wie das Kleid war, war ich normalerweise nicht, jedenfalls nicht, wenn es um Klamotten ging. Sobald ich in das Kleid geschlüpft war, flocht ich mir die vordersten Strähnen meiner Haare und verband sie am Hinterkopf mit einem Haargummi, sodass die restlichen Haare weiterhin bis knapp zu meinen Schultern gingen. Als das erledigt war, tuschte ich mir die Wimpern und trug ein wenig Lippenstift auf, dann packte ich die wichtigsten Kleinigkeiten in eine lederne Umhängetasche in einem sanften Braunton. Bevor ich in meine passenden Chucks schlüpfte, zog ich noch meine Jeansjacke aus dem Schrank, falls mir später kalt werden sollte. Kaum hatte ich mein Handy in der Tasche verschwinden lassen, klingelte es auch schon an der Tür. Ein letztes Mal kontrollierte ich mein Aussehen im Spiegel, dann öffnete ich die Wohnungstür und wurde von Kai und Sophia begrüßt und in eine herzliche Umarmung gezogen. Auf dem Weg zum Auto beschloss ich, mir mehr Informationen über unser Ziel zu besorgen. "Also Kai, wohin fahren wir?" Ein Freund von mir aus der Nationalmannschaft hat uns eingeladen. Er ist mit seiner Mannschaft gerade von den Testspielen zurückgekommen und weil es so gut gelaufen ist, möchte er das feiern." "Aha. Na dann. Wohin geht denn die Fahrt?" "Lass dich überraschen", entgegnete der Dunkelhaarige und zwinkerte mir zu, während er mir wie ein wahrer Gentleman die Autotür aufhielt. "Danke." Leicht nervös ließ ich mich auf die Rückbank fallen und überlegte, zu welchem Freund aus der Nationalmannschaft wir wohl fahren würden. Doch nachdem eine halbe Stunde vergangen war, in der Sophia und Kai auffällig unauffällig versucht hatten, mich von den Verkehrsschildern abzulenken, war meine Nervosität deutlich gewachsen und ich musste mir eingestehen, dass sich ein neuer Gedanke in meinen Kopf eingenistet hatte, den ich eigentlich nicht zulassen wollte. Aber verdammt, was sollte ich tun, wenn Julian ebenfalls eingeladen war und wir uns begegnen würden. Ich versuchte mich angestrengt zu beruhigen und ging im Kopf alle möglichen Szenarien durch, bis ich bei dem angekommen war, wo wir uns zur Begrüßung küssten und so taten, als sei nichts geschehen. Verwirrt über meine abwegigen Ideen schüttelte ich den Kopf und hielt automatisch den Atem an, als wir das Ortseingangsschild von Dortmund passierten. "Kai", murmelte ich mit beinah heiserer Stimme, "Wie heißt der Freund, bei dem wir eingeladen sind?" Kai schluckte so hart, dass ich es hören konnte und eine ungute Vorahnung machte sich in mir breit. "Bitte sei nicht sauer", flehte er mich an und ich biss mir nervös auf die Unterlippe. "Ich bin nur sauer, wenn es einen Grund dazu gibt." "Wir fahren zu Julian. Der BVB ist gestern von den Testspielen zurückgekommen und Julian hat direkt in seinem ersten Spiel ein Tor geschossen, das möchte er feiern. Außerdem gibt ihm das die Möglichkeit, sich in der Mannschaft zu etablieren und alle besser kennenzulernen." "Halt an", befahl ich mit kühler Stimme und Kai betätigte augenblicklich den Blinker und fuhr rechts ran. Ich stieß ruckartig die Tür auf und knallte sie hinter mir zu. Vor Hitze flimmernde Luft schlug mir entgegen und ich vermisste sofort die Klimaanlage aus dem Auto. Mein Herz pochte wie wild in meiner Brust und ich hörte, wie zwei Autotüren auf einmal geöffnet wurden. "Emily?", fragte Sophia vorsichtig und ich drehte mich auf dem Absatz zu ihr um. "Wer von euch hatte diese absolut hirnrissige Idee?", fuhr ich die beiden an und konnte förmlich spüren, wie meine Augen Todesblicke verteilten. "Wir sind gemeinsam drauf gekommen, als wir Julians Einladung bekommen haben", erklärte Kai vorsichtig und machte einige Schritte auf mich zu, woraufhin ich weiter zurückwich. "Was habt ihr euch dabei gedacht? Julian und ich hatten uns darauf geeinigt, erstmal keinen Kontakt mehr zu haben und das aus gutem Grund. Wir haben uns gegenseitig unheimlich weh getan und wollten nicht riskieren, dass das nochmal passiert!" "Das wussten wir nicht. Wir habens doch nur gut gemeint", murmelte Sophia entschuldigend, aber ich war viel zu aufgebracht, um darauf zu reagieren. "Genau, ihr wusstet es nicht! Also mischt euch gefälligst nicht in Dinge ein, von denen ihr keine Ahnung habt!" Ich verstummte und keuchte ein wenig, weil ich mir hier die Seele aus dem Leib gebrüllt hatte, während Sophia und Kai mich wie begossene Pudel ansahen. "Und jetzt?", brach die Brünette schließlich die Stille. "Ich werde jetzt wieder nach Leverkusen fahren", verkündete ich entschlossen, was mir überraschte Blicke einbrachte. "Wie willst du denn jetzt noch dahinkommen?" "Schonmal was von Zügen gehört?", erwiderte ich schnippisch, woraufhin Kai seufzte. Vorsichtig lief er auf mich zu und nahm meine Hand in seine. "Bitte komm mit zu der Party. Ich denke, Julian würde sich freuen und willst du nicht auch sehen, dass es ihm gut geht? Du bist einmal um die Welt gereist, denkst du nicht, dann bist du auch bereit für diese Reise?" Mit Tränen in den Augen biss ich mir auf die Lippe. "Das ist keine Reise Kai, das ist ein Horrortrip." "Aber du bist nicht allein. Sophia und ich sind doch da." Ich schluckte und sah in die flehenden Blicke der beiden. Sie hatten es nur gut gemeint. Damit waren sie zwar voll gegen den Bug gefahren, aber sie wollten nur das Beste für Julian und mich. Und sie waren offensichtlich der Meinung, dass wir füreinander am besten seien. Damit lagen sie zwar falsch, aber ich wollte den beiden jetzt auch nicht ihren Abend versauen. Also seufzte ich und nickte schwach. "Na gut. Aber sobald die Party vorbei ist, bringe ich euch um."

Plötzlich zwei Leben?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt