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Als ich aufwachte, schmerzte mein ganzer Körper. Ich versuchte mich zu strecken, konnte mich aber kaum bewegen. Der Grund dafür waren Kabelbinder, die meine Hände und Füße an den Stuhl fesselten, auf dem ich saß. Panisch begann ich daran zu rütteln, aber die einzige Konsequenz war, dass mir das harte Plastik scharf in die Haut schnitt bis ich warmes Blut von meinen Fingern tropfen spürte. So wurde das nichts. Suchend sah ich mich um und bemerkte erst jetzt, dass ich in einem Keller war, was auch die anherrschenden kühlen Temperaturen erklärte. "Hallo?", fragte ich vorsichtig in die Dunkelheit hinein, die im hinteren Teil des Raums herrschte und klatschte mir im selben Moment innerlich an die Stirn. Als ob mir jemand antworten würde. Doch zu meiner Überraschung erklangen Schritte und dann entdeckte ich Max. Er musterte mich mit einem abschätzigen Grinsen, das mir einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen ließ. "Max, was soll das? Wieso bin ich hier und wieso zum Henker bin ich gefesselt?" "Du erkennst mich wirklich nicht, oder?" Verwirrt sah ich ihn an. "Natürlich erkenne ich dich. Du bist Max, wir haben uns gestern im Club kennengelernt." "Vorgestern. Du warst eine ganze Weile bewusstlos Dornröschen. Aber das war nicht unsere erste Begegnung." "Meinst du die Briefe und Blumen? Du hast mir das alles geschickt, oder?" "Immernoch ein helles Köpfchen, obwohl du dein Geld mit den Füßen verdienst. Was ist aus dem Studium geworden?" "Ich hab es erfolgreich abgeschlossen, aber ich wollte meine Fokus danach erstmal auf den Sport legen. Was hast du mit mir vor?" "Oh, ich werde dich leiden lassen. Für das, was du mir angetan hast, du Schlampe." Entsetzt starrte ich ihn an. "Was hab ich dir denn getan? Du hast mich abgefüllt, wir hatten Sex und ich bin danach gegangen. Nicht mehr und nicht weniger." Mit schnellen Schritten war Max direkt vor mir und beugte sich zu mir runter, wobei er unerwartet sanft über meine Schläfe strich. "Du scheinst dir doch etwas heftiger den Kopf gestoßen haben, denn letztes Mal warst du zu betrunken, um mich zu erkennen, aber jetzt?" Verzweifelt kniff ich die Augen zusammen, um sein Gesicht genau in Augenschein zu nehmen und plötzlich war mir klar, wer hier wirklich vor mir stand. Mit den dunkel gefärbten Haaren und dem Bart hatte ich ihn tatsächlich nicht erkannt. "Oh mein Gott!", entfuhr es mir entsetzt und er begann zu grinsen. "Na also, ich wusste du würdest es herausfinden. Aber ich bin schon ein wenig verletzt, dass du so lange gebraucht hast. Immerhin haben wir ja doch einige gemeinsame Zeit verbracht, nicht wahr?" Meine Miene gefror und ich sah ihn kühl an. "Dass diese Zeit enden musste, war nicht meine Schuld." "Willst du mich verarschen?", schrie er plötzlich und ich zuckte vor Schreck zusammen, "Du bist die einzige, die an allem Schuld ist! Und dafür wirst du bezahlen!" Im nächsten Moment hatte ich seine Faust im Bauch und kreischte vor Schmerz auf. Doch bevor ich mich von dem Schlag erholen konnte, hatte er mir bereits mehrfach heftig ins Gesicht geschlagen und mir liefen vor Schmerz die Tränen. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis er aufhörte und sich vor mich hockte. Mein rechtes Auge war bereits so angeschwollen, dass ich meinen Entführer nur noch mit dem linken wirklich sehen konnte. Er hob die Hand und in Erwartung eines weiteren Schlags, zuckte ich zurück, aber er folgte mir mit der Hand und strich mir eine Träne aus dem Gesicht. "Ich mache das alles, weil ich dich liebe. Aber du machst diese Liebe kaputt, weil du eine egoistische Hure bist, Emily. Das ist krank, das weißt du doch, oder?" Fassungslos und angeekelt sah ich ihn an. "Du bist krank, Jan. Nicht ich." Ehe ich mich versah, hatte er mir eine schallende Ohrfeige gegeben und war aufgestanden. Ich hörte, wie er den Raum verließ und sobald die Tür ins Schloss gefallen war, brach ich in Tränen der Verzweiflung aus. Wieso war ich mit den seltsamen Geschenken nicht direkt zur Polizei gegangen? Vielleicht hätten sie zurückverfolgen können, dass sie alle von meinem Exfreund stammten und es wäre gar nicht so weit gekommen. Was würde Jan noch alles mit mir anstellen? Und was war das Ziel seiner Entführung? Würde er mich irgendwann gehen lassen oder würde er mich umbringen? Hatte ich überhaupt eine Chance hier lebend rauszukommen?

Einen Tag zuvor bei Julian:
Nachdem ich mit Kai telefoniert hatte, musste ich zum Training. Die Jungs begrüßten mich alle mit Handschlag und ich zog mich schnell um, weil ich ein bisschen spät dran war. Dann lief ich raus auf den Platz und nachdem wir ein paar Dinge besprochen hatten, ging das physische Training los. Ich versuchte mich bestmöglich auf die Übungen zu konzentrieren, aber Kais Worte von vorhin ließen mich nicht los. Du merkst selbst, dass du sie noch liebst, oder? Ich hatte ihm geantwortet, dass ich mir nicht sicher war, aber war das nicht eigentlich gelogen? Neben Emily einzuschlafen hatte sich so richtig angefühlt, so wunderschön. Ich wurde ruckartig aus meinen Gedanken gerissen, als Torben, einer unserer Physiotherapeuten, aufgeregt aus der Kabine kam. "Leute, fast alle eure Handys klingeln Sturm. Ich hab es bis in mein Büro zwei Räume weiter gehört. Vielleicht solltet ihr nachsehen, es scheint ja wichtig zu sein." Der Trainer ließ uns in die Kabine gehen und während ich zu meinem Platz ging, hörte ich bereits meine Mitspieler miteinander reden. "Das ist ja ein Ding, Manni hat mich angerufen!" "Manni?" "Eigentlich heißt er Sven Bender. Er hat ne ganze Weile für den BVB gespielt. Ich hab eigentlich schon lange nichts mehr gehört." Die Erwähnung von Svens Namen ließ mich zusammenzucken. Hatte das alles etwa was mit mir zu tun? Ich war gerade an meiner Tasche angekommen, als ich Marcos entsetzte Stimme hörte, die alles in der Kabine übertönte. "Ach du Scheiße!" Er nahm das Handy vom Ohr und stellte fest, dass jegliche Blicke auf ihn gerichtet waren. Er suchte jedoch nach meinem Blick. "Das war eine Voicemail von Sven. Emily wurde entführt. Er und Lars haben alle Nummern ausgegraben, die sie von der Mannschaft haben, weil sie sich schon gedacht haben, dass du Training hast." Mir entglitten jegliche Gesichtszüge. "Was?", stammelte ich verwirrt, unsicher, ob ich ihn gerade richtig verstanden hatte. Roman, der neben mir stand, fing mich gerade noch so auf, als meine Beine versagten und setzte mich vorsichtig auf der Bank ab. "Whoa, hey, ganz ruhig Jule!" Kopflos begann ich in meiner Tasche zu wühlen, bis ich mein Handy in der Hand hielt. Auf dem Display tauchten unzählige verpasste Anrufe von Emilys Brüdern, Kai und Sophia auf. Ich rief meinen besten Freund umgehend zurück und das Tuten hallte beinahe unwirklich durch die totenstille Kabine. Endlich hob er ab. "Jule? Gott sei Dank, endlich gehst du ran!" "Was ist mit Emily?", würgte ich ihn ab, während jeder meiner Mitspieler angespannt lauschte. "Sie wurde entführt. Sie saß in einem Taxi und hat mit Bernd telefoniert, dann hat es wohl sehr laut geknallt und dann war die Verbindung tot. Die Polizei hat ihr Handy geortet und das Taxi gefunden. Ein anderer Wagen muss seitlich reingefahren sein, der Taxifahrer war schwer verletzt und wurde ins Krankenhaus gebracht. Sie wissen noch nicht, ob er es schafft." "Und Emily?" Kai seufzte. "Sie war nicht da. Nur ihr Handy und ihre Tasche und ziemlich viel Blut." Ich schluckte hart, das klang furchtbar. "Ich- ich komme zu euch. Vielleicht kann ich irgendwie bei der Suche helfen!" "Du bist total aufgebracht Jule, so kannst du nicht fahren." Zu meiner grenzenlosen Erleichterung mischte sich jetzt Marco ein. "Ich kann dich fahren." Dankbar sah ich ihn an und nickte, dann wandte ich mich wieder an Kai. "Ich komme nach Leverkusen. Halt mich auf dem Laufenden!" "Mach ich. Und Jule?" "Ja?" "Denk daran, dass Emily stark ist. Wenn jemand eine Entführung übersteht, dann sie."




Na, wer erinnert sich noch an Emilys Exfreund Jan aus dem ersten Buch? Er ist zurück und er ist verdammt wütend auf Emily... Kann das gut ausgehen?

Plötzlich zwei Leben?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt