Zur selben Zeit bei Julian:
"Was ist los? Was passiert hier?" Panisch sah ich auf die wild piependen Geräte und Monitore und auch Bernd war erschrocken von seinem Platz aufgesprungen. Mit einem heftigen Ruck wurde die Tür geöffnet und mehrere Ärzte und Schwestern rannten zu Emily. "Sie müssen jetzt hier raus!", wies ein Pfleger uns an und schob uns sogleich energisch aus dem Raum. Das Letzte, was ich hörte, waren die Worte "Der Hirndruck ist extrem gestiegen!", dann wurde mir die Tür vor der Nase zugeschlagen und ich starrte fassungslos durch das kleine Fenster, das mir jetzt noch einen Blick ins Zimmer ermöglichte. "Haben wir irgendwas gemacht?", erkundigte ich mich mit zitternder Stimme und dachte an Emilys Hand, die ich doch nur ganz vorsichtig berührt hatte. "Nein, ich glaube nicht. Der Arzt hat ja gesagt, dass ihr Zustand nicht gerade stabil ist." Auch Bernd stand der Schreck ins Gesicht geschrieben und wir rührten uns nicht von der Stelle, bis die Tür plötzlich wieder geöffnet wurde. Das Krankenbett mit Emily darin wurde auf den Gang geschoben und sofort sah ich einen der Ärzte fragend an. "Was ist los?" "Sie hat vermutlich eine Hirnblutung, wir müssen sofort operieren!" "Noch eine OP? Sie hat doch gerade erst eine hinter sich", entgegnete ich besorgt und wagte einen kurzen Blick auf meine Exfreundin, die davongeschoben wurde. Der Arzt blieb bei uns stehen. "Es geht nicht anders. Ihr Pupillen reagieren bereits stark verzögert und jede weitere Sekunde, in der wir nicht handeln, gefährdet ihr Überleben. Ich zeige Ihnen, wo Sie warten können und Sie werden informiert, sobald es Neuigkeiten gibt." Bernd und ich nickten und folgten dem Arzt, im Laufen zog ich bereits mein Handy hervor und schrieb Kai eine Nachricht, dass Emily nochmal operiert werden musste. Ich ging davon aus, dass er gemeinsam mit den anderen wieder bei Laura und Sven war und sie sofort informieren würde.
Und dann begann wieder das endlose, ungewisse Warten. Unruhig knetete ich meine Hände, während Bernd mit vollkommen erstarrtem Blick neben mir saß und doch nicht wirklich anwesend zu sein schien. Es dauerte nicht lange, bis Kai auftauchte, doch zu meiner Überraschung hatte er nur Sven und Lars dabei. "Wo sind die anderen?", erkundigte ich mich, sobald wir uns alle mit kurzen Umarmungen begrüßt hatten. "Unser Vater ist noch bei unserer Mutter auf Station und Laura, Nele, Sophia und Lennard sind bei uns zu Hause", erklärte Sven leicht außer Atem, "Sie sind alle erschöpft und wir können es schließlich nicht gebrauchen, dass noch jemand zusammenbricht. Sie haben fast alle was zur Beruhigung genommen und versuchen sich auszuruhen." Ich nickte verständnisvoll, dann ließ ich mich wieder auf meinen Stuhl sinken und Kai setzte sich neben mich. Mit einem aufmunternden Lächeln reichte er mir seine Hand und ich ergriff sie sofort. Ich war unglaublich dankbar, dass mein bester Freund jetzt hier bei mir war und ich stellte mal wieder fest, wie sehr er mir in Dortmund fehlte, obwohl die Distanz eigentlich garnicht so groß war. Während er sich durch die Haare fuhr, dachte ich daran zurück, wie ich ihn vor den Abiprüfungen abgefragt und ihm beigestanden hatte, wenn er panisch wurde. Und genauso hatte er mir beigestanden, als ich mich verletzt hatte und nicht wusste, ob ich meinen frisch eroberten Stammplatz in der Mannschaft behalten würde. Tief durchatmend legte ich den Kopf in den Nacken, dann sah ich Kai fragend an. "Kommst du mit raus? Ich brauch mal frische Luft." "Klar." Wir standen auf und erklärten den anderen, wo wir hingingen, dann verließen wir das Krankenhaus und ich atmete tief die frische Luft ein. Schweigend liefen wir nebeneinander her und es tat gut, einfach nicht zu reden, sondern nur zu laufen. Irgendwann setzten wir uns auf eine Bank und ich seufzte tief. "Ich weiß nicht, wie lange der Verein mich freistellt. Aber ich will Emily auf keinen Fall alleine lassen." Kai schmunzelte verschmitzt. "Hast du also endlich eingesehen, dass du sie immer noch liebst?" Ich konnte mir ein kurzes Lachen nicht verkneifen, weil offensichtlich jeder außer mir gemerkt hatte, dass ich noch etwas für Emily empfand. Dann nickte ich. "Ja, hab ich. Als wir morgens in ihrer Küche saßen und sie gesagt hat, dass die vorherige Nacht eine Art Unfall war und wir das einfach vergessen sollten, da hat jedes einzelne ihrer Worte weh getan. Da hat sich bei mir irgendein Schalter umgelegt und mir wurde klar, dass ich nicht ohne sie leben kann. Ja, wir haben gestritten und uns verletzt, aber wir haben uns auch wieder vertragen und gegenseitig geheilt. Im Grunde genommen ist es mir völlig egal, was wir tun, solange wir es gemeinsam tun." "Wirst du ihr das sagen, wenn sie aufwacht?" Ich seufzte leise und zuckte die Schultern. "Ich würde gerne, ja. Aber ich möchte sie auch nicht überfordern und ich glaube, sie hat uns wirklich schon abgehakt." "Das ist Blödsinn", widersprach Kai sofort und ich sah ihn überrascht an. "Was?" "Emily liebt dich auch immer noch, das ist nicht zu übersehen. Zwischen euch herrscht eine Spannung, die man förmlich greifen kann." Schweigend dachte ich über die Worte meines besten Freundes nach und ließ dabei den Blick über unsere Umgebung schweifen. Ein genervtes Stöhnen entfuhr mir, als ich einige Reporter entdeckte und Kai folgte meinem Blick. "Das war zu erwarten, seit es die ersten Pressemeldungen gab. Außerdem hat Bayer Leverkusen vorhin offiziell bekannt gegeben, dass Emily Opfer einer Entführung geworden und schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert wurde." Ich atmete tief durch und biss mir auf die Lippe. "Für die ist es gefundenes Fressen, wenn sie mitkriegen, dass ich auch hier bin." "Ach, lass sie doch schreiben, was sie wollen. Das werden sie so oder so." Ich nickte zustimmend, dann stand ich auf. "Na los, lass uns wieder reingehen. Vielleicht gibt es ja schon irgendwas neues."Einige Stunden später bei Emily:
Als ich die Augen öffnete, wusste ich zunächst nicht, wo ich war. Verwirrt schaute ich mich um und setzte mich auf, wodurch mir schwindelig wurde. Aber so schnell wie der Schwindel gekommen war, war er auch schon wieder weg und ich stand vorsichtig auf. Der Teppich auf dem Boden wärmte meine nackten Füße angenehm und ich begann zu lächeln. Es kam mir vor, als sei ich erst gestern in dieses Zimmer gezogen, obwohl es bereits Jahre her war. Mein Blick fiel auf die Bilder an der Wand, die Sven und Lars damals dort aufgehängt hatten. Auf dem Schreibtisch herrschte wie immer Chaos und ich entdeckte mehrere Geschichtsbücher, die ich damals im Studium häufig nach bestimmten Ereignissen durchsucht hatte. Von unten glaubte ich die Stimmen meiner Brüder zu hören, weshalb ich die Zimmertür öffnete und nach unten ins Wohnzimmer lief. Auf dem Sofa lag ein Beleg von einer Bestellung bei Rolli, bei dem wir damals jedes Mal bestellt hatten, wenn wir zu faul zum Kochen gewesen waren. Schmunzelnd lief ich in die Küche, in der wir zu dritt haufenweise Weihnachtsplätzchen gebacken hatten und mein Blick fiel unwillkürlich auf die Teepackungen im Regal. Natürlich standen dort gleich mehrere Packungen mit Kamillentee, denn für den hatte ich immer eine Schwäche gehabt und auch wenn sie selbst ihn absolut ungenießbar fanden, hatten meine Brüder mir immer schon Packungen auf Vorrat mitgebracht, auch wenn ich noch nicht mal die angebrochene geleert hatte. Ich erinnerte mich daran, wie Karin mich kurz nach der Fehlgeburt besucht hatte. Damals mochte ich sie noch nicht und sie hatte versucht eine Verbindung zwischen uns aufzubauen, indem sie mir erzählte, dass sie Kamillentee auch mochte. Wenn ich jetzt daran dachte, wie ich sie damals angeschrien hatte, schämte ich mich, aber ich war einfach extrem verletzt gewesen. Karin hatte mir das verziehen und mittlerweile hatten wir ein wirklich gutes Verhältnis zueinander. Seufzend verließ ich die Küche und öffnete in einer Kurzschlussreaktion die Wohnungstür, um mir das Schild auf der Tür anzusehen. Sven, Lars & Emily Bender. Lächelnd strich ich über die aufgeklebten Buchstaben, dann zuckte ich zusammen, denn mir stieg ein unangenehmer Geruch in die Nase. Panisch sah ich mich um und entdeckte fast sofort die dunklen Rauchschwaden, die aus dem Treppenhaus emporstiegen. Es brannte!
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Plötzlich zwei Leben?
FanfictionDritter Teil der "Plötzlich zwei...?"-Trilogie Vier Monate sind vergangen seit Emily und Julian sich getrennt haben. 16 Wochen, in denen beide auf ihre eigene Art versucht haben, mit der neuen Situation leben zu lernen. 112 Tage, die gereicht haben...