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Ich hatte mich noch etwa eine Stunde lang mit Marco unterhalten, bis Sophia wieder auftauchte und mich zwang, ein wenig mit ihr zu tanzen. Ich war eine grottenschlechte Tänzerin, weshalb ich sie glücklicherweise davon überzeugen konnte, schon nach kurzer Zeit damit aufzuhören und uns stattdessen bei den alkoholischen Getränken zu bedienen. Während wir also beide an unseren Cocktails schlürften, plauderte meine beste Freundin über Gott und die Welt, während ich ihr nur mit halbem Ohr zuhörte. Viel zu sehr fesselte mich Julians Anblick. Er stand lässig gegen die Wand gelehnt auf der anderen Seite des Raumes und unterhielt sich mit irgendeiner Frau, die ich nicht kannte. Gegen meinen Willen versetzte mir dieser Anblick einen unangenehmen Stich in der Brust und ich versuchte schnell, mich abzuwenden und stattdessen endlich Sophia zuzuhören. Die erzählte gerade von ihrem geplanten Urlaub mit Kai und wie sehr sie sich schon darauf freute. Ich bemühte mich um ein zustimmendes Lächeln, dann verstummte sie plötzlich und schaute überrascht hinter mich. "Cathy? Krass, was machst du denn hier?" Ich drehte mich um und entdeckte Cathy Hummels. Ich wusste, dass sie und Sophia sich vor wenigen Jahren mal begegnet waren und sich sofort auf einer Wellenlänge befunden hatten, weshalb ich mich kurzum von den beiden verabschiedete und den Rückzug antrat. Irgendwie war das hier heute doch alles ganz schön viel. Krampfhaft überlegte ich, wohin ich mich jetzt verkriechen könnte und öffnete kurzerhand eine Tür neben mir. Vor mir befand sich nun die Küche und zu meiner Erleichterung war sonst niemand hier, weshalb ich schnell den Raum betrat und die Tür wieder hinter mir schloss. Ein tiefes Seufzen entfuhr mir, während ich mich erschöpft von den vielen Eindrücken des Abends gegen die Arbeitsfläche lehnte. Müde schloss ich die Augen und überlegte, wie lange ich wohl noch würde warten müssen, bis Sophia und Kai mit mir nach Hause fahren würden. Das Öffnen der Tür riss mich aus meinen Gedanken und ich öffnete überrascht die Augen, nur um einen ebenso überraschten Julian zu sehen. "Oh, ähm, hi." Kurz schien er zu überlegen, ob es klug wäre, einfach wieder rauszugehen, dann entschied er sich dagegen und betrat die Küche. Mit dem Ellenbogen schlug er die Tür hinter sich zu, denn seine Hände waren voll mit benutzten Gläsern, die er jetzt neben der Spüle abstellte. Schweigend öffnete der Blonde die Spülmaschine und räumte sorgsam ein Glas nach dem anderen ein, dann räusperte er sich verlegen und drehte sich zu mir um. Ein schwaches Lächeln zierte seine Lippen. "Ich bin überrascht, dich hier zu sehen", murmelte er und ich biss mir unsicher auf die Lippe. "Ich wusste bis Dortmund nicht, dass Kai und Sophia dieses Ziel haben", rechtfertigte ich mich, wobei ich mich im nächsten Moment fragte, wofür ich mich eigentlich rechtfertigen sollte. "Wärst du sonst nicht mitgekommen?", erkundigte Julian sich und ich zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Ich schätze nein. Ich wusste ja nicht, wie du reagieren würdest und ob du noch sauer auf mich bist." "Ich bin nicht mehr sauer auf dich. Eigentlich war ich auch nie wirklich sauer auf dich. Ich wäre es gerne gewesen, echt, aber es ging irgendwie nicht. Ich glaub ich war eher enttäuscht. Und verletzt. Und wenn ich doch sauer gewesen sein sollte, dann wohl eher auf mich, weil ich auch meinen Teil zu unserer Trennung beigetragen habe, indem ich mich wie ein Arschloch verhalten hab. Also müsste ich dich eigentlich auch fragen, ob du noch sauer auf mich bist." Ich schluckte, dann schüttelte ich den Kopf. "Ich bin nicht sauer, mir geht's wie dir. Ich war enttäuscht und verletzt und wütend auf mich selbst. Aber auch das hab ich jetzt hinter mir. Größtenteils zumindest." "Das freut mich für dich", sagte Julian und sein Lächeln wurde ein wenig breiter, "und ich freu mich, dass du hier bist. Ehrlich." "Es ist schön zu sehen, dass du dich gut in Dortmund eingelebt hast", gab ich zu, dann räusperte ich mich verlegen. Für eine Weile schwiegen wir einfach nur, doch zu meiner Überraschung war es keine unangenehme Stille. Irgendwann atmete Julian tief durch und schaute mich unsicher an. "Es wäre schön, wenn wir wieder ein bisschen sowas wie Freunde werden könnten." Ich nickte lächelnd. "Ja, das fände ich auch schön." "Dann also Freunde?" Fragend hielt Julian mir seine Hand hin und ich schlug schmunzelnd mit ihm ein. "Freunde." Wir wurden unterbrochen, weil jemand die Tür zur Küche aufriss. Erschrocken zuckte ich zusammen und zog sofort meine Hand zurück. "Oh, 'tschuldigung, ich wollte nicht stören", murmelt der Dunkelhaarige und ich sah, wie Julian sein Öffentlichkeitslächeln aufsetzte. "Kein Ding, Mo. Suchst du irgendwas?" "Ja, dich. Du schuldest mir noch eine Revanche am Tischkicker. Aber das können wir auch später machen, wenn du hier noch beschäftigt bist." Ich sah seine Mundwinkel zucken, vermutlich ging er davon aus, dass Julian und ich rumgemacht oder sonst was hätten. Julian schüttelte sofort den Kopf. "Nein, ich komme mit. Du wirst schon sehen, dass das letzte Mal kein Glück, sondern Können war." Die beiden verließen die Küche, aber vorher warf Julian mir noch sowas wie einen entschuldigenden Blick zu, den ich mit einem schwachen Lächeln erwiderte. Obwohl wir uns jetzt darauf geeinigt hatten, es als Freunde zu versuchen, verspürte ich ein unangenehmes Ziehen in der Brust. Es tat weh, ihn nicht zu küssen und ganz nah bei ihm zu sein. Ein verzweifeltes Seufzen verließ meinen Mund und ich rieb mir eine verschwitzte Haarsträhne aus der Stirn. Was war aus all meinen guten Vorsätzen geworden? Ich hatte mir doch vorgenommen, das Kapitel Julian hinter mir zu lassen und meine Reise als Beginn einer neuen Zeit zu sehen. Aber Julian zu sehen und mit ihm zu reden, hatte all meine Pläne zunichte gemacht und das ließ mich für einen kurzen Moment wütend auf Sophia und Kai werden, weil sie mich mit hierhergenommen hatten. Aber diese negativen Gefühle wollte ich jetzt nicht zulassen, also atmete ich nochmal tief durch, setzte mein schönstes Lächeln auf und verließ die Küche, um die Party noch so gut wie möglich zu genießen. Erst einige weitere Stunden später, beschlossen Kai und Sophia nach Hause zu fahren. Mittlerweile war es drei Uhr morgens und wir gehörten zu den letzten Gästen, die Julian noch ein wenig beim Aufräumen geholfen hatten. Dann war der Moment des Abschieds gekommen und ich stand Julian unschlüssig gegenüber. Wir einigten uns stumm darauf, dass es für eine Umarmung noch zu früh war und so nickte ich ihm lediglich zu und bemühte mich um ein Lächeln. Da Jannis noch immer bei mir wohnte und gestern Nachmittag mit dem Zug nach Dortmund gefahren war, nahmen Kai, Sophia und ich ihn jetzt im Auto mit. Der Blonde war schon halb eingeschlafen, weshalb ich ihn auf dem Weg zum Auto stützte und mich anschließend fix und fertig neben ihn fallen ließ. Ich bekam noch mit, wie Kai das Auto startete und wir Julians Grundstück verließen, dann übermannte mich die Müdigkeit und ich schlief ebenfalls ein.

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