Anger

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Immer wieder starre ich auf die Publikumsplätze und fange dort verschiedene Blicke auf. Mein Bruder Jace, der nicht müde wird, mir seinen erhobenen Daumen zu zeigen, meine Schwester Izzy, die meinem Blick ausweicht, meine Eltern, die tatsächlich gekommen sind und mir immer wieder aufmunternd zunicken und der liebevolle Blick von Magnus.

Aus einer andern Richtung schlägt mir purer Hass entgegen, denn dort sitzen die Eltern von Andrew, Rose und Paul, die mich wohl am liebsten auf der Anklagebank sehen würden, anstatt hier auf meinem Platz.
Die geladene Jury betrachtet mich mit einer Mischung aus Mitleid, Neugierde und bei einem Mann kann ich eindeutig Verachtung spüren.

Andrews Eltern tun mir leid, sie waren stets nett zu mir aber auch sie haben die Augen vor der Wahrheit verschlossen und müssen sich jetzt der Realität stellen. Ich bin froh, dass meine Eltern mir verziehen haben, dass ich ohne Rücksprache einen Mann geheiratet habe, mit dem sie nie einverstanden waren und auch das ich ihnen so viele Jahre aus dem Weg gegangen bin. Zu meiner Erleichterung mögen sie Magnus und meine Mutter hat ihn schon fast adoptiert.

Eine Seitentür öffnet sich und ein Beamter führt Andrew herein. Er trägt Handschellen und Fußfesseln. "Das siehst du mal, wie gefährlich er eingeschätzt wird." flüstert Ragnor mir zu und ich sehe zu meinem Mann. Sein Blick ist eiskalt und voller Hass und erschrocken zucke ich zusammen. "Sieh nicht zu ihm, Alec. Egal was passiert, schau immer nach vorne oder zu mir." raunt er mir weiter zu und ich nicke und richte meine Augen nach vorne.

"Die ehrenwerte Richterin McKenzie, bitte erheben Sie sich." ertönt die Stimme des Gerichtsdieners und alle stehen auf. Zur Tür herein kommt eine blonde Frau, mit strengen Gesichtszügen aber mit freundlichen Augen, die sich auf ihren Platz setzt und dann mit einer Handbewegung klar macht, dass wir uns ebenfalls setzen dürfen.

"Fall Nummer 159, Underhill gegen Underhill." verkündet sie und sieht dann in die Akte. Schließlich runzelt sie die Stirn und sieht zu Andrews Anwalt. "Versuchter Todschlag, Misshandlung eines Ehepartners und wir müssen prüfen ob die Anklage nicht auf versuchten Mord plädieren möchte. Außerdem steht eine Härtefallscheidung im Raum." fasst sie zusammen und sieht dann zu Ragnor. "Sie haben das Wort, Mr. Fell." sagt sie und er erhebt sich.

"Die Anklage hat sich entschieden, beim versuchten Todschlag zu bleiben, allerdings mit erschwerten Haftbedingungen, um die Sicherheit meines Mandanten zu schützen und wir beantragen eine sofortige Scheidung, aufgrund der Tatsache, dass eine grobe Täuschung vorliegt." rattert Ragnor herunter und die Richterin nickt. "Mr. Aldertree?" Laut räuspert sich Andrews Anwalt und steht auf. "Ehrenwerte Richterin, die Verteidigung plädiert auf grobe Körperverletzung mit Notwehr ohne Tötungsabsicht, auf Unzurechnungsfähigkeit meines Mandanten und auf das Trennungsjahr."

Hektisch sehe ich Ragnor an, der beruhigend seine Hand auf meinen Arm legt. Richterin McKenzie nickt und macht sich Notizen. "Wie ich sehe, wird das kein einfacher Fall. Mr. Aldertree, haben Sie ein psychologisches Gutachten, welches Ihre Behauptung der Unzurechnungsfähigkeit untermauert?" fragt sie und Andrews Anwalt nickt. "Haben wir. Im Laufe der Verhandlung wird der Gutachter in den Zeugenstand gerufen."
Wieder nickt sie und sieht dann Ragnor an. "Beginnen wir mit der Beweisaufnahme. Mr. Fell, wenn ich bitten darf." Ragnor steht auf und tritt nach vorne.

"Liebe Jury, dieser Fall ist nicht alltäglich und mit großer Wahrscheinlichkeit ist die Dunkelziffer über die Tatsache, dass es auch in homosexuellen Partnerschaften zu Gewalt kommt, sehr hoch aber heute befassen wir uns mit dem Fall meines Klienten, Alexander Underhill. Im Laufe dieses Verfahrens werden wir schockierende Dinge erfahren, Dinge, die Sie vielleicht bis in Ihre Träume verfolgen werden, Sie werden Fotos sehen, die Sie nur schwer ertragen können und es werden Beweise vorgelegt werden, die Sie nicht ignorieren können. Ich bitte Sie darum, ein weises Urteil zu fällen und die Gerechtigkeit siegen zu lassen." sagt Ragnor mit ruhiger Stimme.

"Dieser Fall wäre eigentlich sehr eindeutig, denn der Angeklagte war nach seiner Verhaftung geständig und hat sich sogar mit seinen Taten gerühmt aber nun liegt es anders, denn die Verteidigung ist der Ansicht, es war Notwehr und der Angeklagte wäre zum Zeitpunkt der Tat nicht zurechnungsfähig gewesen. Ich werde beweisen, dass Mr. Underhill in voller Absicht gehandelt hat und sich darüber sehr bewusst war. Ich rufe als ersten Zeugen das Opfer Alexander Underhill, geborener Lightwood in den Zeugenstand."

Ich kann meinen eigenen Herzschlag hören, als ich meine Hand auf die Bibel lege und schwöre, die Wahrheit zu sagen. Magnus lächelt mir zu und ich versuche ruhig zu atmen. "Ich werde das Opfer hier mit Vornamen ansprechen, denn der möchte nicht mit seinem Ehenamen gerufen werden, eine Tatsachen, die Sie bald nachvollziehen können." sagt Ragnor und kommt näher.

"Alec, erzählen Sie uns, wie Sie Andrew kennengelernt haben." beginnt er und ich nicke. "Wir kennen uns seit der High School, er war zwei Klassen über mir aber wir waren gemeinsam zu einem Basar eingeteilt und sind uns so näher gekommen." antworte ich. "Verstehe. Wie würden Sie Andrews Charakter beschreiben?" fragt Ragnor weiter. "Er war immer sehr bestimmend und wusste genau, was er will und was nicht. Ich habe seine Zielstrebigkeit immer bewundert. Allerdings wollte er mir von Anfang an meinen eigenen Weg ebenfalls voraus bestimmen." gebe ich zu und vermeide es, Andrew anzusehen.

"Unter welchen Umständen haben Sie geheiratet?" ist Ragnors nächste Frage. "Wir waren auf dem Junggesellenabschied seines besten Freundes Raj in Las Vegas. Wir waren betrunken und als Andrew vorgeschlagen hat, spontan zu heiraten, hielt ich es in diesem Moment für eine gute Idee und habe eingewilligt."

Ragnor sieht zu der Jury. "Erzählen Sie den Menschen von Ihrer Hochzeitsnacht, Alec. Lassen Sie nichts aus und erzählen Sie es genau so, wie Sie es mir erzählt haben." Einen Moment muss ich mir auf die Lippen beissen, um nicht loszuweinen. "Es war das erste Mal, dass Andrew mich vergewaltigt hat." murmel ich und kneife mir selbst in den Arm, als ich höre, wie meine Mutter schluchzt und Andrew laut schnaubt. Dann reisse ich mich zusammen, suche die Augen der Jury und fange an zu erzählen.

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