Confusion

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"Ich freue mich, dass Sie wieder gekommen sind." eröffnet M. Bane die nächste Sitzung und scheint mir anzumerken, dass ich wieder nicht freiwillig hier bin. Er sieht mich mit seinen durchdringenden Augen an und ich habe das Gefühl, er weiß genau, was in mir vorgeht. Ich brumme nur etwas zustimmendes. "Wir freuen uns auch." antwortet Andrew euphorisch und erneut muss ich mir verkneifen, mit den Augen zu rollen.

"Wie ist es Ihnen ergangen nach der ersten Sitzung?" fragt M. Bane weiter und wieder frage ich mich wie er wohl mit Vornamen heißt. Vielleicht Martin? Oder Mason? "Ach, Mr. Bane, ich habe viel über Ihre Worte nachdenken müssen und sie mir wirklich zu Herzen genommen." Mit gerunzelter Stirn sehe ich meinen Mann von der Seite an und überlege, ob Mr. Bane ihm das letzte Mal noch einen Rat mitgegeben hat, als ich schon aus der Praxis gestürmt bin.

"Alec war sehr aufgebracht, nachdem wir zu Hause waren und es war sehr schwierig an ihn heran zu kommen. Allerdings habe ich an ihren Rat gedacht und ihn in die Tat umgesetzt. Ich habe Alec gegenüber sehr viel Verständnis aufgebracht und war so nett wie es mir nur möglich war. Nicht wahr, Schatz?" Er greift nach meiner Hand und am liebsten würde ich sie ihm wieder entziehen, denn es stimmt nicht, was er sagt.

Wir haben uns fürchterlich gestritten und er hat mir Vorwürfe gemacht, wie ich ihn vor unserem Therapeuten als Pedant hinstellen konnte. Es war ihm mehr als unangenehm, dass ich nicht nur positives Dinge nennen konnte und ich konnte tausendmal einwerfen, dass er für mich keine netten Worte übrig hatte, denn Andrew hört nur, was Andrew hören will.

M. Bane mustert mich einen Moment und ich bin mir für einen kleinen Augenblick sicher, er weiß, dass Andrew lügt. "Das freut mich sehr. Verbuchen wir das als ersten Erfolg." Ich bin enttäuscht, denn scheinbar hat er meinen Mann nicht durchschaut.
"Reden wir über Ihr Leben. Andrew, was machen Sie beruflich?" fragt der Therapeut weiter und ich weiß, dass jetzt eine lange Rede folgt, über seinen unglaublich langweiligen Job. Innerlich schalte ich schon mal ab und denke daran, dass ich heute Abend unbedingt Jace anrufen muss.

"Ich habe eine sehr wichtige Position im Gesundheitswesen." Andrew plustert sich neben mir auf. "Ich bin Lebensmittelkontrolleur und mache Stichproben in öffentlichen Einrichtungen. Die Leute wissen vorher nie, dass ich komme und so ist das ganze sehr viel effektiver." Er lacht künstlich. "Ich habe selbst mal ein Altenheim kurzfristig schließen lassen, weil das Essen verschiedene Keime aufgewiesen hat. Das war vielleicht ein Theater."

Er klatscht in die Hände und beugt sich auf dem Sofa nach vorne und stirrt M. Bane an. Ich weiß genau, welcher Satz jetzt kommt und ohne es zu wollen, äffe ich ihn nach und spreche den Satz lautlos mit. Zum Glück kann er mich nicht dabei sehen, sonst würde er vermutlich ausflippen oder wieder heulen.

"Wissen Sie, es kommt immer darauf an, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, um die Dinge zu entlarven. Und darin bin ich Meister." sagt er hochtrabend und M. Banes Blick schweift zu mir ab, als ich meinen Mann hinter seinem Rücken nachmache. Für einen Bruchteil einer Sekunde zuckt sein Mundwinkel und ich muss grinsen. Der Therapeut scheint für einen Moment den Faden verloren zu haben und wir sehen uns kurz an. Dann räuspert er sich lautstark und wendet sich wieder an Andrew. "Das klingt spannend und sicher auch anstrengend."

Andrew winkt ab. "Sie haben ja keine Vorstellung davon, wie anstrengend es ist. Sie glauben nicht, wieviele Menschen dann beginnen mit ihre traurige Lebensgeschichte zu erzählen, als würde das etwas an den Tatsachen ändern. Im Prinzip habe ich meinen Job und bin nebenbei noch Psychotherapeut, allerdings werde ich dafür nicht bezahlt und das sage ich denen auch." Ich kann nicht verhindern, laut zu schnauben. "Das wäre auch viel zu menschlich für dich." entfährt es mir und Andrew dreht sich ruckartig zu mir um.

Der Blick der mich trifft, ist eiskalt. "War klar, dass du das mal wieder anders siehst." Er sieht wieder M. Bane an. "Sie müssen wissen, Alec ist jedermanns Therapeut. Ob für seinen unmöglichen Bruder, seine Schwester, die meint, sie kann alleine vom modeln leben und dabei nicht merkt, sie sehr sie ihren Eltern damit auf der Tasche liegt oder für seine kleine Freundin Dot, die bei uns an der Ecke eine Bäckerei hat und es nur eine Frage der Zeit ist, wann sie endlich pleite ist. Ja, Mr. Alexander Gideon Underhill hat für jeden ein offenes Ohr aber wehe, ich will mal etwas von ihm."

Seine Worte treffen mich wie ein Faustschlag in den Magen und auch M. Bane sieht einen Moment sehr irritiert aus, bevor er sich wieder fängt. "Aber für seine Familie und Freunde da zu sein, ist doch eine sehr gute Eigenschaft oder finden Sie nicht, Andrew?" fragt er und mein Mann zuckt mit den Schultern. "Sicher aber er sollte auch mal seinem Ehemann zuhören und vorallem daran arbeiten, wieder selbst auf Vordermann zu kommen, anstatt sich andauernd um die Belange anderer Menschen zu kümmern." Der Blick unseres Therapeuten trifft mich und wieder habe ich das Gefühl, er sieht mitten in mein Innerstes. Ich bin wie gelähmt und finde keine Worte, um mich zu rechtfertigen.

M.Bane sieht mich noch immer an und ich beginne mich auf dem Sofa zu winden. "Alexander, nun sind Sie dran. Erzählen Sie mir von Ihrem Beruf. Andrew, Sie schweigen nun bitte und lassen Ihren Mann reden." sagt er warm und wir starren uns an. Dankbar lächel ich ihn an, während Andrew sich mit verschränkten Armen auf dem Sofa zurück lehnt und mich spöttisch mustert. "Ja, Alec erzähl doch mal von dir und deinem Job." Bei dem Wort Job macht er Anführungszeichen in der Luft und grinst süffisant. Die aufsteigende Wut in meinem Bauch versuche ich zu ignorieren und beschließe, Andrew auszublenden und mich voll und ganz auf Mr. M.Bane zu konzentrieren, der mich freundlich ansieht und auf eine Antwort von mir wartet.

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