24. Emma

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Ich reibe mir die Augen und sehe die Decke von meinem Zimmer. Ich strecke mich und drehe meinen Kopf so, um aus dem Fenster zu gucken. Ich habe wohl gestern schon wieder vergessen die Jalousien runter zu machen. Das Licht strahlt in mein Zimmer in einem warmen Ton. Ich gucke auf meine Uhr und sehe, dass es erst kurz vor zehn ist. Ich setzte mich auf die Bettkante und merke nur ein leichtes Pochen gegen meine Stirn, aber sie sind auszuhalten. Aus Erfahrung weiß ich, dass sie spätestens gegen Mittag weg sind.
Ich gehe an mein Handy und sehe, dass Claire mir schon fleißig geschrieben hat. Unteranderen auch Bilder. Verwundert gehe ich auf dem Chat um die Bilder zu sehen. Mir wird auf einen Schlag heiß und mein Magen beginnt sich zu drehen. Es sind Bilder von mir und Chase, wie wir erst tanzen und dann uns küssen. Eines davon lässt mein Herz so schnell schlagen, und mich irgendwie lächeln. Es ist das, wo wir uns so nah sind und uns anlächeln. Es sieht so echt aus. Als wären wir schon dort ein Paar. Doch ich weiß, dass bei uns beiden sehr viel Alkohol im Spiel war. Wie viel von seiner Seite weiß ich nicht, nur hoffe ich nicht allzu viel. Denn ich bereue nichts. Ich will mein Herz nicht länger mehr festhalten. Er hätte mich ja nicht einfach so geküsst, oder? Ich lese mir schnell ihre Nachrichten durch und schreibe zurück.

Claire: Schon echt heiß! Habe mich sehr erschrocken, als ich die heute Morgen auf meinem Handy gefunden habe, weil ich gedacht habe, ich hätte es nur geträumt. Aber soweit ich mich erinnern kann, haben es deine anderen Mitbewohner nicht mitbekommen. Vielleicht Jay, aber ich bin mir nicht sicher.

Ich: Klasse… Ich hoffe sie haben nichts mitbekommen. Ich habe ja kein Plan, ob er sich daran noch erinnern kann.

Claire antwortet nicht, also schließe ich den Chat und ziehe mir eine dunkel lila Yoga Hose an und ein weißes, enges Shirt. Ich muss echt meine Sachen waschen. Meine Haare mache ich mir zu einem halbwegs ordentlichen, hohen Pferdeschwanz. Ich schminke mir die Panda Augen, die ich durch die Wimpertusche bekommen habe, weg. Ich mache die Tür auf und sehe direkt Chase, der in sein Zimmer will. Wir beide bleiben stehen und gucken uns erschrocken an. Nach seinem Gesicht zu urteilen, weiß er noch genau, was wir gestern gemacht haben. Ich bekomme schwitzige Hände und innerliche Panik, weil er nichts sagt. Ich will gerade meinen Mut zusammennehmen und ihn sagen, dass ich es nicht bereue, da sagt er: „Entschuldigung. Ich hätte dich gestern nicht so überfallen dürfen.“. Er wartet auch nicht auf eine Antwort, sondern geht direkt in sein Zimmer. Ich bleibe stehen und gucke zu der geschlossenen Tür. Mein Kopf ist einerseits so voll, und doch so leer.
Er hat sich entschuldigt.
Er bereut es.
Ich gehe einen Schritt nach hinten und schließe meine Zimmertür leise. Ich lehne meinen Rücken gegen die Tür und setzte mich langsam auf den Boden. Ich habe ihn den Schlüssel gegeben, aber er hat den Raum mit meinen Gefühlen zerstört.
Ich nehme mein Handy und sehe, dass Claire nicht geantwortet hat. Trotzdem schreibe ich ihr eine Nachricht.

Ich: Er hat sich gerade dafür entschuldigt

Ich lese mir die Nachricht immer wieder und langsam laufen die Tränen runter. Sie treffen meine Finger und mein Display, aber ich nehme es nicht weg. Immer wieder spielen sich seine Worte in meinen Kopf ab. „Entschuldigung. Ich hätte dich gestern nicht so überfallen dürfen.“. Immer wieder und je mehr ich es mir im Kopf anhöre, umso mehr Tränen laufen. Ich hätte mit dieser Reaktion rechnen müssen, aber ich wollte es nicht. Ich habe das Lächeln in Kopf. Es sah nicht danach aus, als hätte er es in dem Moment nicht bereut. Vielleicht hat er es auch nicht, aber nun bereut er es. Und das macht viel aus.
Ich gehe in mein Bett und kuschle mich unter meine Decke und schluchze in mein Kissen. Ich hätte nie gedacht, dass es so weh tut.
Ich nehme mir mein Handy und gucke mir mehrmals die Bilder ein. Auch wenn es nicht hilfreich ist, aber ich will in diesen Moment zurück. Auch in den davor. Wo ich mit Claire unbeschwert getanzt habe. Wo wir auf der Treppe saßen und die Bowl getrunken haben.
Nach einer halben Stunde klopft jemand an meiner Tür und Claire sagt: „Ich bin es nur.“. Ich sage zwar nichts, aber sie steckt den Kopf rein und kommt rein und macht direkt die Tür auf und kommt zu mir. Sie nimmt mich in den Arm und das Handy nimmt sie mir weg. „Scheiße!“ flucht sie und streichelt tröstend meinen Rücken. „Ich dachte echt, dass es ernst war.“ Flüstert sie in mein Ohr. Ich nicke nur und schniefe einmal. Sie gibt mir ein Taschentuch und ich putze mir die Nase. Ich werfe das Taschentuch in den Mülleimer und treffe sogar. „Schon der zweite Korb heute.“ Sage ich, aber muss ein bisschen schmunzeln, obwohl mir gar nicht zum Lachen ist.
„Hast du ihn gesehen?“ frage ich irgendwann Claire und sie nickt. „Er war in der Küche. Ich habe ihn auch nur kurz gesehen, aber die Augenringe konnte man nicht übersehen.“. Ich nicke und sie zuckt mit den Achseln. Irgendwann holt sie Schokolade raus, die sie extra mitgebracht hat und ich öffne auf meinen Laptop Netflix. Ich habe Zugriff aus Claires Account schon früh bekommen. Meine Eltern wollten es nicht holen, und ich wollte mein Geld lieber sparen. Bei Claire übernehmen es noch ihre Eltern.
Wir gucken den ersten Teil von Pitch Perfect. Eigentlich nehme ich auch nur ab und zu was war. Immer wieder bin ich am überlegen, ob dieser Moment des Glückes, diese Schmerzen wirklich wert war. Ich glaube nicht. Außerdem ist auch noch neben den Schmerz auch die Veränderung. Ich werde Chase nicht lange aus dem Weg gehen können. Und wenn ich ihn sehe, dann werde ich wieder auf normal tun. Als wäre nichts gewesen, aber für mich ist einfach zu viel passiert. Man könnte es auch als einen Ausrutscher bezeichnen.
Irgendwann grummelt mein Magen, und Claire pausiert den Laptop und guckt mich fragend an. „Wollen wir nicht irgendwo essen gehen?“. Ich nicke und stehe auf. Ich ziehe mir die lockere Löcher Hose an. Mein Shirt lasse ich an, aber ich mache mir etwas schminke unter den Augen, damit man meine Tränensäcke sieht. Auf Wimperntusche verzichte ich, aber Taschentücher packe ich in meine kleine Handtasche. Wir gehen runter und sehen Daniel auf dem Sofa liegen. Er guckt mich fragend an und fragt: „Ist alles Okay?“. Ich zwinge mich zu einem Lächeln und sage: „Ja. Wir gehen nur irgendwo essen.“. Er nickt und konzentriert sich wieder auf dem Fernseher. Wir gehen um die Ecke und im Türrahmen steht Jay. Er hebt nur eine Augenbraue und fragt: „Kann ich mit?“. Ich nicke und wir ziehen unsere Schuhe an und ich nehme mir gerade meine Jacke, als Chase kommt. Er guckt uns alle einmal überrascht an, aber fragt mich dann: „Wohin geht ihr?“. Auch wenn die Frage an mich gestellt war, antwortet Claire: „Wir gehen irgendwo essen.“. Er nickt langsam und ich bekomme echt gut ein Lächeln hin, obwohl mir echt nicht danach zu Mute ist, und sage: „Bis später.“. Ich warte nicht, bis er was sagt, sondern drehe mich um und gehe aus der Tür.

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