27. Chase

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Die Seminare überlebe ich auch nur, weil ich mir in einer Pause doch noch Kaffee hole. Ich trinke Kaffee nur, wenn ich es echt kaum noch aushalten kann. Meine Gedanken kreisen sich immer wieder und es wird echt nicht besser. Ich mag das Studium, aber heute bin ich einfach nur froh, wenn ich es hinter mir habe. Ich sitze in der letzten Vorlesung und versuche mir Notizen zu machen, aber versage schon in dem Punkt. Es ist nicht nur Emma, die in meinen Kopf ist. Warum muss er mir so in Weg stehen, obwohl er nicht mal in der Nähe ist?
Die Vorlesung ist vorbei und ich laufe aus dem Saal raus. Normalerweise hätte ich jetzt noch eine Vorlesung, aber die fällt aus und ich kann deswegen eher nach Hause. Ich schreibe eben Jay an, dass ich schon Zuhause bin und laufe dann los. Der Weg nach Hause ist nicht weit und mir tut das Laufen gut. Trotzdem bin ich froh, wenn ich endlich auf dem Sofa liegen kann.
Ich komme an und schließe die Tür auf. Pure Stille kommt mir entgegen und ich trete mir meine Schuhe aus und hänge meine Jacke weg. Ich schmeiße mich aufs Sofa und bin froh darüber noch eine Stunde alleine zu sein. Ich hole mir noch Schokolade und ziehe mir eine Jogginghose an und gucke mir irgendwas auf Netflix an, aber es langweilt mich schnell. Daher gehe ich nach oben, aber in meinem Zimmer fällt mir nicht so wirklich ein, was ich machen sollte. Mein Blick wandert auf das Bücherregal.
Als Emma sich meine Bücher angeschaut hatte, hatte ich mich ein bisschen geschämt. Ich dachte sie würde sich darüber ein wenig lustig machen, aber hat sie nicht. Zwar glaube ich, dass sie wohl eher Romane liest, aber ich denke, dass man mit ihr Stunden über Bücher reden kann. Nur habe ich die Chance dafür verpasst. Ob wir jemals wieder normal reden können weiß ich nicht. Wobei ich zugeben muss, dass ich derjenige bin, der sich fernhält. Okay, sie hält anstand, aber ich ändere es nicht und fördere es. Ob es richtig weiß ich noch nicht. Ich will sie ja nicht verletzten, oder enttäuschen.
Ich nehme mir das erste Buch von Harry Potter raus und streiche über das Cover. Auch wenn ich mir das Buch bestimmt schon fünftausendmal durchgelesen habe, kann man es immer und immer wieder lesen. Ich setzte mich auf meinen Sitzsack und lese. Ich lese und tauche in diese magische Welt von Harry Potter ein. Weg von der Realität. Aber ein Gedanke schiebt sich ab und zu in meinen Kopf. Sollte ich mir mal irgendwann die Filme angucken?
*
Irgendwann klopft jemand an meiner Tür und ich horche auf. Daniel macht die Tür auf, doch Jay ist dabei. Ich lege das Buch zur Seite und hoffe, sie brauchen einfach nur irgendwo Hilfe. Ich habe jetzt einfach kein Bock auf ein tiefgründiges Gespräch über Emma.
Jay setzt sich vor mir auf den Boden und Daniel nimmt sich mein Schreibtischstuhl. Ich gucke die beiden abwartend an, und Daniel ergreift das Wort. „Jetzt spuck schon aus. Was ist passiert?“ sagt er und Jay guckt mich abwartend an. Ich zeige auf Jay und sage: „Du weißt es doch bestimmt schon, also warum hast du es ihn nicht gleich erzählt?“. Er hebt unbeeindruckt eine Auenbraue und sagt: „Weil es nicht meine Aufgabe ist. Außerdem hatte sie mir nichts erzählen müssen, weil ich bei Claire stand und es gesehen habe. Und glaub mir, dass war mich echt unangenehm.“. Daniel guckt zwischen uns hin und her und fragt leicht sauer: „Okay, ich bin geduldig, aber jetzt bin ich einfach zu neugierig. Was ist passiert!?“. Ich senke den Blick und gucke auf meine Hände. Ich war sonst immer offen zu den beiden. Ihnen jetzt sowas zu verheimlichen spricht nicht für mich. Oder wie beschissen die Situation ist.
„Warte… Ist es das was ich denke?“ fragt er und guckt mich neugierig an. Als ob ich jetzt die Kraft des Gedankenlesens bekommen habe und weiß was er meint. Manchmal frage ich mich, wie er so gute Noten im Studium bekommen kann. „Hast du mit ihr rumgemacht?“ fragt er, doch mein Blick ist wohl Antwort genug. Ich lehne mich gegen die Lehne des Sitzsackes und gucke die Zimmerdecke an. „Ist das dein scheiß Ernst? Du knutschst mit ihr auf der Party rum, und am nächsten Morgen lässt du sie abblitzen?“ fragt er sauer, doch offensichtlich erwartet er keine Antwort. Ich gucke ihn an und will dazu was sagen, doch er hebt die Hand und sagt: „Nein! Ich weiß welche Ausrede du jetzt verwenden willst, aber so läuft es nicht. Es ist viel scheiße passiert, aber es ist Vergangenheit. Emma kann es unterscheiden. Und das mit deinem Bruder erklärst du ihr ganz in Ruhe und sie wird es schon verstehen. Aber du ziehst jetzt nicht die Sache ab mit Abstand, weil es angeblich für euch beide besser ist.“. Ich gucke Daniel erstaunt, aber auch sauer an. Den Impuls ihn eine reinzuschlagen ist gerade zu hoch, aber ich weiß, dass er recht hat. „Verprügle mich meinetwegen, wenn es dir dadurch besser geht. Es ändert nichts an der Tatsache, dass du nur versucht den leichteren Weg zu nehmen, der dich wiederum unglücklich macht.“. Jay guckt ihn mit leicht offener Mund und sagt: „Auf so viele ehrliche und wahre Worte war ich echt nicht gefasst.“. Ich stehe auf und fahre mir durch die Haare und lege das Buch zurück und sage: „Ist jetzt eh zu spät. Sie hasst mich deswegen.“. „Nein.“ „Ja“ kommen gleichzeitig von Daniel und Jay. Beide gucken sich überrascht an und Jay schüttelt den Kopf. „Sie ist ganz schön sauer und traurig darüber. So wie sie heute klang, will sie wohl darüber nicht reden.“. Er presst die Lippen aufeinander. Auf wenn ich damit irgendwie gerechnet habe, trifft es mich doch ganz schön. Nur kann ich ihr echt nicht verübeln.
„Lass Gras über diese Sache wachsen lassen. Verhalte dich einfach wieder normal gegenüber ihr und vielleicht findest du dann irgendwann den Zeitpunkt ihr es zu erklären.“ Sagt Daniel und schiebt den Stuhl wieder an meinen Schreibtisch. Jay steht auf, doch wirkt, als hätte er noch was auf dem Herzen. Daniel geht aus meinem Zimmer, doch Jay zögert. „Warte!“ sage ich zu ihm und er macht die Tür wieder zu und guckt mich fragend an. „Du willst reden.“ Sage ich und setzte mich auf die Bettkante. Er presst die Lippen aufeinander, doch nickt zögerlich. Er setzt sich neben mir und sagt leise und ziemlich zögerlich: „Ich würde dir gerne erzählen, was ich mich beschäftigt hat. Was nur Emma weiß.“. Ich nicke und er braucht lange um die richtigen Worte zu finden. Er macht den Mund immer wieder auf, doch wieder zu und fährt sich mit seinen Händen durch seine blond gefärbten Haare. „Ich bin Homosexuell.“ Kommt plötzlich von ihn. Er guckt mich nicht an, aber man merkt, dass er gespannt und nervös über meine Reaktion ist. Doch ich zucke mit den Schultern und frage: „Bist du sauer, wenn ich sage, dass ich mir es manchmal sogar ein bisschen gedacht habe?“. Er muss schmunzeln, doch er schüttelt den Kopf. Ich klopfe ihm auf die Schulter und sage: „Wo war das Problem? Du hättest wissen müssen, dass wir uns alles erzählen können.“. Er nickt, aber sagt da nichts zu. „Gibt es denn schon jemanden bestimmten?“ frage ich und sehe wie rot er wird. Er nickt und ich sage neckend: „Jetzt sag nicht ich. Ich liebe dich, aber nur als meinen seltsamen besten Freund.“. Er stößt ein nervöses Lachen aus, aber schüttelt den Kopf. Er presst die Lippen aufeinander, aber sagt nervös: „Ist ja auch egal.“ Und steht auf. „Ist es Daniel?“ frage ich bevor er es schafft mein Zimmer zu verlassen. Er bleibt stehen aber sagt nichts. Er hat mir den Rücken zu gedreht, aber ich kann mir vorstellen, dass er rot wird. Irgendwann dreht er seinen Kopf zu mir um und ich sehe seine glasigen Augen. Ein kleines und stummes Nicken kommt von ihm und ich Jubel innerlich. War das so schwer es mir zu erzählen? Okay, sagen sollte ich es trotzdem nicht, weil ich ihnen wahrscheinlich es nie erzählt hätte mit Emma.
Ich stehe auf und lege eine Hand auf seine Schulter und frage: „Und wo ist das Problem?“. Er seufzt und sagt: „Das ich sein bester Freund bin, und er…“. Ich weiß was er meint, doch da irrt er sich. Ja, Daniel war schon mit einigen Mädels zusammen Seine letzte Beziehung ist erst ein halbes Jahr her. Trotzdem weiß ich, dass Daniel Jay schon immer auf eine andere Art mochte. Wir hatten einmal einen Spieleabend gehabt, aber wir hatten eindeutig zu viel Alkohol. Zumindest Jay und Daniel. Ich weiß gar nicht wie es dazu gekommen ist, aber sie haben sich geküsst. Für mich eine seltsame Situation, aber ich habe sie einfach alleine gelassen. Am nächsten Morgen lagen beide auf dem Teppich vor dem Sofa. Daniel ist als erster aufgewacht und wir saßen zusammen in der Küche. Daniel konnte sich nur daran erinnern, dass wir gespielt haben und dann, dass die beiden rumgemacht haben. Irgendwann kam Jay wie ein Zombie in die Küche, aber konnte sich an gar nichts erinnern. Daniel wollte es nicht zugeben, aber er war echt getroffen gewesen. Ich wollte Jay auf die Sprünge helfen, doch Daniel wollte es nicht. Er wurde richtig sauer, weswegen ich ihn das nicht erzählt habe. Ich hatte nur ein Einzel Gespräch mit Jay geführt, doch er konnte sich wirklich nicht daran erinnern. Er wusste nur, dass er neben Daniel auf dem Teppich eingeschlafen ist. Die beiden haben einfach so getan, als wäre nie was passiert. Vielleicht sollte ich es ihn jetzt mal erzählen.
„Rede mit ihn. Du wirst sehen, dass du da falsch denkst.“ Sage ich und er guckt mich mit zusammengezogenen Brauen an. Er zuckt mit der Schulter und steht irgendwann auf und geht zur Tür. Im Türrahmen bleibt er stehen und sagt zu mir: „Dann rede mit ihr.“

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