Kapitel 2

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PoV Levi
Sie hatten mich dazu gebracht ein wenig aufzuräumen, die Fenster zu öffnen, die Rollos hoch zu ziehen und zu duschen. Es war zu viel. Es war einfach zu viel auf einmal. Und so ließ ich mich neben Erwin auf die Couch fallen, sah auf meinen zerlöcherten Teppich und schwieg. Sie hatten Recht, die wenigen Räume, in denen ich mich aufhielt, sahen katastrophal aus und noch vor einem Jahr hätte ich mich selber dafür geschlagen. Doch nun war es mir egal.

Es war mir einfach alles egal. Es war mir egal, dass es stank, dass das Haus aussah wie eine Schweinestall. Es war mir absolut egal, dass meine Freunde sich um sich sorgten. Es war einfach nicht mehr wichtig.

Ich war wieder an diesem Punkt angekommen. Vor 11 Jahren hatte ich ihn bereits erreicht. 11 Jahre. Eine lange Zeit. Damals hatten Erwin und Hanji mich rausholen können. Ich war noch ein Teenager, leicht manipulierbar und formbar. Nun war es anders. Es war nicht mehr nur der Alkohol, der mir zu schaffen machte. Es waren die Gedanken. Die Schlafprobleme, die wiederkamen, als er ging. Die Depression. Die Angstattacken. Alles zusammen. Der Alkohol half. Er half beim Einschlafen. Half beim Durchschlafen. Er machte die Angstattacken weniger real. Und er vertrieb die Gedanken an Eren.

„Hast du noch Essen hier?", fragte Hanji und ich zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist noch was im Tiefkühler.", murmelte Erwin und Hanji stand seufzend vom Sofa auf und verließ das Wohnzimmer. Erwin blieb bei mir sitzen und wuschelte mir durch die noch leicht feuchten Haare. „Du weißt, dass du nicht alleine hier sein musst. Mike und ich können herkommen oder du ziehst zu uns, bis es dir besser geht."

„Vergiss es. Das Letzte was ich brauche ist ein frisch verheiratetes Paar, das mir auf die Nerven geht." Erwin lachte leicht auf.

„Und was würdest du brauchen?", hörten sie es und sahen zum Türrahmen. Hanji lehnte dort, hielt die Speisekarte eines Pizzaservices in den Händen und sah uns mit hochgezogener Augenbraue an. „Das weißt du.", ich wollte es nicht aussprechen. Wollte seinen Namen nicht sagen. Wollte nicht kitschig oder weinerlich klingen. Nicht, wenn ich es selber so versaut hatte. Es war meine Schuld, dass er nicht mehr da war. Und damit musste ich leben. Ich konnte nicht erwarten, dass er einfach zurückkommen würde. Und das tat ich auch nicht. Ich erwartete nichts. So konnte ich nicht noch mehr enttäuscht werden.

„Was wäre, wenn er wieder hier wäre? Was würdest du tun?" – „Hanji.", mahnend sah Erwin die Brillenträgerin an. „Nein ernsthaft. Diese Frage wird er uns wohl beantworten können."

„Ich weiß nicht, was ich tun würde. Ich weiß ja nicht, was er tun würde. Er würde mich wahrscheinlich nicht mal sehen wollen.", murmelte ich dann und legte den Kopf in den Nacken. Wenn er plötzlich vor meiner Tür stehen würde, würde ich mich vermutlich sofort für alles entschuldigen. Alles wofür ich mich vor einem Jahr bereits entschuldigt hatte. Ich würde ihm vermutlich sagen, dass ich ihn noch immer brauchen würde. Doch das konnte ich nicht sagen. Mein Ego oder mein Stolz – ich wusste es nicht genau – hinderte mich daran.

Ich wollte nicht so schwach vor ihnen wirken. Sie hatten mich schon schlimmer gesehen. Doch ich war nun erwachsen. Ich war jemand, der vor ein paar Monaten noch schlimmeren Fällen geholfen hatte. Jemand, der seine eigenen Probleme zur Seite schob, um sich um andere zu kümmern. Jemand, der nicht im Mittelpunkt stehen wollte. Ich wollte nicht schwach vor ihnen wirken. Ich wollte gerade nicht mal ihre Aufmerksamkeit. Ich wollte alleine sein.

Alleine.

Mit ihm.

Alleine.

Can you save my life [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt