Kapitel 17

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PoV Levi
Gemeinsam aßen wir, redeten über alles Mögliche. Und es war nicht so, als dass wir uns zwingen mussten miteinander zu reden, es kam einfach so raus. Wenn ich etwas erzählte, fand Eren eine Geschichte dazu und erzählte weiter.

Und auch nachdem unsere Teller bereits leer waren, sprachen wir weiter.

„Hast du eigentlich mal was von Connie und den anderen gehört?", fragte er mich dann und ich schüttelte den Kopf. Der Letzte der Gruppe – Marco – war vor drei Jahren das letzte Mal erschienen. Der Rest bekam das Leben hin oder brauchte etwas anderes. Eren hatte den Kontakt mit einigen gehalten, doch als er weggezogen ist, ist der wohl auch abgebrochen.

„Ich wollte mich die Tage nochmal mit Armin treffen. Er hat noch Kontakt zu Jean, Connie, Marco und Sasha. Vielleicht machen wir dann was zusammen. Schaffst du das, wenn ich dich alleine lasse?"

Wieder dieses Thema. Schaffte ich das? Vermutlich. Oder auch nicht. Ich wusste es nicht, doch ich wollte nicht der Grund dafür sein, dass Eren seine alten Freunde nicht sehen konnte. „Das geht schon.", murmelte ich ein wenig abwesend und wandte unbewusst den Blickkontakt ab.

„Du musst nicht so tun, als ob.", erklärte Eren ruhig. Seine Stimme war ein wenig tiefer geworden im letzten Jahr. Ich mochte das. Es beruhigte mich. „Sie haben es ja schon länger ohne mich ausgehalten. Ein paar Tage werden sie nicht umbringen. Ich bleibe bei dir.", er lächelte lieb, stand auf und räumte unsere Teller ab.

Nachdenklich sah ich ihm nach.

Er stellte seine eigenen Bedürfnisse hinten an. Hatte ich das damals auch getan? Opferte er sich mehr auf, als er müsste? Man sollte doch meinen, dass ich inzwischen alt genug sein sollte, um auf einen Babysitter verzichten zu können. Doch der Gedanke alleine zu sein, bereitete mir Unruhe.

Ich wäre dann ohne Ablenkung und Schutz. Ein leichtes Opfer für Langeweile. Ein leichtes Opfer für den Alkohol. Das wollte ich nicht. Wenn Eren nach Hause kommen sollte und von seinem Tag erzählen sollte, wollte ich nicht betrunken sein. Ich konnte nicht betrunken sein. Denn sonst würde er nicht mehr nach Hause kommen. Er würde mir nicht mehr von seinem Tag erzählen wollen.

Ich würde ihn enttäuschen, wenn ich alleine wäre. Da war ich mir sicher.

Doch ich konnte ihn doch auch nicht an das Haus fesseln – oder gar an mich. Eren hatte doch auch sein eigenes Leben, wie konnte ich mir rausnehmen wichtiger zu sein als seine Freunde? Wie konnte ich dann auch noch von mir selbst behaupten nur sein Bestes zu wollen? Ich war doch ein Problemfall – so hatte Hanji mich heute genannt.

Ich war ein Problem und drückte mich Eren auf. Wie konnte er das denn einfach so hinnehmen? Lag ihm nichts an seinem Sozialleben?

„Du kannst ruhig gehen.", murmelte ich leise. Eren stand am Waschbecken, spülte die Teller und die Pfanne ab, drehte sich zu mir um und hob eine Augenbraue. „Vergiss es.", grinste er. „Ich werde dich nicht alleine lassen Levi. Die können warten.", sagte er und trocknete seine Hände an dem Geschirrhandtuch ab.

Kam auf mich zu, hockte sich vor mich auf den Boden und sah zu mir rauf.

„Nichts ist mir gerade wichtiger, als dich wieder hinzukriegen, Levi."

-

Müde lag ich auf der Couch, starrte an die Decke und hatte die Finger in Rheas weichem Fell vergraben, die es sich auf meinem Bauch bequem gemacht hatte. Eren war oben, schlief wahrscheinlich schon.

Wir hatten bis vor etwa einer Stunde noch mein Schlafzimmer aufgeräumt. Doch schlafen wollte ich dort nicht. Das wollte ich nie.
Geplant war dieses Zimmer als Gästezimmer. Ich wollte im oberen Schlafzimmer sein. Es hatte ja nicht umsonst das alte Mobiliar. Ich fühlte mich dort deutlich wohler. Heimischer. Doch ich wollte Eren nicht so auf die Pelle rücken. Er konnte ja schon die erste Nacht nicht alleine schlafen. Vielleicht würde es ja mit der Zweiten klappen.

Es war ein wenig wie damals.

In dieser einen Nacht, die ich ungerne erwähnte, hatte Eren mich – verständlicherweise – nicht bei sich haben wollen und ich habe auf der Couch geschlafen. Erst waren es nur drei Nächte. Dann vier, dann fünf. Irgendwann hatte er Angst etwas zu sagen, wenn ich ausgerastet war. Hatte sich dann selber verzogen. Manchmal war er auch aus der Wohnung verschwunden.

Und als er nach dem letzten Mal am nächsten Tag nicht wiederaufgetaucht ist – so wie sonst immer – wusste ich sofort, dass es vorbei war. Er hatte genug von mir. Brauchte eine Pause. Das waren meine Gedanken. Doch aus dieser Pause wurde mehr.

Mikasa stand ein paar Wochen später vor meiner Tür, sagte, sie würde Erens Sachen abholen wollen. Sie hatte die Gitarre vergessen. Das Einzige, was mir von Eren noch geblieben war. Das und eine Wohnung voll mit Erinnerungen und Erlebnissen, die ich vergessen und verdrängen wollte.

Deshalb das Haus.

Es war mein Rückzugsort. Niemand fremdes, keine Nachbarn. Niemand. Nicht mal Hanji und Erwin hatte ich hier anfangs geduldet. Doch Hanji – sie war eben Hanji – hatte einfach meine Tür aufgebrochen, als ich mich eine Zeit lang nicht mehr gemeldet hatte. Ich war nicht mehr zur Arbeit gekommen, hatte ihre Anrufe und Nachrichten ignoriert. Saß einfach nur in meinem Schlafzimmer, trank und versuchte mich nicht absolut scheiße zu fühlen.

Nun hatte ich Eren hier. Mein Rückzugsort wurde zu einer Entzugsklinik. Doch es störte mich nicht. Seit er mir mit der Unordnung geholfen hatte, fühlte ich mich deutlich wohler. Und dass er hier war, trug natürlich auch dazu bei.

Und doch, die Bedenken gingen nicht weg. Ich wusste einfach, dass ich es wieder versauen würde. Vielleicht nicht heute oder morgen, doch irgendwann würde ich es wieder komplett versauen.

Seufzend hob ich Rhea von mir runter, woraufhin die schwarz-weiße Katze beleidigt das Weite suchte. Ich stand von der Couch auf, nahm mir meine Decke und tapste leise die Treppen hoch. Unter Erens Zimmertür konnte ich ein wenig Licht erkennen – er war wohl noch wach.

Doch mein Ziel war nicht sein Zimmer, mein Ziel lag am Ende des Flurs. Ich schlich zur Tür, öffnete jene und atmete die frische Luft ein. Ließ mich samt Decke einfach auf den hölzernen Boden nieder und sah in den dunklen Nachthimmel.

Früher hatte ich mich nie getraut hier raus zu gehen. Ich hatte Angst, ich würde mich im Suff vom Balkon werfen. Vermutlich hätte ich das auch getan.
Es ging mir jetzt nicht besser, es war nicht so, als wären solche Gedanken plötzlich weg. Nun hatte ich jedoch einen Grund sitzen zu bleiben. Einen Grund nicht aufzustehen und die Gedanken Wirklichkeit werden zu lassen.

Can you save my life [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt