PoV Eren
Mitten in der Nacht wurde ich von einem lauten schmerzerfüllten Schrei geweckt. Sofort saß ich aufrecht im Bett. Sah mich um. Und dann wieder dieser Schrei. Levi.Ohne darauf zu achten, dass ich nur eine Boxershorts anhatte, stolperte ich aus dem dunklen Zimmer, rannte die Treppen herunter bahnte mir den Weg zum Wohnzimmer, wo Levi auf der Couch lag und bitterlich weinte.
„Levi?", fragte ich leise und ging auf ihn zu. War es einer dieser Tage? Oder war er nur deprimiert? „Levi?", wiederholte ich und hockte mich vor ihn. Sein Gesicht war zu mir gedreht, noch immer war er fürchterlich am Schluchzen und Zittern. Doch er war nicht wach. Er schlief. So ein Tag also.
Vorsichtig ließ ich meine Hand in seine Haare fahren und kraulte ihm durch die frisch geschnittene Mähne. Er weinte noch immer. „Lass mich!", schrie er plötzlich. Ich wusste, dass er nicht mich meinte. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass ich sowas mitbekam.
„Lass mich!", schrie er wieder und schreckte mit einem Mal hoch. Hektisch atmend sah er in die Dunkelheit, starrte einfach in das dunkle Zimmer. Das Zittern wurde stärker, das Schluchzen lauter. Es schien, als hätte er mich gar nicht wahrgenommen. Völlig fertig krallte er sich in seinen Pullover, vergrub den Kopf in seinen Armen. Sein Körper bebte. Sein Atem war schwer und unruhig. „Levi?", flüsterte ich leise. Bei meiner Stimme schreckte der Schwarzhaarige auf und sah mich panisch an. Das wenige Licht, welches vom Fernseher geboten wurde, reichte aus. Ich konnte seine Gesichtszüge sehen. Konnte seine verweinten Wangen sehen.
Langsam streckte ich meine Hand nach Levi aus. Er sah dem nur angespannt zu. Er wusste, was kommen würde. Ich legte meine Hand an seine Wange, streichelte ihm vorsichtig über die weiche Haut. „Was hast du geträumt?", fragte ich leise und setzte mich neben ihn auf die Couch.
Ich fragte mich, warum er hier und nicht in seinem Schlafzimmer schlief. Doch diese Frage ließ ich unbeantwortet. Es gab Wichtigeres.
Levi sagte nichts, sondern sah mich nur an. Sah auf meine Hand, die ich inzwischen wieder zu mir gezogen hatte. Er sagte nichts. Schwieg.
Auch das war nichts Neues. Vielleicht hatte Hanji genau sowas gemeint? In Situationen wie diesen, konnte sie ihm nicht so gut helfen, wie ich. Er ließ sich von ihr noch nie helfen. Und dadurch, dass er bei mir keine andere Wahl hatte, musste Levi sich irgendwann von mir helfen lassen.
Ich sah, wie sein Blick auf meinem nackten Bauch hängenblieb. Genauer gesagt, an meiner rechten Bauchhälfte und der Hüfte. Die Tränen in seinen Augen wurden mehr und überfordert starrte er auf die Haut.
Anderen wäre dies sicher unangenehm gewesen, doch mich störte es nicht. „Wa-war ich das?", brachte er es dann gebrochen raus und sah mich panisch an. Ich nickte nur und griff nach seiner Hand. Er hatte die Narbe noch nie gesehen.
Als er mich damals mit der Flasche getroffen hatte, bin ich sofort gegangen. Er hatte nie gesehen, was er da angestellt hatte. „Es tut mir leid.", weinte er und wollte sich meinem Griff entziehen, wollte Abstand gewinnen und mir somit wahrscheinlich zeigen, dass er mir nicht zu nah kommen würde, doch ich hielt seine Handgelenke fest umschlungen.
Zog ihn näher an mich heran und sah ihm in die grauen Augen.
Ich liebte seine Augen.
„Weißt du, warum es eine Narbe ist?", fragte ich ihn. „Weil es verheilt ist. Es ist ok, Levi. Wirklich." – „Ist es nicht! Ich habe das getan! Ich habe dich verletzt. Und dann habe ich dir heute noch diesen Scheiß erzählt! Es tut mir leid, E-"
Ich ließ ihn nicht aussprechen, zog ihn einfach näher an mich heran, presste meine Hand auf seinen Mund und brachte ihn somit zum Schweigen. Eine Methode, die er mir gezeigt hatte.
Wenn Konzentration bei einer Panikattacke nicht mehr half – wie zum Beispiel das Zählen – so musste man die Luft anhalten. Natürlich sollte man nicht einfach jemandem die Hand auf den Mund drücken, doch Levi war es bereits von mir gewohnt. Und ich war seine Panikattacken gewohnt. Ich wusste, dass wenn er hysterisch wurde und sich zu entschuldigen anfing, es der Anfang einer Panik war.
Und es schien auch diesmal zu klappen. Levi hielt die Luft an, sah mir dabei ruhig in die Augen und als ich meine Hand wegnahm, fand er seinen Atem wieder. War ruhig und hatte aufgehört zu weinen.
„Wieso schläfst du eigentlich auf der Couch?", fragte ich ihn dann. Ignorierend, dass wir immer noch sehr nah aneinander saßen. Im Gegenteil – ich genoss diese Nähe zu ihm. Ich genoss, dass unsere Knie sich berührten, unsere Arme. Dass unsere Köpfe nur wenige Zentimeter auseinander waren. Ich genoss seine Anwesenheit.
„Wenn ich aufhören will zu trinken, sollte ich nicht in einem Raum schlafen, wo Alkohol ist.", murmelte er leise.
Ohne noch weiter drüber nachzudenken – vielleicht lag es an der vertrauten Situation – packte ich Levis Arm und zog ihn mit mir. Er ließ es über sich ergehen. War vielleicht zu müde, um sich zu wehren.
Ich zog ihn die Treppen rauf, ins Schlafzimmer, wo ich ihn ins Bett schubste und die Tür schloss. „Schlaf jetzt ein bisschen." – „Bleibst du hier?"
Und so setzte ich mich auf meine gewohnte Bettseite, sah zu, wie Levi sich zudeckte und wieder die Augen schloss und fuhr ihm durch die schwarzen Haare.Es war, als wären die Rollen vertauscht. Vor vier Jahren noch, da hatte er dasselbe für mich getan. Nun war es jedoch an mir, ihm zu helfen und für ihn da zu sein.
DU LIEST GERADE
Can you save my life [Ereri/Riren]
FanfictionFortsetzung von "Let me save your life" Nachdem Eren und Levi sich vor einem Jahr getrennt haben, ist Eren seinen eigenen Weg gegangen, während Levi in der Einsamkeit und im Kummer versank. Seine beste Freundin versucht verzweifelt ihm zu helfen. S...