Kapitel 25

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PoV Eren
Ich lag im Bett, die Decke halb über meinen Körper gezogen, den einen Arm hinter dem Kopf, den anderen um Levi geschlungen, der es sich auf meiner Brust gemütlich gemacht hatte und schlief. Ich hatte nicht aufgehört seinen Rücken zu streicheln und über die weiche Haut zu fahren.

Und obwohl auch ich müde war, konnte ich nicht einschlafen. Mein Kopf war voll mit Gedanken, Gedanken, die ich in den letzten Stunden verdrängt hatte.

Was würde morgen sein?

Levi konnte nicht immer Hanji rufen, wenn er Angst bekam zu trinken. Sie würde ihm zwar sofort zur Hilfe eilen, doch das wäre nur eine vorrübergehende Lösung. Wenn Levi keine Ablenkung bekam, wusste ich nicht, ob er sich eigenständig davon abhalten könnte, sich etwas zu holen. Es war bei mir nicht anders gewesen.

Kaum war ich damals von Levi weggewesen – vielleicht auch wegen den Umständen – hatte ich wieder mit Hero angefangen. Ich wollte nicht, dass Levi in eine Klinik musste. Alkoholiker werden teils sowieso viel strenger überwacht als andere Süchtige. Vor allem in unserem Alter.

Den Ärzten ging es dann hauptsächlich darum, dass man wegen des Jobs oder der Familie nicht mehr trank. Sie bauten darauf auf und versuchten den Kranken so das Trinken abzugewöhnen.

Jede Sucht beansprucht seine Zeit, doch Alkohol brauchte – nach meinen Erfahrungen – am meisten davon. Es war nicht so, dass man den Kontakt zum Dealer abbrechen konnte und man halt nicht mehr an den Stoff rankam. Alkohol gab es überall. Es gehörte teilweise zu Treffen mit Freunden dazu. Um beim Chef einen guten Eindruck zu machen, trank man vielleicht auch mal mit. Auf allen erdenklichen Partys gab es irgendeine Form von Alkohol. Und man konnte ihn ohne Probleme überall kaufen. Jeder Supermarkt, jede Tankstelle, jeder Kiosk. Alle führten mindestens Bier und Wein.

Ich bewunderte Levi sehr für sein Durchhaltvermögen. Die letzte Woche wird für ihn nicht einfach gewesen sein. Zudem hatte er auch aufgehört zu rauchen. Den Grund dafür kannte ich zwar nicht, doch dies hieß erhöhten Stress. Dazu die ungewohnte Lebenssituation mit mir. Das Gefühlschaos, das uns beide beschäftigt hatte. Die Schlafprobleme. Ich hätte an seiner Stelle schon längst wieder zur Flasche gegriffen, um dem Stress zu entfliehen. Um einschlafen zu können. Um nicht an meine Sorgen und Probleme denken zu müssen.

Aber Levi schaffte das.

Er hatte es immer irgendwie geschafft seine Probleme zu bewältigen. Oder sie zu verdrängen. Er würde auch diesmal nicht daran scheitern. Das wusste ich. Ich musste es glauben. Wenn ich nicht daran glauben würde, dass nie wieder einer dieser Vorfälle passieren würde, würde ich niemandem damit helfen. Ihm nicht und mir auch nicht.

Als ich hergekommen war, hatte er die Hand gegen mich erhoben, um meine Reaktion zu sehen. Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass mich das immer noch so sehr mitnehmen würde. Er wusste es. Er wusste, dass er einen riesigen Fehler begangen hatte und er wusste auch, dass er es nicht nochmal so weit kommen lassen sollte. Und ich wusste, dass er es nicht wollte. Er wollte es weder damals, noch will er es heute. Er war nicht so ein Mensch. Es war der Alkohol, der ihn dazu machte.

„Warum bist du noch wach?", hörte ich plötzlich seine verschlafene Stimme und sah runter zu meiner Brust. Das Nachttischlicht, welches noch immer brannte, bot mir die Sicht auf sein müdes Gesicht. Auf die zusammengekniffenen Augen, die gegen das Licht ankommen wollten.

Levi löste sich aus meinem Griff, setzte sich auf und zog die Decke über seinen Schritt, sah mich nachdenklich an. „Ich weiß nicht.", log ich. Ich wusste nicht, wie ich erklären sollte, dass ich mir Sorgen machte, ohne ihn zu kränken. Ich hatte Angst, dass er es falsch auffassen würde. So als würde ich nicht an ihn glauben.

„Wie spät ist es?", fragte er gähnend. Mein Blick fiel zur Digitaluhr im Regal. 02:39

„Spät genug, geh wieder schlafen.", ich streckte meine Hand nach ihm aus, wollte ihm durch die Haaren streicheln, doch wurde in meinem Vorhaben unterbrochen, als ich plötzlich seine Lippen auf meinen spürte. Überrascht zog ich zurück und sah ihn verwirrt an. „Sorry."

Ich lächelte nur, zog ihn am Kinn wieder zu mir, schloss meine Arme um ihn und drückte seinen Körper an meine Brust. Nun lag er da. Das Bein über meinen, die Hände an meiner Brust, die Lippen auf meinen. Er lag da in meinen Armen.

„Sagst du mir jetzt, warum du noch wach bist?", fragte er und drückte seinen Kopf gegen meine Brust. Ich legte meinen Kopf auf seinen, streichelte wieder seinen Rücken und seufzte tief. Es war zu erwarten, dass er mich durchschauen würde. „Ich hab Angst um dich.", gestand ich dann. Erwartete gar keine Reaktion. Er würde mich so lange reden lassen, wie ich reden musste. Würde die Pausen abwarten, die ich machte.

„Ich glaube daran, dass du das schaffst. Weil ich daran glauben will, weil ich dich nicht verlieren will. Aber ich habe Angst. Ich habe Angst, dass wenn ich nach Hause komme, du wieder auf der Couch liegst, eine Flasche in der Hand hast und sie nach mir wirfst, wenn ich sie dir wegnehmen will. Und ich habe das Gefühl, dass diese Angst nicht weggehen wird. Niemals. Aber ich sehe deinen Fortschritt, ich sehe, wie schwer es dir fällt und wie stark du bist. Ich könnte das nicht. Ich würde unter dem Druck zusammenbrechen. Aber du schaffst das irgendwie. Das bewundere ich. Und deshalb glaube ich auch, dass meine Angst unbegründet ist und ich dir vertrauen kann, wenn du sagst, dass du es schaffst. Weil ich weiß, dass du das kannst."

Ich wusste nicht, ob das was ich sagte irgendeinen Sinn ergab.

Doch für Levi schien es Sinn zu ergeben. Er löste sich aus meinem Griff, setzte sich auf mein Becken und sah mich an. Wischte mir die Tränen, die sich während meines Monologs gebildet und meine Wange runter geschlichen hatten, weg.

„Ich muss es wenigstens versuchen, oder nicht? Und ich tue das in erster Linie nicht für mich, sondern für dich, Eren. Ich will nicht, dass du Angst hast nach Hause zu kommen. Ich will nicht, dass du Angst vor mir hast. Egal wie groß diese Angst auch sein mag. Ich will, dass du glücklich nach Hause kommst, oder genervt von der Arbeit oder sonst was. Ich will einfach nur, dass du nach Hause kommst. Dass du zu mir kommst. Und ich werde alles tun, damit du das auch willst."

Ich setzte mich auf, sah zu ihm rauf und legte meinen Kopf an seine Brust, spürte die Tränen meine Wangen herunterlaufen.

„Ich liebe dich so sehr, Eren. Ich will dir nie wieder weh tun.", murmelte er, streichelte die Narbe an meiner Hüfte und küsste meinen Kopf. „Ich liebe dich auch."

Wir sagten es nicht oft – schon früher nicht – aber wenn wir es sagten, dann meinten wir es auch so. Dann spielte in diesem Moment nichts anderes eine so große Rolle, wie der jeweils andere.

Can you save my life [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt