Kapitel 26

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PoV Eren
Nachdem ich Maria und Sina entlassen hatte, räumte ich den Gruppenraum noch ein bisschen auf, klopfte die Kissen richtig, sah zwischendurch auf mein Handy. Er hatte mir noch immer nicht geantwortet. Vor knapp zwei Stunden hatte ich Levi geschrieben, dass ich früher nach Hause kommen würde. Doch reagier hatte er noch nicht. Vielleicht war er ja wieder mit Hanji weg und sah nicht auf sein Handy? Ich sollte mir jedoch keine Sorgen machen. Ich vertraute ihm, er würde das schaffen.

„Dich bedrückt was, nh?", fragte Sasha und half mir beim Aufräumen. Es hatte sich gestern überraschend ergeben, dass die Brünette meine Partnerin bei der Gruppe sein würde. Die Therapie von Levi und Hanji hatte ihr damals so viel gebracht, dass sie diese Methode und ihr Wissen weitergeben wollte, um anderen zu helfen.

Sie war die erste, die die Gruppe verlassen hatte, weil es ihr besser ging. Kontakt zu den anderen hatte sie dennoch. Gerade zu Connie. Die beiden waren ja vor vier Jahren schon unzertrennlich. „Eren?"

Ich schreckte aus meinen Gedanken und sah sie verlegen an. „Sorry, ist nichts Wichtiges.", auch wenn es Sasha war, mit der ich mich immer sehr gut verstanden hatte, so wollte ich Privates und Berufliches nicht vermischen. „Geht es Levi gut?", fragte sie dann plötzlich und ich stockte in meinen Bewegungen.

„Ihr seid doch noch zusammen, oder?" Ich nickte. Eigentlich waren wir es nicht offiziell – glaube ich. Aber das zu erklären würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Zeit, die ich ungern dafür opfern würde, wenn ich mir Sorgen machte. Sorgen, die ich mir nicht machen wollte. Aber ich kam dagegen nicht an. „Na geh schon, ich mach hier alles fertig.", erklärte sie und lächelte mich lieb an.

-

Ich schloss die Haustür auf, erwartete von Rhea überfallen zu werden, doch von der Katze war keine Spur zu sehen. Genauso wie von Levi. Er war nicht im Wohnzimmer, nicht in der Küche und auch von oben hörte ich nichts. Sein Auto stand auf der Auffahrt. Wo war er?

Ich ging die Treppen rauf, je höher ich kam, desto lauter hörte ich ein Kratzen. Und als ich die letzte Stufe erreicht hatte, sah ich die schwarz-weiße Katze vor unserem Schlafzimmer sitzen und an der Tür kratzen. Als sie mich bemerkte, fing sie laut an zu miauen und kratzte noch stärker an der Tür. War er da drin?

Langsam drückte ich die Türklinke runter, wollte ihn nicht durch laute Geräusche wecken, falls er schlafen sollte. Doch entgegen meiner Erwartungen ließ sich die Tür nicht öffnen. „Levi?", rief ich gegen das weiße Holz und schob Rhea ein wenig zur Seite. Von drinnen hörte ich ein lauten Rumpeln – war er hingefallen?

„Levi? Mach die Tür auf.", bat ich ruhig. Er sollte nicht den Eindruck bekommen, dass ich wütend wäre. Ich war es nicht. Aber bei Levi war ich vorsichtig. Er schloss sich nie irgendwo ein. „Kann ich nicht.", murmelte er auf der anderen Seite. „Warum?", hatte er sich verletzt? „Ich hab den Schlüssel aus dem Fenster geworfen."

Was?

„Wo genau hast du ihn hingeworfen?", fragte ich ruhig. Während meiner Phasen, die durch meine Bipolarität hervorgerufen wurden, hatte er bereits Schlimmeres erlebt. Außerdem musste er einen Grund dafür gehabt haben, dass er sich einschließt und den Schlüssel wegwirft.

„Er liegt irgendwo bei der Haustür.", murmelte er leise. Ich hörte wie peinlich ihm das Ganze war. „Ich hole ihn.", beinahe hätte ich noch so einen dämlichen Satz, wie "bleib wo du bist" oder so gesagt. Glücklicherweise konnte mein Hirn sich vor sowas Dummen zurückhalten.

Ich ging also die Treppe wieder runter, öffnete die Haustür und sah mich nach dem Schlüssel um. Das Schlafzimmerfenster lag genau über der Haustür und Levi wollte bestimmt nicht für immer im Zimmer eingeschlossen bleiben. Soweit weg konnte er ihn nicht geworfen haben.

Und tatsächlich nach etwa einer Minute des Suchens, fand ich den silbernen Schlüssel neben einem der Ziersteine, griff ihn mir und hechtete wieder die Treppe rauf, schloss die Tür auf und fand Levi vor.

Er saß neben der Tür, die Beine angewinkelt, die Ellenbogen auf den Knien gestützt, er griff sich in die Haare, versteckte sein Gesicht hinter seinen Armen. Zitterte. „Levi?", ich hockte mich neben ihn, wollte seine Hände von seinem Kopf nehmen, doch er zuckte nur stark zusammen. Der Schweiß lief ihm die Schläfen herunter.

„Mir ist heiß.", murmelte er mit zittriger Stimme und nahm schließlich seine Arme runter, sah mich aus roten aufgequollenen Augen an. Er war kreideweiß. Sofort wusste ich was los war. Die ersten Entzugserscheinungen. Der erste Tag ohne Ablenkung.

Ich setzte mich im Schneidersitz vor ihm, streichelte ihm durch die verschwitzen Haare und merkte, wie er sich langsam beruhigte. „Wieso hast du dich eingesperrt?", fragte ich leise, hob ihn auf meinen Schoß und lächelte leicht, als ich merkte, wie er sich an mich schmiegte und meinen Pullover-Ärmel festhielt. Er schwieg. Suchte er die richtigen Worte? War es ihm peinlich?

Ohne noch ein Wort zu sagen stand ich mit Levi im Arm auf, trug ihn ins Badezimmer, wo ich ihn auf den Badewannenrand setzte und Wasser in die Wanne ließ. Ich kippte was von einem der Öle ins Wasser und kniete mich dann vor Levi, zog ihm die Socken aus, spürte seine Hände an meinen Schultern. Ich machte einfach weiter, stellte ihn kurz hin, zog ihm Hose und Boxershorts aus, machte bei seinem Pullover weiter.

Setzte ihn in die gefüllte Wanne, stellte das Wasser ab, setzte mich auf den Badewannenrand und streichelte ihm wieder durch die Haare. Levi legte seinen Kopf auf meine Oberschenkel und seufzte wohlig. „Ich wollte trinken. Und damit ich nichts holen kann, hab ich mich eingesperrt.", murmelte er abwesend. Ich brummte nur zustimmend. „Geht es dir besser?" – „Nein.", antwortete er wahrheitsgemäß. „Kannst du-", er brach ab, sah zu mir hoch, dann in die Wanne. Ich verstand, zog mich ebenfalls aus und setzte mich hinter ihn in die große Badewanne, drückte seinen Rücken an meine Brust und legte einen Arm um ihn. Mit der freien Hand kraulte ich ihm durch die Haare.

Dass sie schwitzig waren, interessierte mich nicht. Ich konnte nicht zurückschrecken, nur weil Levi ein wenig schwitzte. Egal, ob wir zusammen waren oder nicht, er brauchte mich. Und ihn zurückzuweisen, wenn er sich nicht gut fühlte, wollte ich nicht.

„Kann ich sonst was für dich tun?", fragte ich leise und küsste sein Ohr, hoffte ihn etwas ablenken zu können. „Ist es ok für dich, wenn ich wieder mit dem Rauchen anfange? Dass ich heute keine Zigaretten hatte, hat nicht unbedingt geholfen."

Setzte ich ihn zu sehr unter Druck?

Wegen mir hatte er aufgehört zu rauchen, wegen mir hatte er aufgehört zu trinken und – auch, wenn er es nicht so gesagt hatte – wegen mir hatte er sich eingesperrt. Er wollte nicht trinken, meinetwegen.

„Mach das nicht von mir abhängig.", erklärte ich.

Dann wurde geschwiegen. Levi kuschelte sich mehr an mich, genoss das warme Wasser um ihn herum und schloss die Augen. Schien sich wirklich entspannen zu können.

Während in meinem Kopf nur Chaos der Schuldgefühle regierten.

War ich überhaupt gut für ihn?

Can you save my life [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt