Kapitel 12

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PoV Eren
Levi war wieder eingeschlafen. Doch noch immer hatte ich meine Hand in seinen dunklen Haaren vergraben. Es ging ihm nicht gut. Es ging ihm noch schlechter, als ich angenommen hatte. Ich konnte ehrlich gesagt verstehen, warum er trank.

Levi war nicht die Art Person, die einen mit seinen Problemen nerven wollte. Ich hatte mich ihm aufgezwungen und ihm damals helfen können. Er war nicht alleine. Doch nun? Abgeschottet in diesem Haus, alleine. Er ließ Hanji und Erwin nicht mehr so an sich heran, wie vorher. Ich war nicht da gewesen und jemand anderen hatte er nicht. Ich würde an seiner Stelle auch wieder zur Flasche greifen wollen.

Auch, wenn er es nicht hätte tun müssen, als wir noch zusammen waren, so konnte ich es verstehen. Es ging ihm damals schon nicht gut. Wir hatten kaum noch Zeit füreinander. Er zog oft mit Erwin rum. Trank hier und da. Hatte vermehrt Angstattacken, die er sich nicht erklären konnte. Ich verstand, warum er trank. Ich verstand nur nicht, warum er es so übertrieben hatte.

Doch was hatte ich schon zu melden? Uns hat das Schicksal ja auch nur zusammengebracht, weil ich mit den Drogen übertrieben hatte.

Wie konnte ich da erwarten, dass Levi es von alleine schaffen würde, seine Grenzen zu kennen und sich kontrollieren zu können? Das wäre egoistisch. Er brauchte genauso Hilfe, wie ich vor vier Jahren.

Mein Blick fiel auf den Schwarzhaarigen. So wie er da lag und schlief, konnte man sich gar nicht richtig vorstellen, was alles Negative in seinem Kopf herumspukte. Man konnte sich nicht vorstellen, was er schon alles durchgemacht hatte und wie kaputt er wirklich war. Es schien so, als wäre er gar nicht er selbst. Als würde der kaputte, traurige Levi gar nicht existieren. Als hätte er zwei Persönlichkeiten.

Die eine, die kam, wenn er wach war.

Und die andere, die nur zu sehen war, wenn er schlief. So wie jetzt.

Ruhig.

Ich kraulte weiter seinen Kopf – das hatte er früher geliebt – und lehnte den Kopf nach hinten. Es war dasselbe Bett. Es waren dieselben Möbel, wie in der alten Wohnung. Er hatte sie behalten. Obwohl er sich ohne Probleme neue hätte anschaffen können. Ich verstand ihn nicht. Er kaufte sich ein Haus, ließ die untere Etage komplett neu einrichten, die obere jedoch aussehen, wie die alte Wohnung. Und warum war er nie hier oben?

War er an dem Punkt angekommen, wo es ihm schon zu anstrengend wurde, die Treppen zu gehen? Solche Tiefpunkte gab es immerhin auch. Da wurde es selbst zu anstrengend zu duschen. Und so, wie Levi vorgestern noch aussah, war so ein Tiefpunkt nicht lange her. Vielleicht steckte er noch immer drin, versuchte nur sich zusammen zu reißen? Ich wusste es nicht. Doch es zählte auch nicht.

Für mich war nur wichtig, dass es Levi bald besser gehen würde. Dass wir wieder wir sein könnten. Es gab nichts, was ich mir sehnlichster wünschte, als das. Ich wollte einfach wieder zu ihm gehören. Seins sein. Und ich wollte, dass er wieder zu mir gehörte. Meins war.

Das eine Jahr ohne ihn, hatte sich angefühlt wie die Hölle auf Erden. Nichts konnte mich glücklich machen. Keine Freunde, keine Arbeit, keine Familie. Nichts. Es konnte mich ablenken. Doch es machte nichts ungeschehen.

Dafür musste ich selber sorgen.

Levi fühlte sich schuldig für das, was er getan hatte. Das war auf der einen Seite gut, da er verstanden hatte, was er angerichtet hatte. Doch auf der anderen Seite war es unwichtig. Ich hatte ihm verziehen. Sonst wäre ich nicht hier. Würde ich ihn hassen, wäre ich nicht hier. Wenn es mir nur um ein Dach über dem Kopf gehen würde, wäre ich nicht hier. Ich wäre nicht zu ihm runter gelaufen. Ich hätte mich nicht um ihn gekümmert und ich würde mir nicht solche Sorgen um ihn machen.

Er musste verstehen, dass ich ihm verziehen hatte.

Er musste verstehen, dass die Narben – egal ob körperlich oder seelisch – eben nur das waren. Narben. Verheilte Wunden, die nicht wieder aufgehen würden.

Solange er das nicht verstehen würde, könnte ich ihm nicht helfen.

Doch wie sollte ich ihm das klar machen? Ihm Nähe zeigen? Das tat ich schon. Es ihm nochmal sagen? Das würde kaum etwas bringen. Er war schließlich davon überzeugt, dass er sich schuldig fühlen musste.

Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich konnte nichts tun, als warten und ihm zeigen, dass ich da wäre, auch wenn diese Dinge damals passiert waren.

Can you save my life [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt