Ich wollte zwar nicht mit Walid essen gehen, aber Hunger habe ich trotzdem als ich nachhause komme. Deshalb laufe ich vom Flur aus direkt durch in die Küche.
Bevor ich mich nach etwas essbarem umsehe, hole ich jedoch erstmal mein Handy aus der Tasche meiner Jacke und lese endlich die neue Nachricht von Maxim.
"Es ist wirklich leer in meinem Haus ohne dich", hat er zuletzt geschrieben.
Er vermisst mich.
"Bei uns ist es auch total leer. Abbas und ich reden nicht wirklich miteinander und unsere Freunde halten sich auch größtenteils von mir fern. Bin ziemlich einsam", gebe ich zu.
Am liebsten würde ich sofort zurück zu Maxim fahren. Bei ihm ging es mir viel besser.
Ich durchwühle den Kühlschrank und hole eine Banane und einen Naturjoghurt heraus. Aus einem der Oberschränke nehme ich eine geöffnete Packung Haferflocken und matsche alles zusammen in eine Müslischüssel.
"Tut mir leid für dich", kommt es von Maxim zurück. "Was hast du denn heute so gemacht?"
"Oh man", stöhne ich leise und schiebe mir einen Löffel mit der Joghurtpampe in den Mund.
"Ich habe mich mit Walid getroffen und du?", antworte ich schweren Herzens. Ich will ihn nicht anlügen. Ich lüge momentan schon genug, da will ich nicht auch noch Maxim anlügen müssen. Ich weiß zwar, dass ihm diese Antwort nicht gefallen wird, aber im Gegensatz zu Abbas und Walid habe ich vor Maxim keine Angst. Er hat mich bis jetzt nie schlecht behandelt und macht mir keine Szene, wenn ihm was nicht passt sondern beredet die Dinge vernünftig mit mir. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber leider nicht.
"Und wie war's?", kommt von ihm als Antwort. Klingt relativ neutral.
"Es war okay, aber es war lange nicht mehr das, was es mal war. Wir können nicht miteinander reden, die Fronten sind total verhärtet. So distanziert zu ihm zu sein fühlt sich falsch an, aber ich will ihm auch nicht mehr näher kommen", tippe ich in mein Handy.
"Er ist halt nicht ich 🤷🏼♂️"
Auch wenn das eine lapidare, leicht flapsige Antwort ist die mich schmunzeln lässt, bringt sie es gut auf den Punkt: Walid ist nicht Maxim und nach dem habe ich mich heute wirklich gesehnt.
"Ich wäre lieber bei dir gewesen", antworte ich ehrlich. "Du kennst meine Einstellung dazu, Lilli. Das soll kein Vorwurf sein, aber es ist halt auch keine Lösung dich in Stuttgart zu verstecken, das wird sowieso irgendwann rauskommen. Du kommst nicht drumherum eine Entscheidung zu treffen - gar nicht wegen mir, sondern vor allem wegen dir."
"Abbas weiß schon, dass ich vorletzte Nacht bei dir war 🙈", informiere ich Maxim.
Die Häkchen färben sich sofort blau, doch Maxim antwortet nicht. Ich stelle die leere Müslischüssel in die Spülmaschine und laufe die Treppen hoch, als plötzlich mein Handy in meiner Hand hektisch aufblinkt.
Maxim ruft an.
Mein Herz setzt einen Schlag aus und ich nehme den Anruf nervös an. "Hallo?"
"Hey Prinzessin", sagt er und ich höre, dass er bei diesen Worten schmunzelt. Er zieht dieses Prinzessinnen-Ding wirklich gnadenlos durch. "Woher weiß Abbas davon?"
"Er hat mich gefragt wo ich war und ich habe ihn zuerst angelogen, aber er hat das sofort gemerkt. Er meinte dann, dass er es gar nicht wissen will, weil er Walid nicht meinetwegen ins Gesicht lügen will. Ich habe es ihm angesehen, dass er weiß, dass ich bei dir war, auch wenn er es nicht ausgesprochen hat."
"Oh man", seufzt Max. "Hat er denn noch Theater gemacht?"
"Nein. Er meinte nur ich soll die Kurve kriegen, ich sei gerade dabei mein Leben vor die Wand zu fahren."
"Ich verstehe ihn nicht. Er weiß doch was Walid treibt, wieso will er unbedingt, dass du bei ihm bleibst obwohl er dich so mies behandelt hat?"
"Ganz ehrlich? Ich glaube Abbas wusste von Anfang an, dass Walid mich irgendwann schlägt. Younes hat mal was in diese Richtung erwähnt."
"Ernsthaft?"
"Ja. Abbas hat mich früher nie angefasst und nachdem ich bei dir war hat er das erste Mal die Hand gegen mich gehoben. Immer wenn Walid und ich uns gestritten haben war er plötzlich total streng mit mir, das war früher nie seine Art."
"Kannst du dir vorstellen, dass Walid ihn mit irgendwas unter Druck setzt?"
Ich schlucke. "Ich weiß nicht. Ich habe nie an sowas gedacht. Ich dachte immer, dass Abbas will, dass finanziell für mich gesorgt ist. Anfangs war Walid ja auch immer gut zu mit. Oder er hat Angst davor, dass mein Name beschmutzt wird, wenn ich die Verlobung löse. Für Walid wärst immer du der Grund für die Trennung und das würde ein schlechtes Licht auf mich werfen, zumal du auch noch ein Deutscher bist", erkläre ich nachdenklich.
"Und?", fragt Maxim. "Hm?" Ich verstehe nicht, worauf er hinaus will.
"Bin ich der Grund?", fragt er selbstsicher.
"Träum weiter", antworte ich grinsend und Maxim lacht. "Ne, mal ernsthaft. Du bist nicht der Grund, das wäre auch schäbig, aber es wäre eine Lüge wenn ich sagen würde, dass du kein Punkt auf meiner Liste bist."
"Charmant, Lilli. Ich bin also ein Punkt auf deiner Liste."
"Ach man, so meinte ich das doch gar nicht", stöhne ich frustriert. "Schon gut, ich mache nur Spaß", lenkt er ein. "Was willst du jetzt tun? Es klingt so, als hättest du deine Entscheidung eigentlich schon getroffen.. Nur aus Pflichtbewusstsein Walid und deiner Familie gegenüber mit ihm zusammen zu bleiben wird dich nicht glücklich machen."
"Ich weiß, aber.."
Ich muss einfach herausfinden ob Maxim die Wahrheit gesagt hat oder ob er mich nur gegen Walid ausspielen wollte. Abbas und Walid haben ihn immer als den Teufel persönlich dargestellt, deshalb wäre es genau so naiv ihm jedes Wort zu glauben. Es macht zwar keinen Unterschied für meine Entscheidung mit Walid Schluss zu machen, aber es ist wichtig dafür, wie es mit Max weitergehen soll, denn wenn er mich belogen haben sollte, will ich auch ihn nicht mehr sehen.
Vor allem ist mir aber auch wichtig herauszufinden, was Abbas' Rolle in dem Ganzen ist.
Ich werde versuchen die Wahrheit herauszufinden. Ich muss versuchen an Walids oder Abbas' Handy zu kommen und die Wahrheit mit meinen eigenen Augen zu sehen.
Aber diesen Plan behalte ich vorerst für mich.
"Ich muss mir noch eine Strategie zurecht legen", lüge ich. Ich muss erst mit absoluter Sicherheit wissen, dass ich ihm trauen kann. Nach allem, was mir in den letzten Wochen erzählt wurde, weiß ich nämlich nicht mehr wer Freund und wer Feind ist.
"Kann ich verstehen", antwortet Maxim ruhig. Ich mag es, dass er so entspannt ist und mich nicht unnötig unter Druck setzt. Ich denke er weiß genau, dass das schon genug andere Menschen tun.
"Ich wollte da aber noch mal was anderes ansprechen", erklärt Maxim.
Ich merke, dass sich mein ganzer Körper anspannt und reibe nervös meine Finger.
"Ja?", krächze ich.
"Vielleicht sollten wir uns doch nochmal ganz unverfänglich treffen. Ich habe mich letztes Mal wie ein Idiot verhalten und mich noch nicht mal anständig von dir verabschiedet", räumt er ein. Mein Magen kribbelt verdächtig und mir schießen Bilder unseres ersten Kusses in den Kopf.
"Na gut, wenn du unbedingt willst", antworte ich grinsend, um meine Vorfreude nicht zu euphorisch zum Ausdruck zu bringen.
"Wie sieht's bei dir in drei Tagen aus?"
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Meine Lieben,
Womit könnte Walid Abbas unter Druck setzen?
Wie fandet ihr das Telefonat zwischen Lilli und Maxim?
Und was könnte in drei Tagen passieren?
A.
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In meinem Herzen nur wir
RomanceFortsetzung zu "In meinem Herzen nur du" ___________________________________ Lilli hat Walid bei der Eröffnungsfeier seines Clubs durch ihren älteren Bruder Abbas kennengelernt. Auch wenn die beiden sich sofort ineinander verliebt haben, war es ein...