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Am nächsten Tag muss Maxim mal wieder zur Arbeit und da ich befürchte, mich ohne ihn und sogar ohne mein Handy, das ich bisher nicht wieder angeschaltet habe, in dieser fremden Stadt und ohne eigenes Auto zu Tode zu langweilen, entscheide ich mich dazu, ihn zu begleiten.

Da es mir langsam deutlich besser geht, will ich mich bei Maxim revanchieren und stehe früh auf um uns Frühstück zu machen während er noch schläft.

Maxim hat die gestrige Situation gut überspielt und es einfach bei diesem einen peinlichen Moment belassen. Er hat den fast ausgearteten Kuss nicht mehr angesprochen und auch ich hatte definitiv nicht das Bedürfnis, das auszudiskutieren.

Was hätte ich denn auch sagen sollen?

Ich stecke ein paar Aufbackbrötchen in den Ofen. Auch wenn Maxim vermutlich kein Problem damit hätte, will ich nicht mit seinem Auto zum Bäcker fahren. Bisher bin ich weder den Ferrari noch den BMW gefahren und das letzte was ich jetzt noch brauche ist ein Autounfall mit einem seiner heiß geliebten Sportwagen.

Nach und nach koche ich Kaffee, schneide Obst und Gemüse, koche Eier und decke den Tisch.

Erst als ich fast fertig bin kommt Maxim in kurzer Shorts und T-Shirt die Treppen runter geschlurft und reibt sich verschlafen die Augen.

"Guten Morgen", begrüße ich ihn fröhlich.

Als er erkennt, was ich hier in der Küche getrieben habe, bekommt er große Augen.

"Träume ich?", fragt er grinsend und schaut beeindruckt zwischen dem Esstisch, der Küche und mir hin und her.

"Nein, alles real", gebe ich grinsend zurück.

"Daran könnte ich mich glatt gewöhnen", erwidert Maxim zufrieden und umrundet die dunkle Kochinsel um zu mir zu kommen. Er schließt mich in seine Arme und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. "Guten Morgen erstmal."

"Guten Morgen", wiederhole ich noch einmal. "Womit habe ich das verdient?", fragt Maxim. "Ich wollte mich einfach mal dafür revanchieren, dass du mich die letzten Tage immer so verwöhnt hast. Ich war früh wach und dachte mir, ich überrasche dich", antworte ich wahrheitsgemäß.

"Das hast du geschafft."

Ich lege meine schlanken Arme um seinen muskulösen Bauch und ziehe ihn fordernd etwas näher an mich heran. So groß wie er ist, muss ich meinen Kopf immer leicht in den Nacken legen um in seine hellblauen Augen sehen zu können. Ich lege meine Hand an seine Wange und drücke ihm einen liebevollen Kuss auf den Mund.

So sehr ich mir auch vorgenommen habe eine gewisse Distanz zu ihm zu wahren - es überkommt mich immer öfter. Seit ich nach dem verhängnisvollen Urlaub abgehauen und zu Maxim geflüchtet bin habe ich ein extremes Bedürfnis nach seiner Nähe. Er zieht mich so stark an, wie es noch nicht mal Walid getan hat. Ich habe ständig das Verlangen ihn anzufassen, mich an ihn zu kuscheln oder ihn zu küssen, auch wenn ich es mir selbst so oft wie möglich verbiete.

Maxim ist einfach so gut zu mir und er gibt mir ein wahnsinnig gutes Gefühl. Auch wenn man weder Menschen noch Beziehungen miteinander vergleichen soll, war die Beziehung zu Walid von Anfang an immer schwierig. Schon während der Kennenlern-Phase haben wir uns ständig gestritten, wir hatten immer Auseinandersetzungen und Missverständnisse.

Mit Maxim ist alles anders, irgendwie leichter. Er ist so entspannt und ruhig und das überträgt sich auf mich. Außerdem gefällt es mir, dass er alles andere für mich stehen und liegen lassen würde. Er ist für mich da wenn ich ihn brauche, ob Tag oder Nacht, egal wie viele Kilometer er von mir weg ist. Doch am meisten gefällt mir, dass er mich bis jetzt nicht unter Druck setzt und keine Erwartungen an mich stellt.

"Lass uns frühstücken", fordere ich Maxim auf, der mich noch immer in seinen Armen hält und reiche ihm eine Tasse Kaffee. Wir setzen uns gemeinsam an den Esstisch und während wir unsere Brötchen schmieren fragt Maxim: "Sollen wir eigentlich mal dein Auto aus München holen? Dann bist du auch mal etwas mobiler und eigenständiger hier. Meinetwegen könntest du auch mit dem BMW fahren, aber das willst du ja nicht."

"Ja, ich habe da heute morgen auch drüber nachgedacht. Wie gesagt, ich muss jetzt auch endlich mal nach einer Wohnung schauen. Hier bei dir fühlt es sich an wie Urlaub, aber so kann es ja nicht den Rest meines Lebens weiter gehen", denke ich laut.

"Wieso nicht?", fragt Maxim trocken und zuckt mit den Schultern.

"Bitte nicht schon wieder", stöhne ich leise.

Maxim legt sein Messer auf den Tellerrand und sieht mich ernst an. "Um ehrlich zu sein will ich einfach nicht, dass du zurück nach München gehst", stellt er klar. "Es nervt mich, wenn ich darüber nachdenke, dass du 300 Kilometer von mir entfernt bist, in der Nähe von Walid und Abbas, wo ich auch noch Angst um dich haben muss und dich außerdem nicht sehen kann wann ich will."

Geschmeichelt lächele ich ihn an. "Das ist süß von dir. Aber du kennst auch meine Einstellung dazu. Ich muss mein Leben auf die Reihe kriegen. Ich bin Hals über Kopf aus meinem Zuhause abgehauen, habe weder meinen Freunden noch meiner Familie seit Tagen ein Lebenszeichen gegeben, geschweige denn, dass sie wüssten, wo ich bin. Ich habe ja nicht mal Klamotten hier."

"Können wir ja abholen", entgegnet Maxim.

Ich seufze lautlos auf. "Ich würde auch gerne bei dir bleiben Maxim, so ist es nicht", gebe ich zu.

"Ja wieso tust du es dann nicht einfach?", fragt er genervt und seine Stimme wird lauter.

Erschrocken schaue ich ihn an.

"Ich verstehe dich einfach nicht", schimpft er. "Was ist denn dein Problem? Wenn es mich stören würde, dass du hier bist, würde ich dir das sagen, aber ich sage dir doch gerade ganz klar und das nicht zum ersten Mal, dass ich will, dass du bei mir bleibst. Wenn du das nicht willst, dann sag mir das einfach, aber ich sehe da wirklich dein Problem nicht. Du erzählst mir jedes Mal, dass du ja nicht einfach bei mir bleiben kannst, aber wenn ich dich dann frage wieso, kannst du mir keinen Grund nennen."

Sprachlos starre ich Maxim an und ringe nach Worten. Ich will gerade etwas antworten als es plötzlich an der Tür klingelt.

Überrascht drehe ich mich zur Tür, doch trotz der Milchglasscheibe kann ich nicht erkennen, wer um diese frühe Uhrzeit bei Maxim schellt.

"Erwartest du jemanden?", frage ich ihn, doch sein irritierter Blick verrät mir, dass das nicht der Fall ist. "Nein, eigentlich nicht", antwortet er ebenso perplex und erhebt sich von dem dunklen Ledersessel. Er durchquert den Raum und dann den Flur und öffnet schwungvoll die Haustür.

Ich versuche zu erkennen, wer vor der Tür steht, doch Maxim breit gebauter Körper versperrt mir die Sicht.

"Wo ist sie?", knurrt eine mir bekannte Stimme und ich könnte schwören, dass mein Herz in diesem Moment stehen bleibt.

Scheiße.

Das kann nicht wahr sein.

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Meine Lieben,

Was sagt ihr zu der Diskussion von Lilli und Maxim am Frühstückstisch? Wen von den beiden könnt ich eher verstehen?

Und das Wichtigste: Wer steht da am frühen Morgen bei Maxim unangekündigt vor der Tür?

A.

In meinem Herzen nur wir Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt