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Selbst nach einigen Minuten haben sich weder mein Herzschlag noch meine Atmung normalisiert und auch Maxim geht es nicht besser. Sein Kopf liegt auf meinem flachen Bauch, während er schwer atmet und ich immer wieder gedankenverloren durch sein blondes Haar streiche.

"Das war so gut", sagt er irgendwann heiser ohne mich dabei anzusehen. "Ich dachte ich wüsste was guter Sex ist, aber es scheint sich zu lohnen, darauf zu warten. Wenn man nicht gleich bekommt, was man will, ist es irgendwie mehr wert", philosophiert er mit geschlossenen Augen vor sich hin.

Es klingt kryptisch, aber ich weiß genau was er meint. Niemals hätte ich gedacht, dass ich so viel Sehnsucht und Lust verspüren könnte.

Und doch kann ich mich nicht dagegen wehren, dass mich bereits wenige Stunden später eine Welle von schlechtem Gewissen überrollt. Maxim und ich waren zusammen duschen, haben uns in kuschelige Bademäntel gehüllt und uns ins Bett gelegt. Wieder hatte ich das Bedürfnis ihm so nah wie nur irgendwie möglich zu sein und er ließ es geschehen. Als mir dann irgendwann sein gleichmäßiger Atem verriet, dass er eingeschlafen ist, brachen jedoch eben jene negative Gedanken wieder über mich herein.

Habe ich zu schnell mit ihm geschlafen? Widerspricht das nicht all meinen Prinzipien? Zwar habe ich mich schon immer davon frei gesprochen, erst nach der Hochzeit mit einem Mann zu schlafen, aber ich wollte mir schon sicher sein, dass der Mann mit dem ich es tue einer ist, mit dem ich eine Zukunft habe.

Ist das bei Maxim der Fall? Kann ich mir vorstellen, mein Leben mit ihm zu verbringen? Und kann er sich überhaupt vorstellen, das auch mit mir zu tun?

Bei Walid bin ich mit diesem Vorhaben schon auf die Nase gefallen. Was, wenn ich mich auch in Maxim täusche?

Mein Blick fällt auf den großen muskulösen Mann, dessen Gesichtszüge im Schlaf nicht mehr hart und kantig wirken, sondern ganz friedlich. Sein Arm ist um meinen Bauch geschlungen, sein Körper in einen weichen schwarzen Bademantel gehüllt, der seinem durchtrainierten und tätowierten Körper die Härte nimmt. Und auch dass er mir vorhin auf der Couch seine Gefühle offenbart hat, sich emotional schon vor mir nackig gemacht hat, bevor er es physisch tat, lässt mich ihn nochmal in einem ganz anderen Licht sehen.

Dass ich vielleicht die einzige bin, die ihn so sieht und der er sich so verletzlich zeigt, berührt mich.

Ich würde mir wünschen, dass es für immer so bleibt: dass wir uns vertrauen, ehrlich zueinander sind und loyal zueinander stehen, egal was und wer dagegen steht.

Ich habe gedacht, diesen einen besonderen Menschen in Walid gefunden zu haben und ich wurde so sehr enttäuscht wie nie zuvor.

Lasse ich die Gefühle Maxim gegenüber nur nicht zu, weil ich Angst habe, wieder verletzt zu werden? Oder liegt es wohlmöglich sogar an dem Widerspruch dieser Gefühle zu allem, was mir immer beigebracht wurde? Dass ich bestenfalls einen Libanesen heiraten soll, der der erste und letzte Mann für mich ist.

Ich habe immer versucht, diesen Ansprüchen meiner Familie gerecht zu werden und ich dachte auch selbst, dass dies der richtige Weg sei und doch bin ich gescheitert.

Ist es also falsch, jetzt einfach mal was anderes auszuprobieren?

Kann etwas, dass sich so gut anfühlt überhaupt falsch sein?

..

Als ich am nächsten Tag aufwache, fühle ich mich ziemlich gerädert. Das Bett neben mir ist leer, was nicht verwunderlich ist, da Maxim schon weit vor mir eingeschlafen ist.

Ich höre ihn aus dem benachbarten Büro reden, vermutlich telefoniert er. Langsam stehe ich aus dem Bett auf, hole mir aus meinem Koffer, den ich gestern gar nicht mehr ausgepackt habe, Klamotten für heute und meinen Kulturbeutel und gehe ins Bad. Ich wasche mich, schlüpfe in eine Highwaistjeans und einen bauchfreien Hoodie und schminke mich ein wenig. Meine blonden Haare binde ich einfach zu einem Pferdeschwanz.

In meinem Herzen nur wir Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt