Kapitel 30

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Geräuschlos öffnete sich die größere, weiße Türe und ich stieß sie gerade so ein Stück auf, dass ich durch den Spalt hindurch passte.

In meinem Blickfeld waren ein Flur zu sehen, sowie ein riesiges Fenster. Von Avery keine Spur. Das Zimmer war wesentlich geräumiger und größer als meins. Ich atmete lange ein und aus und tapste leise weiter Richtung des regelmäßigem Piepsen.

Ich versuchte den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, zu ignorieren und auch die Tatsache, dass die eine Seite von mir versuchte, so schnell wie möglich wieder versuchte, hier raus zu kommen. Ich erreichte das Krankenbett. Und blieb mit Abstand stehen. Der Raum war durch die heruntergelassenen Rollladen leicht abgedunkelt und es war hier angenehm kühl. Ein weißer Tisch mit drei unbenutzten Stühlen. Ein Stuhl am Bett angelehnt. Ich vermutete, dass Harry vorher hier saß.

Unglaublich viele Schläuche, die unter der gestreiften Bettdecke verschwanden.
Unter ihre Bettdecke. „Avery?", fragte ich und doch wusste ich genau, dass ich keine Bestätigung kriegen würde.

Ich riss mich zusammen und überbrückte die letzten Schritte des Bettes. Stellte mich auf die linke Seite und sah in das bleiche Gesicht meiner besten Freundin. Ihre Haare, die in alle Richtungen standen. Schmunzelnd strich ich ihr sie auf die Seite.

Strich dabei kurz über ihre raue Wange und merkte erst jetzt, dass sich erneut Tränen aus meinen Augen geschlichen hatten. Schnell strich ich sie mir mit meinen Handrücken weg und setzte mich auf die Bettkante des Bettes. Suchte ihre Hand und verschloss sie sofort mit meiner, nachdem ich sie gefunden hatte. Ich malte kleine Kreise auf der Oberfläche ihrer Hand und hörte dem ständigen Piepen zu. Kurz musste ich leise auflachen, denn ich wusste, dass sie mir jetzt auf keinen Fall die Hand entziehen würde.

„Avery ... ich brauche dich doch noch. Was soll ich denn ohne dich machen?", nuschelte ich nach ein paar Minuten leise.

Die Türe wurde geöffnet und Harry stürmte mit nassen Haaren hinein.
Ich schenkte Harry ein trauriges Lächelnd und er brachte ein grade so Quälendes zustande. Kopfschüttelnd setzte er sich zu uns dazu.

„Ich dachte ... vielleicht ... dass sie ...", krächzte er, doch brach mitten drinnen ab. Ich nickte und stand auf.
„Das wird. Du musst nur Vertrauen haben. Sie ist zu außergewöhnlichen Dingen zustande.", lächelte ich, gab ihm einen Kuss auf seine Wange, bevor ich schweigend das Zimmer verließ.

Ein kleines „Ich weiß. Ich war dabei.", verließ seinen Mund, was mich kurz stehen ließ. Als ich meinen Blick kurz über die Schulter warf, war Harry jedoch bereits wieder auf dem Stuhl und vermutlich ganz wo anders mit seinen Gedanken.

Kurz bevor ich raus ging, sah ich, wie er ihre Hand in seine beiden nahm und sie an sich presste.
Was war nur zwischen den beiden passiert? Wenn Avery ... wenn sie wieder da ist, hatte sie mir einiges zu erzählen.
Sie wird es mir wieder erzählen können.

Etwas geknickt schlenderte ich den Flur zurück entlang und sah in jedes offenes Zimmer desinteressiert hinein. Bis ich bei einem stehen blieb.

Zayn? Sofort stoppte ich, um mich zu vergewissern, dass ich wirklich das Gesicht von ihm gesehen hatte.
Und meine Augen hatten mich nicht getäuscht. Mit großen Augen sah er mich an. „Hope! Komm rein!"

Ich trat weiter an die Tür und erblickte erst einen strahlenden Zayn und danach noch eine junge Frau mit blonden langen Haaren, deren Augen leicht gerötet waren.

„Schau Perrie, das ist Hope.", sagte er und ich verstand. Das war Zayns Verlobte. Ich erinnerte mich. Sie lächelte mich freundlich an.

„Du bist also Hope! Freut mich dich kennen zu lernen!", sagte sie, und nachdem ich Zayn umarmt hatte, umarmte sie mich einfach mit, woraufhin Zayn ein unglaublich glückliches Kichern von sich gab.

Ich mochte sie auf Anhieb sofort. Kurz darauf schnappte sich Zayn sie und ich musste wirklich sagen, dass sie echt süß zusammen waren. Ich setzte mich zu ihnen und war sehr beruhigt darüber, dass die Amnesie nur wegen des Stresses da war und sich nun wieder zurückzog.

Schockiert war er darüber, als ich ihn alles mit Avery erzählte, da er noch nichts gewusst hatte. Keiner von uns konnte verhindern, dass die Tränen kamen, sogar Perrie weinte mit, obwohl sie Avery nicht mal kannte. Dies ließ uns daraufhin wieder alle kurz lachen.
Perrie konnte einen früheren Flug als Zayns Eltern kriegen und war deswegen schon ein bisschen länger hier.

Lange unterhielten wir uns noch, bis Zayn irgendwann einschlief, woraufhin ich noch ein bisschen mit Perrie redete. Ich erfuhr, dass sie auch in einer Band war. Peinlich berührt sah ich nach unten, als ich gar nichts mit dem Namen verbinden konnte, doch sie hatte nur aufgelacht und eine Hand auf meine Schulter gelegt, und gemeint, dass das okay sei. Irgendwann verabschiedeten wir uns mit einer Umarmung, und Perrie mit den Worten, dass sie mich auf jeden Fall nochmal sehen wollte. Wieder stand ich auf dem altbekannten Flur und riss schockiert meine Augen auf.

Meine Mum! Ich hatte sie vorhin komplett alleine gelassen.
Mit eiligen Schritten, und doch auf mich achtend, ging ich durch die Flure. Und verfehlte irgendwie jedes Mal mein Zimmer.
Hier sah doch alles gleich aus! Stöhnend ging ich um die nächste Ecke, als ich meiner Mum in die Arme fiel.

„Hope, was treibst du dich hier herum?", fragte sie mich schockiert und legte einen Arm um meine Hüfte.
Sie zog mich in mein Zimmer, das gerade mal zwei Türen neben ihr gewesen waren und ich musste feststellen, dass ich wahrscheinlich dreimal daran vorbei gelaufen war.

Sie zog mich auf mein Bett und setzte sich an die Kante, während ich es mir in einem Schneidersitz gemütlich machte und aus der Flasche trank, sowie ein Sandwich aß, was mir gebracht wurde.
Doch eins wunderte mich. Meine Mum war ganz ruhig.

Mit hochgezogener Braue sah ich sie an. Wie als ob sie Gedanken lesen konnte, antwortete sie mir lächelnd.

„Ich durfte vorhin die Bekanntschaft mit Harry machen. Also Chloe kannte ihn schon. Und er hatte mir erzählt, dass du bei Avery warst. Eigentlich hätte ich gedacht, du wärst wieder auf deinem Zimmer?"

„Ähm ja, ich hatte es nicht mehr gefunden.", nuschelte ich leise in mich hinein und meine Mum schmunzelte und strich mir eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. Ich sah hinauf in ihr Gesicht und musste automatisch lächeln. Wieder wurde mir bewusst, wie sehr ich sie eigentlich vermisst hatte.

„Ich hab dich lieb.", flüsterte ich leise, als ich sie ohne Vorwarnung umarmt hatte.

„Schatz, ich dich noch unglaublich viel mehr.", flüsterte sie zurück und drückte mich noch ein Stück fester an sich.

Wir saßen noch eine Weile da und ich erzählte ihr alles, und zwar vom Absturz hin, bis zum Ende. Auch von Niall erzählte ich ihr und konnte nicht verhindern, dass sich die Tränen wieder in meine Augen schlichen.
Zu meinem großen Glück, machte sie keine Bemerkungen, auf den Kuss mit Niall und die Tatsache, dass ich mit ihm zusammen war.
Wenn ich mich nicht getäuscht hatte, hatte ich in ihren Augen sogar ein bisschen Freude aufblitzen sehen. Typisch.

„Schatz ... würde ..." –

„Nein, Mum, geh ruhig schlafen. Bitte, ich bitte dich darum. Nur, ich bin noch nicht müde.", sagte ich, als sie mich dankbar anlächelte.

Ich begleitete sie bis hinunter zum Ausgang, da sie und Avery's Mum in einem Hotel in einer Nähe waren und dort schliefen würden. Sie drückte mich fünf Minuten und gab mir noch einen Kuss, bevor sie gähnend das Krankenhaus verließ, noch immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Unschlüssig stand ich nun im Flur herum.

Bis mir eins auffiel. Niall!

Gott, alles vergaß ich heute. Erst Avery, dann Mum und dann meinen Freund.

Ich schaute mir noch einmal genau den Flur an, indem mein Zimmer war, und merkte mir die zwei riesigen Pflanzen, die an der Eingangstüre des Flures lagen. Okay, ich schrieb mir zur Sicherheit auch nochmal die Zimmernummer auf.

Wieder ging ich an die Rezeption, wo nun ein junger Mann saß. Auch er lächelte mich freundlich an und er führte mich ebenfalls zu Niall hin. Liam und Louis erzählten mir, dass ihre Fans noch nicht von der Nachricht wussten, da sie sozusagen lebten und wenn es wirklich raus kommen sollte, wäre das Krankenhaus, insbesondere unser Abteil gesichert. Sie hatten sogar dafür gesorgt, dass Avery, ich und auch unsere Eltern unter den Schutz standen. Sie hatten darauf bestanden, als ich etwas erwidert hatte.

„Aber Leute! Eure Fans wissen nicht mal wer ich, geschweige Avery noch meine Mum und Avery's Mum sind."
Louis kniff daraufhin seine Augen zusammen.

„Unterschätze niemals unsre Fans. Sie wussten schon wahrscheinlich vor uns, dass wir einen Absturz haben werden."

„Ich dachte, eure so genannte „Auszeit" wäre geheim gewesen? Wie sollten sie dann angeblich davon wissen?", widersprach ich etwas verzweifelt und Liam lachte. „Wie Louis sagte. Unterschätze sie niemals."

„Wenn irgendwas ist, sie wissen, wo sie mich finden.", zwinkerte der Pfleger und ließ mich alleine. Déjà-vu.

Ich machte die Tür auf und verschwendete keine Zeit. Ich drehte mich nicht um, ließ die Tür hinter mir zu fallen und eilte mit schnellen Schritten zu Nialls Bett. Ich verschwendete gar nicht den Gedanken daran, den Stuhl zu nehmen, sondern ging schnurstracks auf Niall zu.

Er schlief. Er schlief tief und fest. Und vor allen Dingen – er schlief friedlich.
Ich hatte irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft er nachts aufgeschreckt ist und sich nicht mehr beruhigen konnte. Ich hätte ihm vermutlich Stunden dabei zu schauen können, wie er mit einem leichten Lächeln dort vor sich hin schlief.

Aber ich war egoistisch – ich wollte ihn bei mir, wach, haben.
Mein Herz zerfloss dahin. Wie hatte er es nur innerhalb von wenigen Wochen geschafft, dass ich mich so in ihn verlieben konnte?
Ich setzte mich an seine Bettseite und nahm seine raue Hand in meine, bevor ich ihn einen Kuss darauf hauchte. Er rührte sich und gab ein molliges Grummeln von sich. Langsam blinzelte er und zum Vorschein kamen seine blauen Augen.

„Du bist hier.", murmelte er und ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lächeln.

„Ich bin hier. Bei dir.", lächelte ich glücklich zurück. „Geht es dir gut?", hauchte ich und strich mit meinen Fingern über seine Wangen.

Er richtete sich etwas auf und hielt meine Hand an seiner Wange fest, um mich anschließend an dieser zu sich zu ziehen.
Er antwortete mir nicht. Stattdessen nahm er mein Gesicht in seine Hände und strich mir schluckend eine Strähne hinter mein Ohr.

Kurz sah ich in ein gehetztes und panisches Gesicht, bevor sich seine Züge wieder glätteten.
Ich kannte schon seine Antwort. Es würde ihm vorerst nicht gut gehen. Ich verstand, was er meinte. Ich legte meine Stirn an seine Stirn und schloss meine Augen. Ich war unglaublich froh, ihn bei mir zu haben.

„Avery ... sie liegt im Koma." Ich schaffte es kaum diese Worte auszusprechen, ohne dass meine Stimme dabei brach. Danach merkte ich, wie mir nach und nach langsam warme Tränen an meinen Wangen herunter glitten.

„Das tut mir so Leid.", flüsterte Niall in mein Ohr und nahm mich in den Arm. Und so saßen wir lange da.
Aber wir waren hier. Und zusammen. Und das war gerade alles, was zählte.

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Hallo zusammen!

Ich hoffe, euch hat das neue Kapitel gefallen, danke für eure Geduld :)

Und natürlich wieder ein dicken Kuss an Weidenfrost & flower_direction! 

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Unverhofft kommt oftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt