Wach wurde ich wieder, als bereits draußen dunkel war. Einzig und allein das Wohnzimmer war ausgeleuchtet.
Mein Blick fiel auf meine Brust, auf der Averys Kopf lag. Leise schlummerte sie vor sich hin. Erleichtert atmete ich aus.
Anscheinend hatte sie keinen Albtraum gehabt und anscheinend hatte sie auch nicht die Flucht ergriffen, was tatsächlich meine Befürchtung gewesen war.
Während ich meinen Arm um Avery liegen ließ, holte ich vorsichtig mein Handy aus meiner Hosentasche.
Und machte große Augen. Zu viele entgangene Anrufe und Nachrichten sprangen mir entgegen. Augenverdrehend stöhnte ich leise auf. Das passierte also, wenn ich das Handy doch mal den ganzen Tag stumm ließ. Schnell scrollte ich mich durch die ganzen Sachen durch, um zu sehen, ob ich was Wichtiges verpasst hatte.
Sätze und Wörter, die keinen weiteren Sinn für mich ergaben, verließen Averys Mund und unterbrachen mich damit kurz.
Sanft strich ihr über den Rücken, in der Hoffnung, sie wieder in ihren Tiefschlaf herein zu bekommen, während ich weiter meine Nachrichten checkte.
Mum wollte wissen, ob es mir besser ging und Gem wollte möglicherweise mal wieder vorbeischauen. Etwas genervt wischte ich die Nachrichten weg. Ich liebte die Beiden über alles, aber ich war durchaus in der Lage auf mich aufzupassen.
Eine Probe wäre heute gewesen, und die Jungs waren sauer auf mich. Sie würden es verkraften können.
Meine ganzen Leute, mit denen ich die letzten Wochen Partys veranstaltet hatten, wollten alle dieses Wochenende wieder zu mir.
Kendall schrieb auch. Sie verstand nicht, warum ich stets ihre Anrufe weg wischte oder sie komplett abblockte.
Nachdenklich betrachtete ich den Grund, für die ganzen verschwommenen und dämlichen Partys die letzten Wochen. Dieser Grund, der sich meine Brust als Kopfkissen ausgesucht hatte und weiterhin unverständliches Zeug vor sich hin brabbelte. Partys und Alkohol waren die einzige Chance, sie aus meinem Kopf zu bekommen. Zumindest für einige Stunden.
Der viel schlimmere Teil war stets der nächste Morgen, als sich der Alkohol wieder verflüchtigt hatte.
Ich hätte auch andere Arten von Ablenkungen nehmen können... Wie Emma, oder einer ihrer Mitanhängsel. Meinetwegen Kendall.
Aber es kam mir ... nicht richtig vor. Zumindest jetzt nicht.
Ja, ich hatte Bedürfnisse, aber plötzlich schienen sie so sehr in den Hintergrund gerückt zu sein, ohne dass ich es wollte oder mitbekommen hatte. Und ganz allein Schuld daran war sie, obwohl sie mich nicht einmal hatte sehen wollen in den letzten Wochen.
Vorsichtig strich ich mit meiner Hand ihren Rücken hoch entlang und steckte ihr eine verlorene Haarsträhne hinter ihr Ohr zurück.
Dann schrieb ich allen eine Absage. Ich konnte nicht riskieren, jetzt etwas falsch zu machen. Sofort kamen Proteste zurück, die ich alle samt wegwischte. Ich würde es schon wieder irgendwann gut machen.
Ich hatte Avery schon bald wieder, ich war mir sicher.
Allein dass Kendall vorhin schon angerufen hatte, hatte mich aber ein ganzes Stück wieder zurückgeworfen.
Seufzend las ich die Nachrichten von den Jungs, zuletzt von Hope. Sie machte sich Sorgen, weil sie immer noch nichts von Avery gehört hatte. Sie wollte immer noch wissen, warum sie hier war. Mulmig steckte ich das Handy wieder zurück.
Wir hatten immer noch nicht wirklich über gestern Abend gesprochen. Zwar hatte Avery zu mir gesagt, ich solle mich nicht schuldig fühlen, aber das war unmöglich. Und wer genau waren diese Kerle? Kannte sie Avery? Waren diese verdammten Menschen der Grund für ihr Verhalten? Was hatte es mit dieser verlorenen Erinnerung von vorhin auf sich? Ich hatte so viele Fragen. Nach wie vor.
„Hey, Liebes.", murmelte ich leise und fuhr ihr über die Wange. Tatsächlich war Avery bald einen ganzen Tag hier.
Es war nicht so, als ob ich sie loshaben wollte, aber war das auch ihr Wunsch? Wollte sie so lange hierbleiben?
Averys Augenlider begannen zu zucken und sie stöhnte müde auf. Genüsslich streckte sie sich der Länge nach aus und drehte ihren Kopf Richtung meinen Kopf. Sie fing an zu blinzeln. „Hey.", murmelte sie verschlafen.
Dann schossen ihre Augen auf, als sie mich erblickte.
Keuchend richtete sie sich auf und entfernte sich augenblicklich von mir. Die Wärme, die mich bis gerade eben umgeben hatte, verließ mich, genauso wie sie.
Ein schnelles Ein und Ausatmen verließ Averys Mund, als sie mich betrachtete. Erst da realisierte ich, dass sie schon wieder anfing zu hyperventilieren. „Avery, ich bin es doch nur. Bitte, beruhige dich.", bat ich sie und richtete mich ebenfalls auf.
„Oh Gott, ich glaube das war keine gute Idee.", klagte sie daraufhin und ging verzweifelt durch ihr Haar.
„Warum bin ich denn so eingeschlafen?", stieß sie aus und zeigte dabei auf mich. Autsch, der hatte gesessen.
Sie versuchte mehrmals einen erneuten Satz anzufangen, kam jedoch nicht dazu.
„Panikattacke.", murmelte sie mir zu, als ich sie hilflos anblickte.
Erst, als sie augenblicklich damit aufhörte, bemerkte ich, wie meine Hände ihre Handgelenke sanft gepackt hatten. „Nicht" -
„Nein. Ich lasse dich nicht los.", sagte ich eindringlich. Sie atmete weiter schnell ein und aus und eine leichte Schweißschicht bildete sich auf ihrer Stirn.
Sie stöhnte auf. „Okay, okay!", schrie sie dann fast schon und zerrte sich von mir los. Anschließend setze sie sich im Schneidersitz neben die Couch, schloss die Augen und legte ihren Kopf in den Nacken.
„Nur bitte ... fass mich nie wieder so an."
Die Worte, die ihren Mund verließen, die kaum zu hören waren, ließen mich erschaudern.
Meine Worte waren raus, bevor ich sie stoppen konnte.
„Warum? Was haben sie dir angetan, Avery? Was ist damals passiert?"
Ein Gemisch aus Wut und Angst bildete sich in mir, was dafür sorgte, dass mir übel wurde. Ich hatte Angst vor der Antwort, aber Avery sollte wissen, dass sie mir all das anvertrauen konnte.
Avery sagte nichts. Ihre Atmung kontrollierte sich nach ein paar Minuten und sie blieb so in der Position verharrt.
Unbehaglich setzte ich mich neben sie, mit etwas Abstand. „Es tut mir Leid, ich wollte dir nicht zu aufdringlich sein."
Keine Reaktion. Dieser Sturkopf... „Ich will nur, dass du weißt, dass ich für dich da bin. Dass du mir alles anvertrauen kannst, wonach dir ist."
„Kannst du mich bitte nach Hause fahren, Harry?" Ihre Stimme zitterte, als sie endlich wieder ihre Augen aufmachte.
Eine kurze Enttäuschung machte sich in mir breit, doch ich versuchte es mir nicht anzumerken. Schweigend stand ich auf und machte mich auf dem Weg Richtung Autoschlüssel. Mit der stetigen Frage im Hinterkopf, wie ich wohl jemals ihr Vertrauen gewinnen könnte.
Avery P.O.V.
Sag was! Mach was! Halt ihn auf! Überwind dich endlich!
Verzweifelt sah ich einen niedergeschlagenen Harry aus dem Wohnzimmer laufen. Ein Keuchen verließ meinen Mund, mehr aber auch nicht. Ich wollte ihm hinterherschreien, dass ich ihm so viel erzählen wollte, aber sich irgendwas in mir weigerte.
Ich will ihm hinterherschreien, dass er sich die Zeit sparen soll, denn ich weiß nicht, ob ich das kann. Diese Erinnerung jedes Mal wieder durch zu machen, wenn ich jemanden zu sehr und zu schnell vertraute.
Ich will ihm sagen, dass ich ihn nicht verletzen will, weil er mir anfängt etwas zu bedeuten. Und mein Körper ihn wortwörtlich verzehren will. Nur mein Kopf sich dagegen stellte. Und dass mir das so viel Angst machte.
Aber nichts davon verlässt meine Lippen. Enttäuscht ließ ich meinen Kopf in meine Hände sinken. Was sollte ich bloß tun?
Ein Räuspern lässt mich zusammenfahren. Schnell wische ich mir über mein Gesicht, um Harry zu sehen, der wieder im Wohnzimmer steht, angezogen und mit einem Schlüssel in der Hand. Ich kann seine derzeitige Gefühlsebene nicht deuten.
Unsicher stehe ich auf und sehe an mir herab. „Deine Klamotten.", bemerke ich aus und mir wird schlecht bei den Gedanken, warum ich diese Kleidung überhaupt anziehen musste.
„Passt schon, ich brauche sie wieder nicht so schnell." Monoton antwortet er mir, lässt mir keine Deutung darauf, was er gerade fühlt. Ich seufzte auf.
„Harry, du musst mich nicht heimfahren. Ich kann auch einfach ein Taxi rufen oder laufen." Denn so langsam stellte ich mir diese Autofahrt mehr als unangenehm vor. Er gab mir deutlich zu spüren, dass ich ihn verletzt hatte.
„Avery, untersteh dich.", knurrte er fast schon verärgert auf. „Natürlich werde ich dich heimfahren." Danach presste er seine Lippen zusammen, während er geduldig darauf wartete, dass ich mit ihm kam.
„Fein.", seufzte ich. Kurz sah ich ihn nochmal an, doch er wendete den Blick ab.
18 Uhr abends in London. Ganz ehrlich, ich will es nicht schönreden. Es war die reinste Qual. Und einer der Gründe dafür, warum ich noch keinen Führerschein gemacht hatte. Man könnte einmal um ganz London herumfahren, und wäre vermutlich trotzdem schneller, als wenn man sich durch die Stadt quält.
Kurz sah ich durch die getönten Scheiben, bevor mein Blick wieder zu Harry huschte, der ebenfalls gelangweilt aus dem Fenster sah. Denn wir standen nun schon seit geschlagenen zehn Minuten, ohne, dass sich etwas bewegte.
Du bist ein Trottel, wenn du ihn jetzt gehen lässt.
Alana meinte erst letztens zu mir, es wäre gut, wenn ich mich neuen Menschen öffnen würde. Schön und gut.
Auf meine Gegenfrage, wer diese neuen Menschen sein sollten, wo zur Hölle ich diese Menschen finden würde und woher ich denn bitte wissen sollte, ob ich diesen neuen Menschen wirklich vertrauen konnte, hatte sie natürlich keine Antwort.
Ich holte tief Luft, bevor ich mich räusperte. Harry sah auf, allerdings wendete ich dieses Mal meinen Blick ab. Ich war nicht in der Lage ihm das zu erzählen, während seine grüne Augen mich so eindringlich und besorgt musterten.
„Josh, der ... der eine Kerl von gestern. Ich lernte ihn kennen, als ich 17 war. Es war ein Sommer und er war neu hergezogen. Jeder, absolut jeder hatte ihn angehimmelt. Natürlich mit mir eingeschlossen. Und vor allen Dingen Jill. Jill hatte mit mir ein Problem, seitdem wir in der Grundschule waren. Warum, wusste ich nie. Du weißt inzwischen sehr wohl, dass ich kein Blatt vor den Mund nehme, aber Jill hat es jedes Mal geschafft, dass ich genau das getan habe." Kurz lugte ich zu Harry herüber, der sich jedoch wieder auf den Verkehr konzentrierte, der endlich voran ging. Das heißt, ich hatte nicht mehr viel Zeit,
„Auf jeden Fall dachte jeder, Jill würde sich Josh krallen und Schluss, aus, fertig. Aber es kam anders. Josh fing sich an mit mir zu treffen, schenkte mir die volle Aufmerksamkeit. Und das von heute auf morgen. Ich ... ich vertraute ihm sehr schnell und problemlos. Zu schnell. Hope hatte mich gewarnt, dass sie das alles sehr seltsam fand, wie schnell das ging. Doch ich wollte nicht auf sie hören. Ich hatte die rosa-rote Brille auf, zudem glaubte ich, sie war eifersüchtig, da kurz vorher ihre Beziehung in die Brüche gegangen ist. Aber sie war nicht eifersüchtig. Sie hatte nur damals irgendwie schon was geahnt. Etwas, was ich nicht im Entferntesten gesehen habe."
Stutzig schaute ich die Beschilderung am Straßenrand an, an der wir vorbeifuhren und unterbrach mich damit selbst. Er fuhr geradezu aus der Stadt hinaus. „Harry, du fährst vollkommen falsch!" Irritiert sah ihn an.
„Oh.", entwich es ihm, jedoch ohne jegliche Überraschung im Ton, während er sich weiter aus London entfernte.
Als er mich dann kurz mit einem Seitenblick bedachte, verstand ich es. Er machte das absichtlich. Kurz wusste ich nicht, ob ich mich über Tatsache ärgern sollte. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr.
„Du hast ihn geliebt? Josh?", fragte Harry, als ich nicht weiterredete. Er war vorsichtig, hatte vermutlich Angst, mich zu verschrecken.
Ich zuckte mit den Schultern und spielte an einem losen Faden von Harrys Sweater rum. „Ich weiß es nicht. Alles was ich inzwischen für Josh empfinde ist Hass. Hass, Schmerz und Misstrauen. Dabei kostet es so viel Kraft, jemanden abgrundtief zu hassen. Ich wusste nicht, dass so ein Gefühl existiert, bis ich es selbst zum ersten Mal spürte."
„Was ist passiert?", flüsterte er, während er auf eine Bundesstraße auffuhr. Ich schluckte.
„Weißt du, was das Problem damals bei Josh war? Ich habe mich ihm vollkommen hingegeben, weil ich der Meinung war, dass er mich bedingungslos lieben würde. Ich schenkte ihm mein komplettes Vertrauen ... und im Gegenzug bekam ich Lügen. Ich ... habe mit ihm geschlafen, weil er so sehr darauf bestanden hatte und damals meinte, dass das der größte Liebesbeweis sei, dem ich ihn schenken könnte." Ich keuchte auf und fasste mit meiner Hand an meine Schläfen, als ich daran zurückdachte.
„Ich ... ich war naiv. Naiv und dämlich. Und dachte, so könnte ich ihn wirklich zeigen, wie viel er mir bedeutete. Ich gab mich ihm bedingungslos und vollkommen hin, verstehst du? "
Harrys Hände umklammerten sich fest um das Lenkrad, er spannte sich an. „Hat er dir weh getan?", fragte er dann ganz leise nach.
Ich schüttelte schnell den Kopf. „Nein, nein. Aber ... nun ja... schön war es auch nicht. Das war das erste Mal, als ich anfing zu zweifeln, ob Josh mich wirklich liebte. Das war mein Abschlussjahr."
„Avery ... Liebes. Du musst nicht weitererzählen. Nur bitte, hör auf zu weinen. Ich kann mir das nicht mit anhören, wenn ich mich hier auf die Straßen konzentrieren soll." Stumm fasste ich mir an meine Wangen und konnte wirklich die Nässe fühlen. Kurz lachte ich auf.
„Verrückt. Ich ... ich habe seit zwei Jahren nicht mehr geweint, weil ich tiefer gehende Gefühle stets abgeblockt habe. Weil ich nie wieder miterleben wollte, wie jemand so mein Vertrauen missbraucht und wegwirft. Das hat Josh nämlich getan." Schniefend hörte ich auf und verdrehte gleichzeitig meine Augen. Das war doch vollkommen bescheuert, ich hatte wirklich nicht vor hier eine Dramen-Szenario draus zu machen, stoppen konnte ich die Tränen allerdings nicht.
Plötzlich spürte ich einen rauen Daumen an meiner Wange entlang gleiten, der dafür sorgte, dass die Tränen nicht weiter herabliefen. „Bitte, weine nicht. Es tut mir leid. Ich wollte nie, dass du das Gefühl hast, dich mir zu öffnen, wenn du nicht bereit bist."
Dann schmunzelte er, ein besorgter Blick kam hinzu: „Du hast bereits geweint. Zweimal. Auf der Insel. Auch wegen mir."
„Ich weiß. Hope hatte es mir erzählt. Ich ... ich wollte es ihr nicht glauben.", flüsterte ich und wir beide lachten kurz auf.
Seine Hand legte sich an meine Wange und kurz schmiegte ich mich dieser sanften Geste entgegen, während ich über seine Worte nachdachte. Diese Gefühl von Geborgenheit war ein wunderschönes Gefühl und ich wollte es nicht missen. Nicht mehr.
„Dann kam unser Abschlussball.", flüsterte ich und hielt meine Augen geschlossen, in der Hoffnung, dass mich Harrys Hand nicht allzu sehr abdriften ließ.
„Hope hatte ich eine lange Zeit von mir weggestoßen, weil ich mir nicht von ihr hatte anhören wollen, dass etwas mit Josh nicht stimmt. Wobei ich selbst ganz genau wusste, dass etwas nicht stimmte. Die Aufmerksamkeit, die ich am Anfang bekam, verschwand und er behandelte mich wirklich nicht gut. Er traf sich immer öfter mit Jill. Ich wollte mit ihm versuchen zu reden. Aber er wurde nach und nach zu einem mir unbekannten Menschen, der all meine Geheimnisse und Wünsche, sowie Ängste kannte und sich entfernte."
Ich schluckte und öffnete wieder meine Augen, nahm Harrys Hand von meiner Wange, während ich sie jedoch festhielt.
„Verstehst du, warum ich mir so schwertue, jemanden Neuem zu vertrauen? Ich möchte einfach nie miterleben, dass jemand mein Vertrauen so schnell kriegt und es missbraucht, wie Josh es getan hat. Nie wieder verraten werden. Nie wieder meinen Gefühlen gegenüber einem Jungen mehr Priorität zu geben als meiner Freundschaft gegenüber Hope."
„Ja. Ich habe es verstanden." Nachdenklich blickte mich Harry an, weswegen ich kurz zusammenzuckte. Doch erst dann bemerkte ich, dass wir inzwischen zum Stehen gekommen waren. Eine Tankstelle war weiter vorne zu erkennen, und ein paar LKWs standen neben uns. Die Dunkelheit war inzwischen komplett eingebrochen, weswegen ansonsten nichts zu erkennen war, einzig und allein die vorbeifahrenden Autos waren immer wieder zu hören. Ich hatte nicht ansatzweise einen Plan, wo zur Hölle wir waren.
„Harry, hast du überhaupt eine Ahnung-" „Was bedeutet für dich nie wieder, Avery?", unterbrach mich Harry und entzog mir seine Hand. Unsicher blickte ich ihn an. „Worauf bezogen?" „Nie wieder jemanden zu vertrauen? Aber was tust du dann gerade mit mir?"
Seufzend beobachtete ihn. „Ich weiß es doch auch nicht. Lass mir bitte Zeit, das selbst zu verstehen. Es ist wirklich immer noch sehr viel für mich, was in letzter Zeit passiert ist. Und es macht wirklich immer noch fertig, dass ich eine Lücke von den letzten Monaten habe.", antwortete ich ihn wahrheitsgemäß. Es war allein schon verrückt, was in den letzten 48 Stunden geschehen war. Ein Wunder, dass ich noch nicht komplett im Irrenhaus eingezogen war.
Zudem war es inzwischen für mich wirklich ein Kampf, mich Harry fern zu halten.
Mein Körper hatte eine rasende Sehnsucht nach ihm. Am Anfang dachte ich, dass wäre einzig und allein die Angst, aber inzwischen verstehe ich, dass sich mein Körper absolut ... in Harry verknallt hatte. Ich konnte es nicht anders erklären.
Nur mein Kopf stimmte da noch nicht ganz mit ein. Aber das konnte ich ihm unmöglich so erklären!
Etwas geknickt nickte er und lehnte sich mit verschränkten Armen in seinem Sitz zurück. Lange saßen wir nur schweigend da, bevor er weiterfuhr. Ich kämpfte mit mir selbst, ob ich ihm weitererzählen sollte, was noch geschah. Entschied mich dann dagegen.
Heute war nicht mehr der richtige Zeitpunkt dafür. Möglicherweise ein anderes Mal.
Nach einer halben Stunde waren wir von meinem Haus angelangt. Die Fahrt verlief dann weites gehend still, doch damit hatte ich kein Problem. Viele Gedanken gingen mir nach wie vor durch den Kopf. Ich vermutete, dass es Harry genauso ging.
Wissen tat ich es jedoch nicht, alles was ich ihm ansehen konnte, was der nachdenkliche Ausdruck.
Als ich ausstieg und schon das Tor, welches zum Haus führte, erreichte, stockte ich.
Ich konnte das doch nicht nun alles so stehen lassen? Oder? Dieses Gemisch aus Panik und Liebe, welches noch stets in mir saß, wollte einfach nicht verschwinden. Schnellstmöglich drehte ich mich um und rannte zurück zum Auto, klopfte eindringlich an Harrys Scheibe. Zögernd öffnete er diese und blickte mich an.
„Hast du etwas vergessen?", erkundigte er sich und ich zuckte mit den Schultern.
„Nur weil ich Zeit zum Nachdenken brauche, heißt das nicht, dass ich diese allein verbringen möchte.", erklärte ich mich ihm leise, in der Hoffnung, er würde verstehen, welches Angebot ich ihm machte. Erst als mich Harry schmunzelnd ansieht, atmete ich erleichtert aus.
„Du bist wirklich einzigartig.", flüsterte Harry zurück und legte erst vorsichtig, dann mit sehr viel Sanftheit seine Hand an meine Wange. Ich hingegen biss mir auf die Lippe, versuchte das Gemisch aus Gefühlen in mir zu ignorieren.
Ich wusste immer noch nicht, warum ich ausgerechnet diesem weltberühmten Kerl meine zu verfallen, aber ich konnte nichts dagegen tun. Ich würde es am liebsten auf das, was geschehen war, schieben, dass einzig und allein mein Innerstes daran Schuld war, was sich anscheinend bereits einmal in Harry verliebt hatte, aber ich vermutete, dass das nicht mehr ganz der Fall war.
Ich öffnete das Tor mit meinem Fingerabdruck, und ließ Harry die Auffahrt mit seinem SUV hochfahren.
Während sich die Tore schlossen, zuckte ich kurz zusammen. Ein Rascheln ließ mich über meine Schulter blicken, aber alles was ich erkennen konnte, waren die Laternen, die die Straße ausleuchteten.
Mit zusammengezogener Stirn lief ich die Auffahrt hoch, in der Harry bereits auf mich wartete. „Schickes Haus.", schmeichelte er und ich wurde etwas rot.
„Mir persönlich etwas zu extrovertiert. Aber da meine Eltern Architekten sind, meinen sie dies stets an unserem Haus auslassen zu müssen.", erklärte ich schulterzuckend. „Oder an neuen Häusern. Ich kann dir nicht an einer Hand aufzählen, wie oft wir bereits innerhalb dieser Ortschaft umgezogen sind. In dem einen Haus zwei Straßen unter uns haben wir bis vor 3 Jahren noch selbst gewohnt."
„Wirklich?", lachte Harry. „Vor One Direction bin ich noch nie umgezogen." „Du Glückspilz.", murmelte ich.
„Ok, kaum zu glauben, dass ich das jetzt sagen werde, aber wie wäre es, wenn wir deinem blöden Action-Film nochmal eine Chance geben?", fragte ich dann, während wir uns den Jacken und Schuhen entledigten.
Mit hochgezogener Braue sah mich Harry an. „Wie wäre es, wenn du den Film nicht als blöd abstempelst, bevor du ihn überhaupt gesehen hast?", meinte er und stupste mich leicht an.
„Außerdem wäre es dieses Mal empfehlenswert, wenn du nicht nach zwanzig Minuten einschlafen würdest.", zwinkerte er mir zu, bevor er sich auf der Couch niederließ. Bei dem Gedanken, dass ich auf Harry eingeschlafen war, reagierte ich mit verschiedenen Gefühlen. In seinen Armen hatte sich alles richtig angefühlt. Aber dann in seiner geborgenen Wärme und seinem Geruch aufzuwachen, versetzte mich komischerweise stets in Panik.
Seufzend folgte ich ihm. Alana, ich war sowas von fällig für eine Sitzung.
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Hier bin ich - mit einem extra langen Kapitel für euch. Wie findet ihr es, dass sich Avery nun anfängt Harry zu öffnen? Geht das wirklich gut?
Danke wieder an die ganzen lieben Rückmeldungen von euch, never getting tired of it!
Indem Sinne, gute Nacht! :)
xx T.
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Unverhofft kommt oft
Romance[NIALL x OC / HARRY x OC] Flugzeugabsturz? - Kein Problem. Flugzeugabsturz mit One Direction? - Passt schon. Flugzeugabsturz mit One Direction und Gefühlen im Spiel? - Du liebe Zeit. Als Hope und Avery Ruhe im Urlaub finden wollen, stürzt das Flug...