Kapitel 47

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Harry P.O.V.
Lächelnd ließ ich die Türe hinter mir fallen, um daraufhin die Tüten, in denen sich Essen befand, auf der Kommode abzustellen.

Dieses verdammte Lächeln bekam ich nicht mehr los, seitdem ich das Haus verlassen hatte, um das Essen zu holen.
Das war kurz nach unserem Gespräch im Bad gewesen, indem sich Avery angefangen hatte, mir zu öffnen. Mir zu erklären, warum sie mich weggestoßen hatte. Und sie eingewilligt hatte, hier zu bleiben.

Nach diesem letzten Monat, in dem ich dachte, Avery will nichts mehr von mir wissen, war sie hier, bei mir.
Und ich lerne von ihr Seiten kennen, von denen ich nicht mal ansatzweise wusste, dass sie existierten!

Ich zog mir meine Schuhe und Jacke aus und nahm anschließend das Essen mit. Mein Magen knurrte ebenfalls, seitdem ich das Essen gerochen hatte. Und das Avery essen wollte, machte mich ebenfalls glücklich. Es war zwar seit unserer ersten Begegnung nach ihrem Koma und seit gestern, etwas passiert, aber sie war trotzdem noch immer sehr, sehr dünn.

Als ich das Wohnzimmer betrat, kam mir ein kalter Windzug entgegen.
„Avery?", rief ich verwirrt, konnte sie jedoch nicht entdecken. Böse Gedanken stiegen auf. Hätte ich sie doch mitnehmen sollen?

Wir hatten vorhin kurz diskutiert, wer das Essen holen sollte. Nachdem jedoch Avery alleine loswollte, hatte sich mein kompletter Magen bei der Vorstellung umgedreht. Und zusammen gehen, am helllichten Tag in London, wäre etwas problematisch geworden.
Das hätte direkt wieder eine Menge Schlagzeilen gegeben. Also war das Einfachste, Avery hier bei mir zu lassen und ich allein würde das Essen holen.

Ich blieb sogar heute bis auf zwei bis drei Fans relativ unentdeckt. Niemals würde ich mir die Chance entgehen lassen unseren Fans Hallo zu sagen. Vor allen Dingen, wenn es so wie heute, relativ ruhige Fans waren, mit denen man sogar ein paar Sätze auswechseln konnte.

Ich entdeckte die offene Türe, die auf die Dachterrasse leitete und begab mich nach draußen. Die Sonnenstrahlen kamen mir direkt entgegen. Sie gaben zwar etwas Wärme ab, jedoch war es trotzdem kalt. Fröstelnd verschränkte ich meine Arme, als ich Averys Kopf auf einem der Sofas entdecken konnte, die hier standen. Ihre Augen waren geschlossen und sie hatte sich in dem Sweater von mir eingekuschelt. Ich bezweifelte aber, dass dieser sie richtig wärmen würde.

Allerdings störte sie sich anscheinend daran nicht, denn ihre Lippen waren zu einem leichten Lächeln verzogen, als sie ihren Kopf der Sonne entgegenstreckte. Schmunzelnd schaute ich mir das Szenario an, welches mir nicht unbekannt war. Das hatte sie bereits auf der Insel immer wieder getan, wenn sie dachte, dass sie unbeobachtet wäre.

Wieso sie das tat? Ich hatte keinen Schimmer. Allerdings wirkte sie dabei so ruhig und entspannt, dass ich es nie übers Herz brachte, sie dabei zu unterbrechen. Ihre Augen öffneten sich in den Moment und kurz war eine unglaubliche Leere in diesen zu erkennen. Sie blinzelte daraufhin ein paar Mal, bis sie mich entdeckte. Ihre Mundwinkel hoben sich etwas an und sie erhob sich.

„Essen?", fragte sie freudig und machte sich bereits auf dem Weg nach drinnen.

„Essen.", bestätigte ich und folgte ihr. Zitternd schloss ich die Türe hinter mir, während Avery sich über den ersten Burger her machte.

Eine gute Stunde später lagen wir mit einem vollen Bauch jeweils auf der Couch. Ich erzählte Avery viel.
Viel von Zuhause, meinen Eltern und Gemma. Auch von meinen besten Freunden, Niall, Louis, Zayn und Liam erzählte ich ihr. Von X-Factor, von unseren Touren. Von unseren bevorstehenden Plänen und Träumen. Ich erzählte ihr alles, was ich ihr eigentlich bereits auf der Insel erzählt hatte.
Es war wie ein Déjà-vu.

Das letzte Mal, als ich all das erzählte, war ich mir nicht mal ganz sicher, ob sie tatsächlich bei Bewusstsein war. Die einzige Reaktion, die ich von ihr bekam, war höchstens ein Nicken.
Jedoch war es diesmal etwas anders. Aber im positiven Sinne. Avery war in der Lage selbstständig da zu sitzen und mir zu antworten. Sie hörte mir aufmerksam zu, zog Grimassen und lachte ab und an. Sie stellte mir viele Fragen, und erst da fiel mir auf, dass sie unter anderem eine unglaublich, neugierige Person war.
Diese Charaktereigenschaft ist mir vorher nie an ihr aufgefallen.

Noch störte es mich nicht, dass sie rein gar nichts von sich preis gab. Ich wollte ihr all die Zeit lassen, die sie benötigte.
Ich wusste von ihr jetzt schon mehr, als ich es auf der Insel damals getan hatte. Das letzte was ich jetzt wollte, war sie zu verschrecken.

Jedoch tat ich mir mit dem Abstand bereits schwer. Während ich in der einen Ecke der Couch saß, wählte Avery die gegenüberliegende Seite. Ich wollte ihr das Gefühl geben, dass es in Ordnung ist, wusste aber nicht genau, wie ich ihr das Gefühl vermitteln sollte, ohne sie dabei zu bedrängen.

Auf der Insel hatte ich fast jeden Tag Körperkontakt zu ihr gehabt, der mir nun verweigert wurde. Und dagegen war ich machtlos.

„Harry? Was meinst du?", fragte mich Avery und holte mich aus meinen Gedanken zurück. Fragend stand Avery vor dem Fernseher, während sie in der einen Hand ihren Becher hielt, indem sich ihr Getränk befand. Sie schlürfte kurz daran, während sie weiterhin nach etwas suchte.

„Entschuldige bitte, ich habe dir nicht zugehört.", antwortete ich ihr ehrlich und rieb mir kurz über meine Augen. Dass ich kaum geschlafen hatte heute Nacht, merkte ich nun. Die Müdigkeit kam und machte mich schlapp.

„Wie wäre es mit einem Film?", fragte sie mich freundlich und erst da begriff ich, dass sie nach der Fernbedienung suchte. Die, die genau vor mir lag. Grinsend sah ich auf. „Suchst du die hier?", fragte ich sie und lehnte mich entspannt zurück mit der Fernbedienung.

„Das hättest du mir auch schon vor fünf Minuten sagen können.", murmelte sie und ließ sich wieder auf der Couch nieder.
Dieses Mal allerdings nicht in der entgegen gesetzten Richtung von mir, sondern nur wenige Meter neben mich.

Schluckend schaltete ich den Fernseher an. Suchte sie etwa den Kontakt zu mir, oder bildete ich mir das alles nur ein?
Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass sie ebenfalls nervös war. Woran ich das erkannte?
Es war möglich, dass sie sich verändert hatte, aber bestimmte Gewohnheiten hatte sie nicht verloren. Wie zum Beispiel, an ihrem Armband zu spielen, wenn sie nervös war. Ihr verdammtes Armband.

Das Armband, was ihre verheilten Narben versteckten. Ich wünschte mir wirklich, sie würde sich mir irgendwann öffnen.

„Gute Idee." „Gute Ideen sind meine Spezialität.", grinste sie glorreich und ich lachte auf.
Ich mochte diese Seite an Avery. Dieses verspielte Avery. Diese Seite kannte ich tatsächlich noch nicht. Auf der Insel gab es für solche Momente keine Gelegenheiten. Da hab ich wohl eine Hülle von ihr kennen gelernt, mit der sie sich selbst geschützt hatte, und dann eine kranke, schwache Avery.
Zu mehr war sie nicht in der Lage gewesen. Zu mehr war keine Zeit gewesen.

„Aber ich werde den Film auswählen.", bestimmte ich und war schon in der Action-Reihe gelandet.
Ich bemerkte eine Bewegung im Augenwinkel. „Aber – Moment Mal, so war das nicht gedacht."

Protestierend sah Avery dabei zu, wie ich mich durch die verschiedenen Titel durchklickte.

„Glaub mir, du wirst sehen, ich habe auch einen guten Film-Geschmack.", versuchte ich sie überzeugen und brummte zufrieden, als ich einen meiner Lieblingsfilme gefunden hatte. Stöhnend ließ sich Avery von ihrem Schneidersitz nach hinten fallen und legte sich ein Kissen über ihr Gesicht.
Lachend startete ich den Film und stand auf, um an mein Getränk heran zu kommen.

In dem Moment bemerkte ich, wie Avery sich an mich heranschlich. Und sich dann die Fernbedienung schnappte.
Bevor ich wusste, was ich da tat, schnappte ich mir Averys Körper und versuchte sie an ihre Taille entlang zu kitzeln.
Ein Keuchen entwich Avery und sie ließ die Fernbedienung schlagartig fallen.

Auch meine Hände stoppten automatisch die Bewegung. Oh Harry, wie bescheuert.

„Es tut mir Leid. Ich hatte es ... kurz vergessen.", murmelte ich leise in ihr rechtes Ohr zu, was ihren ganzen Körper erschaudern ließ.
Da sie mit dem Rücken zu mir gedreht war, konnte ich nicht wirklich erahnen, was sie gerade dachte.
Erst da merkte ich, dass sich ihr Körper, wenn auch sehr langsam, nicht mehr anspannte. Dann ließ sie langsam ihren Oberkörper zurückfallen, so dass sie mit ihrem Kopf an meiner Brust anlangte.

Ihre braunen Augen kamen ab dem Moment endlich zum Vorschein. Und ab da wusste ich, dass sie es zuließ.
Euphorisch ließ ich mich mit ihr im Arm zurück auf die Couch sinken und legte langsam meinen Arm um Avery Oberkörper. Ich merkte, wie sie einen langen und tiefen Atemzug nahm. Fragend sah ich auf sie hinab.

„Es ist in Ordnung.", flüsterte sie. Ich war mich nicht ganz sicher, ob sie es eher zu sich selbst sagte oder zu mir.
Aber es war für mich mehr als in Ordnung. Ich konnte sie in meinem Arm halten. Der einzige Ort, an dem ich sie beschützen konnte.
Und spätestens, als Avery nach nicht einmal 20 Minuten in meinem Arm eingeschlafen war, wusste ich, dass für sie auch mehr als in Ordnung war.

Ich schaffte es, mir die Fernbedienung zu angeln und den Fernsehen auszuschalten. Ich beobachtete noch eine ganze Weile, wie ruhig sie schlief, bis ich ebenfalls einschlief, mit Avery im Arm.

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Hallihallo! Kurzes Kapitel heute, dafür kommt die nächsten Tage nochmal eins! :) Versprochen.

Was meint ihr, wie sich das ganze noch zwischen den Beiden entwickeln wird? ;)

Danke wieder an die Rückmeldungen. Ich freue mich immer, mit euch zu kommunizieren!

xx T.

Unverhofft kommt oftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt