düstere Gedanken

457 31 6
                                    

Jay kauert sich am Rande des schwarzen Sees zusammen. Seine Gedanken wirbeln um die Informationen, die Jill und Lucius mit ihm geteilt haben. Jedes Mal, wenn er sich wieder damit beschäftigt, wird ihm schlecht. Jedes Mal fühlt er sich beschmutzt, auch wenn Jill ihm wieder und wieder versichert hat, dass es komplett aus ihm verwunden ist.

Auch Madam Pomfrey hat ihn noch einmal gründlich untersucht und keine Überreste von verbotener Magie gefunden. Dennoch kann Jay nicht anders. Etwas so Widerliches, dass er es sich kaum vorstellen kann, war über Jahre in ihm, ohne dass er davon wusste oder etwas dagegen tun hätte können.

Ein Teil der Seele des Mannes, des Wesens, dass ihn hatte töten wollen, war in ihm gewesen. Er hatte unwillentlich geholfen ihn am Leben zu erhalten. Allein, dass ein Horkrux in ihm gewesen war. Der Gedanke widert Jay an und am liebsten will er unter eine Dusche steigen und nie wieder hervorkommen. Sich waschen, bis auch der letzte Zweifel beseitigt ist, dass er nicht sauber ist.

Theo hat ihn am Abend nach dem Besuch von Jill und seinem Vater unter der Dusche hervorgezogen, unter der er fast eine Stunde lang stand und sich die Haut wegschrubbte. Seine Haut war beinahe ganz weg und sein Blut hatte sich mit dem Wasser vermischt, aber er hatte sich nur taub gefühlt.

Nicht einmal als Theo ihn in einen Bademantel gewickelt hatte und ihn zur Krankenstation gebracht hatte, hatte er etwas gefühlt. Madam Pomfrey hatte beinahe Jill zurückgerufen, doch Jay hatte sie angefleht es nicht zu tun und sie hatte ihm nachgegeben. Dafür war er für ein paar Tage nie allein gelassen worden.

Er konnte verstehen, dass sich alle Sorgen um ihn machten, er konnte es wirklich, aber es hatte ihm nicht geholfen. Alle hatten ihn angesehen, als sei er krank, als würde er im nächsten Moment zerspringen wie eine auf den Boden geschmissene Kristallfigur. Doch keiner von ihnen weiß, was in Jay vor sich geht.

Er hat niemandem davon erzählt, nicht einmal Theo oder Cedric. Sie würden so angewidert von ihm sein, wenn sie wüssten, was er in sich hatte. Jay ist sich sicher, dass sie sich von ihm abwenden würden, wenn sie auch nur etwas ahnen würden. Er kann ja selbst nicht in den Spiegel schauen ohne das ihm schlecht wird, wenn sein Blick wie an einer Linie gezogen immer zu der Stelle an seiner Stirn wandert, an der die Narbe einst prangte.

Unterbewusst beginnt er an seinen Unterarmen zu kratzten, bis der scharfe Schmerz und der metallene Geruch doch in sein vernebeltes Gehirn durchdringt. Er krallt die Hände in die kalte, nasse Erde unter sich, um ja nicht wieder zu kratzen, auch wenn er weiß, dass es schon schlimm genug ist. Theo wird ihn entweder zu Amadeo oder zu Madam Pomfrey schleppen.

Jay ist sich nicht sicher, was er besser finden würde. Amadeo würde Jill schreiben, da hat er keinen Zweifel dran, während Madam Pomfrey es dem Direktor melden müsste und mit dem würde er dann reden müssen. Und das würde vermutlich mit einem Brief an seinen Vater enden. Beides will er eigentlich nicht.

Ihm gefällt auch nicht, was Jill und Lucien ihm noch zusätzlich mitgeteilt haben. Dass es neben dem Horkrux, der in ihm steckte, noch drei weitere gab. Einen, ein Tagebuch eines gewissen Tom Riddle, den Jill in Lucius Labor aus Versehen mit Basiliskengift vernichtet hat, als sie die Box damit getroffen hat.

Ein weiteres, ein Goblingefertigtes Diadem, das einst Rowena Ravenclaw gehörte, haben die Goblins in der Schule gefunden und von dem Seelenteil gereinigt. Jay findet es extrem gruselig, dass ein Horkrux in Hogwarts war, genau unter Dumbledores Nase, und dieser davon nichts gewusst haben soll. Besonders bei der Obsession des alten Mannes mit Voldemort.

Der letzte Horkrux ist der Kelch, der in Luciens Verließ gefunden wurde und einst Helga Hufflepuff gehörte. Laut Lucius sind Luciens Eltern überzeugte und treue Anhänger Voldemorts und haben von ihm vermutlich das Horkrux zur sicheren Aufbewahrung erhalten. Und wo könne man besser etwas aufbewahren als in Gringrotts.

Jay schüttelt es. Etwas so Widerliches zu tun, wie seine Seele zu spalten. Er kann nicht verstehen, wie irgendjemand auf diese Idee kommen konnte. Es war ja nicht einmal Voldemort gewesen, der auf diese Idee gekommen war. Irgendwer musste es schon lange vorher entdeckt und ausprobiert haben. Allein der Gedanke macht Jay krank.

Er zieht die Beine eng an den Körper und schlingt seine Arme darum. Warum hatte das ihn treffen müssen? Wieso hatte er einen Teil dieser widerlichen Seele in sich tragen müssen? Warum hatte es nicht seinen Bruder getroffen? Der war der Held der Nation. Der sollte so etwas ertragen. Jay will doch nur eine Familie und ein friedliches Leben und er hatte gedacht er hätte es.

Als er merkt, was er da denkt, schüttelt er den Kopf. Er mag Nick zwar nicht, aber er will niemandem dieses Schicksal wünschen. Niemand hat es verdient mit einem solchen Wissen leben zu müssen. Zu wissen, dass man ein solch widerliches Wesen am Leben gehalten hat.

Jay merkt, wie sich erneut sein Mageninhalt einen Weg durch seine Speiseröhre bahnt, beugt sich nach vorne und kotzt sich die Seele aus dem Leib. Ein wenig ist er tatsächlich erstaunt, dass überhaupt noch etwas in seinem Magen ist, dass er auskotzen kann. Er bekommt einfach nichts runter, ohne es meist nur Minuten später wiederzusehen.

So kann es nicht weitergehen, stellt er fest, als er sich erschöpft Tränen, Schweiß und Speichel aus dem Gesicht wischt. Sein Brustkorb schmerzt bei jedem Atemzug, den er macht, Tränen laufen über seine Wangen, ohne das er genau wüsste, warum oder wie er sie stoppen könnte.

Vollkommen erschöpft lässt er sich auf die Seite fallen. Am liebsten würde er zurück in der Zeit reisen, all das vergessen und sein Leben leben, ohne zu wissen, was da einmal in ihm gewesen war. Wobei, bevor er gewusst hatte, was da in ihm gewesen war, hat er immer wissen wollen, was es damals gewesen war. Was damals der schwarze Nebel gewesen war, der aus ihm gekommen war und von dem niemand gewusst zu haben schien, was es war.

Jay rollt sich zusammen zu schließt die Augen. Nur für einen Moment, um seine schmerzenden Augen zu beruhigen. Nur einen Moment lang, damit die dumpf pochenden Kopfschmerzen, die gerade einsetzten, nicht schlimmer werden.

Die neue Generation im Haus der SchlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt