In der Bibliothek

489 32 2
                                    

Jay tippt seine Unterlippe, während er mit der anderen Hand die Buchrücken entlangfährt. In der großen Bibliothek ist es still und er hofft, dass es noch eine Weile so bleibt. So kann er in Ruhe arbeiten und auch wenn er lieber im Gemeinschaftsraum wäre, dort findet er die Bücher für seine Hausaufgaben nicht, obwohl er weiß, dass sie dort sein müssten. Er vermutet, dass irgendjemand die Bücher mit auf sein Zimmer genommen und nicht zurückgebracht hatte.

Er findet das gesuchte Buch und geht zu seinem Tisch zurück. Kaum hat er sich gesetzt und beginnt in dem Buch zu blättern, da wird der Stuhl ihm gegenüber zurückgezogen. Überrascht schaut er von seinen Aufgaben hoch. Er entdeckt den Schüler von Durmstrang, mit dem er nun schon ein paar Mal gesprochen hat, besonders weil er sich beim Essen gerne zu ihnen setzt. Vladimir.

Jay wendet sich wieder dem Buch zu, besonders weil der andere nichts sagt. Daher zuckt er zusammen, als Vladimir nach seiner Hand greift. „Kann ich dir was helfen?" „Ich habe mich nur gewundert, weil du so alleine hier drinnen sitzt." Jay dreht den Kopf und sieht über das Gelände. Dunkle Wolken und pfeifender Wind sind zu sehen.

„Nicht jeder ist so abgehärtet wie ihr Jungs von Durmstrang, die bei jedem Wetter draußen im See schwimmen. Da ist es hier drinnen doch viel gemütlicher. Außerdem muss ich meine Hausaufgaben erledigen. Was bringt dich ins Schloss?" „Nur so. Zufällig." Vladimir zuckt mit den Schultern.

Jay lächelt und sieht wieder auf seinen Aufschrieb, wo er noch immer nicht weiter gekommen ist. „Kannst du meine Hand loslassen?" Vladimir lässt seine Hand tatsächlich los. „Würdest du mich das nächste Mal ins Dorf begleiten?" „Wir wissen doch noch nicht einmal, wann das nächste Mal sein wird. Ich weiß noch nicht."

Jay lächelt. So ganz weiß er nicht warum, aber er fühlt sich unwohl. „Aber das ist kein nein." Jay schüttelt den Kopf. „Kein nein, aber auch kein ja. Ich weiß es einfach noch nicht." „Ich will doch noch zum Schwimmen im See einladen." Jay schüttelt den Kopf.

„Das sollte ich wirklich nicht machen. Mein Immunsystem ist nicht so stabil, wie es sein sollte. Meine beste Freundin wäre wirklich sauer auf mich, wenn ich so etwas mache. Das ist für mich einfach gefährlich. Ich denke, dass ist nur was für euch." Jay hört Getuschel hinter ihnen und zieht den Kopf etwas zwischen die Schultern.

„Eisbäder stärken das Immunsystem." Ein tiefes Lachen kommt von neben Jay und er dreht den Kopf. Es ist Viktor, der neben ihm steht. „Für jemand mit einem normalen Immunsystem ja, aber nicht für jemand, der sowieso schon ein schwaches Immunsystem hat."

Jay nutzt die Worte von Viktor, um sich umzusehen. Hinter den Regalen verstecken sich kichernde Mädchen, die Viktor sichtbar anhimmeln. „Wir sollten zurück ins Schiff. Es ist ein heftiger Sturm angekündigt und Direktor Karkaroff will alle wieder im Schiff haben." Vladimir sieht Viktor mit einem Blick an, den Jay nur als mörderisch interpretiert, steht dann aber auf.

Gemeinsam verlassen sie die Bibliothek und Jay sieht ihnen einen Augenblick hinterher, wendet sich dann aber endlich seinen Hausaufgaben zu, als sein Blick von den kichernden Mädchen verdeckt wird. Er kommt gut voran und legt seinen Stift mit einem Seufzen weg, als er endlich fertig ist. Zufrieden reckt er sich.

„Hey." Jay hebt den Kopf und lächelt sofort, als er sieht, dass Cedric neben ihm steht. „Ich habe gehört, dass gegen den Tierhändler Schritte eingeleitet wurden." „Ja. Jill hat geschrieben, dass er überprüft wurde und die Zustände als absolut katastrophal eingestuft wurden. Die Käfige in seinem Laden scheinen noch kleiner gewesen zu sein, das Futter unzureichend und auf die sozialen Bedingungen wurde keine Rücksicht genommen."

Jay atmet einmal tief durch, um sich wieder zu beruhigen, dann aber spricht er weiter. „Sie versuchen im Moment alle Käufer zu finden, denn wer die Tiere unsachgemäß hält, dem werden sie abgenommen. In den nächsten Tagen sollte es dazu auch einen Aufruf in der Zeitung geben, dass sich Käufer bitte melden sollen."

„Glaubst du, es werden viele gefunden werden?" „Von den Besitzern der Tiere? Ich denke schon." „Denkst du, vielen werden die Tiere abgenommen werden müssen?" „Ich hoffe nicht, aber ich denke schon. Menschen sind einfach so. Und der Verkäufer hat sie ja noch nicht einmal richtig eingewiesen. Da machen sich die meisten nicht die Mühe nachzusehen, wie sie für ein Tier tatsächlich das richtige Umfeld schaffen."

„Da hast du vermutlich Recht. Leider." Jay seufzt. „Und leider wird sich daran auch nichts ändern. Sie werden ihre Strafe bezahlen und sich dann das nächste süße Tierchen halten, dass vermutlich ebenfalls nicht richtig behandelt wird. Man sollte meinen, dass Tiere in der magischen Welt besser behandelt werden. Man kann mit Zaubern so viel anstellen, aber nein. Selbst normale Haustiere werden von den Mugglegeborenen meist besser behandelt."

Cedric legt einen Arm um Jay. Der lässt es zu und lehnt sich sogar in die tröstende Umarmung. „Wir können nur unser Bestes geben, um dafür zu sorgen, dass möglichst wenig Tiere leiden müssen. Und vielleicht führt das zu einem Umdenken." „Ein schöner Wunschtraum. Aber dennoch ein Wunschtraum." „Man kann die Menschen nicht dazu zwingen." „Ja. Leider nicht." Jay seufzt erneut.

„Du solltest nicht so viel seufzten. Ich habe mal gehört, dass das das Leben verkürzt." Jay dreht sich halb in Cedrics Umarmung, um ihn ansehen zu können. „Ist das dein Ernst?" Cedric kann sein Lächeln nicht mehr halten und Jay stimmt mit ein, bis sie von Madam Pince aus der Bibliothek gejagt werden.

Einige Flure weiter bleiben sich keuchend stehen. Jay packt seine Sachen ordentlich zusammen, während Cedric sich auf seinen Oberschenkeln abstützen muss. „Okay, das war lustig." „Angebrüllt zu werden und aus der Bibliothek gejagt zu werden ist lustig? Ist mit deinem Kopf alles in Ordnung?" fragt Jay kopfschüttelnd nach.

„Ach komm. Du musst zugeben, ein bisschen lustig war es schon." lacht Cedric und richtet sich wieder auf. „Vielleicht ein bisschen." gibt Jay zu und liebt es, wie Cedrics Lächeln noch strahlender wird und seine Augen zu leuchten beginnen. „Wenigstens musste ich nichts mehr machen." Aber Cedric scheint ihn nicht zu hören, sondern fasst einfach lachend nach seinem Handgelenk und zieht ihn den Flur hinunter.

Die neue Generation im Haus der SchlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt