Mein neues Leben

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Sayuna

Die Sonne brannte auf mich herab. Ich würde einen Sonnenbrand bekommen, definitiv. Um mich herum streiften schmierige Händler, auf der Suche nach Sklaven. Denn genau dort war ich. Auf einem Sklavenmarkt. Ich stand zum Verkauf. Mein jetziger Besitzer behandelte mich gut. Jeden Tag aufs neue dankte ich allen Göttern, die mir einfielen dafür, dass auf Tatooine vor allem Spezies lebten, die dem Menschen fremd waren. Sie fanden mich – nach menschlichen Maßstäben war ich hübsch – hässlich. Und das war mein Glück. So wurde ich als junges Mädchen nicht Opfer von Vergewaltigungen. Mein Besitzer war ein Gossam. Seinen Namen hatte ich nie erfahren, ich nannte ihn nur 'Meister'. Die Sonnen sanken langsam – endlich. Bald würden wir in unsere Unterkunft zurückkehren. Dort wartete kühles Wasser, klebriger Brei, der als Nahrung diente und ein halbwegs bequemer Schlafplatz. Plötzlich trat eine Gestalt an mich heran, die in einen Umhang gehüllt war. Sie beugte sich zu mir herunter, aber ihr Gesicht konnte ich trotzdem nicht sehen, die Silhouette jedoch wirkte menschlich. Die Stimme eines Mannes erklang. „Wie komme ich zum Raumhafen?" Ich sah ihn entschuldigend an. „Es tut mir Leid, Sir, aber ich weiß es nicht. Aber Ihr könntet meinen Meister fragen, den Gossam dort. Er weiß es vielleicht. Ich kam erst mit der letzten Lieferung." Er hob den Kopf und blickte zu meinem Meister. Jetzt fiel Licht unter seine Kapuze. Er war tatsächlich ein Mensch, ein Mann. Sein hellbrauner Bart stand in einem interessanten Kontrast zu seinen blaugrauen Augen. Mit diesen fixierte er mich direkt. Ich erwiderte seinen Blick, vergaß dabei, dass es mir verboten war, ein freies Lebewesen so anzusehen. Erst als ich meinen Meister hörte, senkte ich den Kopf. Der Mann legte mir eine Hand unters Kinn und hob es an. Ich richtete meinen Blick auf seine Nase. Mein Meister stand jetzt neben uns. Er reichte dem Mann gerade mal bis zur Hüfte. „Sir, wollen Sie sie kaufen? Ganz neue Ware, eine Waise, frisch aus Coruscant! Und ich mache ihnen einen besonderen Preis!" Ich hielt es nicht mehr aus und sah den Mann wieder direkt an. Dieses Mal war es anders. Ich spürte eine Bewegung, in mir drin. Wie ein Kind, das sich im Mutterleib bewegt. Aber es war nicht nur eine Bewegung, sondern auch eine Berührung. Sie galt nicht meinem Körper, sondern meinem Geist. Ich wich innerlich zurück, verschwand in einer schützenden Burg, die einzige Fähigkeit, die meine Mutter mir beigebracht hatte. Die Augen des Mannes weiteten sich. Abrupt ließ er mich los und wandte sich meinem Meister zu. „Ich kaufe sie." Nach einigen Verhandlungen wechselten Geld und Sklavin den Besitzer und ich folgte meinem neuen Meister zu meinem neuen Zuhause.

Er wohnte außerhalb, weit außerhalb, noch hinter Mos Eisley. Er hatte ein Eopie und wies mich an, hinter ihm aufzusteigen. Ich setzte mich so weit von ihm entfernt wie möglich, doch als das Tier lief, wackelte es so sehr, dass ich meine Arme schnell um ihn schlang, damit ich nicht herunterfiel. Der Weg war lang und es war schon dunkel, als wir eine einfache, abgeschiedene Hütte erreichten.

„Wie heißt du?"

„Sayuna, Meister."

„Nenn mich ... Ben."

„Ja, Meister Ben."

„Ohne Meister."

„Ja, M- Ben. Ich nehme an, Ihr wollt..."

Ich ließ mein Gewand meine Schulter herabrutschen. Seine Augen traten fast aus ihren Höhlen.

„Wa-nein! Das würde ich nie von dir verlangen."

„Was dann? Was kann ich für Euch tun?"

„Mir Gesellschaft leisten. Mir Geschichten erzählen. Mit mir hier leben. Es wird dir an nichts fehlen. Es sind nicht die selben Standards wie auf Coruscant, aber..."

„Auf Coruscant gibt es auch nicht viele Standards. Wo ist der Haken?"

Jetzt grinste er. So wirkte er viel jünger.

„Es gibt keinen, zumindest bin ich nicht in der Lage, einen zu finden."

Und so begann mein neues Leben.

Ich bekam ein Bett. Ein Bett! Ganz für mich allein, ganz allein in meinem eigenen Zimmer.

„Das alles?"

„Aber ja. Was hast du denn gedacht?"

„Es steht mir nicht zu, Vermutungen anzustellen. Bitte verzeiht mir, M- Ben." Ich senkte den Kopf. Er drückte mein Kinn wieder nach oben.

„Sayuna, ich gebe dir jetzt die einzigen Befehle, die du je von mir bekommen wirst. Erstens, verlass das Haus nicht. Du darfst dich innerhalb des Oberhauses und den unterirdischen Gängen vollkommen frei bewegen, aber tritt niemals vor die Haustür. Niemand darf wissen, dass du hier bist. Zweitens, du sollst hier nicht als Sklavin leben, sondern als eine Freundin. Du darfst so mit mir reden wie du willst. Vergiss alles, was dieser Gossam dir eingetrichtert hat. Drittens, sprich mich mit 'du' und 'Ben' an. Lass alle Titel weg."

Ich nickte. „Ja, M- Ben. Verzeiht m- Verzeih mir, Gewohnheiten sind nur schwer abzulegen."

Er lächelte. „Irgendwann wirst du es schaffen. Brauchst du noch etwas?" Ich schüttelte den Kopf.

„In Ordnung, gute Nacht." Er drehte sich um und verschwand in seinem Schlafzimmer.

Überwältigt schloss ich die Tür meines eigenen Zimmers hinter mir. Mein Leben war soeben viel besser geworden. Ich schüttelte den Kopf, noch immer ungläubig. Noch nie zuvor hatte ich so viel Freiheit besessen, auch auf Coruscant nicht. Ich durfte das Haus zwar nicht verlassen und das Oberhaus, das über der Erdoberfläche lag, war auch nicht sonderlich groß, aber ein weitläufiges unterirdisches System aus Gängen gehörte zum Haus. Genauer gesagt war ich jetzt auch dort. Sie waren tagsüber kühler als das Oberhaus und nachts wärmer. Ich legte mich schlafen. Es war ein seltsames Gefühl, ohne die Schlafgeräusche anderer Wesen.

Am nächsten Morgen erwachte ich früh. Erst musste ich mir ins Gedächtnis rufen, was gestern geschehen war, dann schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Als Antwort auf das Knurren meines Magens machte ich mich auf die Suche nach der Küche.

Obi-Wan

Er wurde von dem Duft nach Pfannkuchen geweckt. Pfannkuchen, die hatte er seit der Order 66 nicht mehr gegessen. Das war sein erster Gedanke. Der zweite war: Verdammt, hier ist jemand im Haus. Der dritte Gedanke beruhigte ihn wieder. Ein Einbrecher oder ein Attentäter würde wohl kaum auf die Idee kommen, Pfannkuchen zu machen.

Er legte das Lichtschwert wieder zurück unter sein Kopfkissen und machte sich auf dem Weg in die Küche. Als er eintrat, drehte Sayuna am Herd sich zu ihm um und lächelte ihn an. Plötzlich fiel ihm auf, dass er nur eine Hose trug, keine Tunika. Sie trug dafür nur eins seiner Hemden, dass sie wohl im Schrank gefunden hatte. Irgendwie hatten sich seine sämtlichen Habseligkeiten in den letzten zwei Monaten quer durchs Haus verteilt. Und sie war hübsch. Eine Strähne ihres Haares hatte sich aus ihrer Frisur geschlichen und strich nun über ihre Schulter, als sie sich wieder den Pfannkuchen zu wandte.

„Ich hoffe, du hast Hunger!"

„Und wie! Ich habe schon lange keine Pfannkuchen mehr gegessen!"

„Kommt sofort!" Mit diesen Worten brachte sie zwei Teller mit Pfannkuchen, holte Kaffee und die Blerimarmelade, die Beru Lars ihm geschenkt hatte. Er hatte schon lange kein so gutes Frühstück mehr. Irgendwie waren sie im Stillen übereingekommen, den schwierigen Anfang ihrer Freundschaft zu überspringen, auch wenn in ihren Augen noch ein letzter Rest Misstrauen sichtbar war. Er konnte nicht glauben, dass sie eine Sklavin war, sie war so lebendig. Während sie aßen, unterhielten sie sich. Er liebte bereits jetzt ihr Lachen. Es brachte ihre blauen Augen zum Strahlen. Mit dem blonden Haar, dem hellen Teint und ebenjenen Augen sah sie aus wie eine Elfe aus den Märchen, die Qui-Gon ihm oft erzählt hatte als er noch jünger war.

Zeiten des Imperiums: TatooineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt