St. Nikolaus °💖° So. 6.12.2020

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Heute ist Nikolaus – eines der Feste, die ich all die Jahre immer hier in meinem Pub gefeiert habe. Heute gibt es zu jedem Getränk einen kleinen Schokoladennikolaus und auf Wunsch für jeden Gast koreanisch, japanisch, englisch und spanisch eine kleine Broschüre mit einer Nikolauslegende. Außerdem werde ich natürlich selbst als Nikolaus auftauchen und ein bisschen Theater spielen. Eigentlich stehe ich an den Tagen vorher ganz viel in der Küche und backe Berge von typisch europäischen Weihnachtsplätzchen, aber dafür hatte ich dieses Jahr nicht den Kopf. Stattdessen habe ich möglichst passendes Gebäck gekauft und von meinen Mitarbeitern in Zelophantüten verpacken lassen. Schleifchen drum – die verteilt dann der Nikolaus.

Ich habe einen Moment lang überlegt, ob ich Taehyung bitten soll, mein diesjähriger Nikolaus zu sein, gegen Bezahlung, versteht sich. Aber das habe ich ganz schnell wieder verworfen. Das hier ist sein Rückzugsort, wo ihn keiner erkennen soll.
Hier soll er vom Nikolaus beschenkt werden und nicht stattdessen arbeiten müssen.

Etwas ganz Besonderes habe ich mir für Jimin und Ssss einfallen lassen. Ich habe meine alten, riesigen Gummistiefel rausgeholt und mit Äpfeln, Mandarinen, Nüssen, Keksen und Taschenwärmern gefüllt. Dazu habe ich ein Viererpack Gaskartuschen besorgt, für Jimin neue Handschuhe und für den Kleinen ein richtiges Bilderbuch mit etwas realistischeren Bildern und Legenden über den Bischof von Myra. Dann haben sie für eine Weile sichere Energie zum Kochen, warme Hände, Leckerlies zum Naschen und ein paar Geschichten zum Vorlesen. An den beiden Stiefeln befestige ich Zettel mit den Namen „Jimin" und „Ssss". Das alles stelle ich so in den Eingang des Pubs, dass es nicht nass werden kann, dass Jimin es aber sehen wird, wenn er auf seiner Runde hier vorbeikommt.

Nachdem ich meine Morgenroutine in der Kneipe erledigt habe, gehe ich in den obersten Stock. Mit Stift und Papier bewaffnet, mache ich eine genaue Bestandsaufnahme, was hier alles zu tun ist, um die Wohnung bewohnbar zu machen. Ich steige sogar vom Treppenhaus aus auf den Dachboden und schaue mich da um. Hier ist allerdings sehr viel mehr zu tun. Ich bin froh, dass ich mal hier rauf gegangen bin, denn ich stelle fest, dass das Dach bei einem der letzten Stürme beschädigt worden sein muss. Den Dachdecker brauche ich also sowieso.

Und dann kann ich hier auch gleich aufräumen, ausmisten, das Dach isolieren lassen. Und ein Bad und zwei weitere Räume planen. Die kann man dann erreichen über das Treppenhaus oder vielleicht über eine Innenwendeltreppe. Der eine Raum oben wird Dachboden bleiben, der andere bekommt einen Balkon ins Dach eingelassen und wird eine schicke Bude mit Bad. Immer mehr Ideen schießen mir durch den Kopf. Es ist richtig, als wollte ich einem gefallenen Vögelchen ein warmes Nest bauen.

Und wer dieses oder diese Vögelchen dann sind, ist eigentlich egal. Hauptsache, ich bleibe hier nicht mehr alleine. Ich brauche eine Aufgabe!

Anschließend hocke ich ganz lange im Büro und google mir die Finger wund nach Handwerkern und Angeboten und einem Architekten, der sich auf meine Ideen einlassen wird. Es soll schnell gehen. Da um diese Jahreszeit kein vernünftiger Mensch nach Architekten und Dachdeckern sucht, werde ich schnell fündig und mache für morgen Vormittag eine Ortsbegehung mit allen möglichen Handwerkern gleichzeitig aus. Die sollen sich als Konkurrenz erleben und mir ihre bestmöglichen und günstigsten Angebote und Ideen zur Sanierung von Wohnung und Dach unterbreiten.

Schon ist es Zeit für Jimins Mittagessen. Ich gehe nach nebenan in die Küche, wärme ihm und mir das Essen an und hocke mich in den Schankraum. Die Stiefel stehen vor der Kneipentür. Ich freue mich wie Bolle auf sein Gesicht beim Anblick der Stiefel.
Und ich würde so gerne das Gesicht von Ssss sehen, wenn er seinen Stiefel bekommt ...

Pünktlich wie die Sonnenuhr läuft Jimin auf die Kneipentür zu und bleibt dort ziemlich abrupt stehen. Sein Blick ist auf den Boden vor der Tür gerichtet, fast fallen ihm die Augen aus dem Kopf beim Anblick der Stiefel. Er kniet nieder und ist offensichtlich fassungslos. Leise klopfe ich an die Scheibe, bevor ich die Türe öffne, damit er nicht erschrickt.

Mensch, ärgere dich nicht - Adventskalender 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt